Trettmann – Der Raver im Interview

Trettmann.
Bild: Christian Niessen (mehr Konzertfotografien auf Instagram unter: christian_niessen).

Trettmann ist schon gefühlte Dekaden im Musikbusiness. Trotzdem hat er in den letzten Jahren so etwas wie seinen karrieretechnischen Zenit erfahren. Die drei KitschKrieg-EPs ebneten den Weg zum Instant Deutschrap Klassiker „#DIY“. Nun ist sein neues Album frisch auf dem Markt, welches sehnlichst erwartet wurde. Wir haben uns mit dem Ausnahmekünstler auf dem Juicy Beats Festival getroffen, um über seinen Werdegang, das neue Album und Verantwortung zu sprechen.

re>flex: Beginnen wir doch mit einer Frage zum Juicy Beats Festival, da wir uns hier heute befinden. Du warst mit diesem Jahr die letzten vier Jahre in Folge auf dem Festival. Und das ist an sich ja schon mal krass, da nicht viele Künstler so oft hintereinander auf dem gleichen Festival zu spielen. Außerdem merkt man eine Entwicklung. Die Stages werden größer. Die Slots werden größer. Ist das eine Entwicklung, die du in den letzten Jahren auch so stetig wahrgenommen hast? Deine musikalische Entwicklung und generell alles in deinem Leben, oder ist das alles so plötzlich gekommen?

Trettmann: Also wenn man mal bedenkt wie lange ich das schon mache, ist das dann doch ziemlich plötzlich gekommen. Letztendlich ist das quasi seit 2016 so. Also das Juicy Beats steht wirklich irgendwie dafür. Ich erinnere mich noch 2016, die KitschKrieg-EPs waren gerade alle so raus und ich habe da oben auf dieser Dancehall-Reggae Bühne gespielt. Vor wenigen Leuten (lacht). Der Sound war halt auch neu und die Hälfte kannte mich quasi gar nicht. Und das Jahr darauf dann wieder. Da war der Platz schon richtig crowded. Und ja, dann ging’s halt irgendwie auf die Mainstage. Und auch die Zeit wurde auch immer später. Insofern kann man es eigentlich auf dem Juicy Beats ganz gut nachvollziehen, wie es gewachsen ist.

Direkt noch eine Frage zu deinen aktuellen KitschKrieg Releases. Das sind ja „Standard“ und „5 Minuten“. Dann hast du auch noch mit Max Herre „Villa auf der Klippe“ gemacht. Das sind schon sehr viele verschiedene Künstler mit denen du hier agierst und du machst auch verschiedene Genres durch. Wenn ich mir andere Künstler anschaue, gibt es öfter einen Shitstorm, wenn man in eine andere Richtung geht. Bei dir wird das ja immer total positiv aufgenommen und jeder feiert das, egal mit wem du kooperierst. Also so weitestgehend. Vielleicht nicht jeder, aber viele. Was glaubst du, hat dir diese fast schon Sonderstellung im Musikbusiness eingebracht?

Ich glaube das hängt damit zusammen, wie ich Musik halt schon immer wahrgenommen habe. Eben nicht nur als einen Sound. Bloß weil ich jetzt Reggae mache, bedeutet das ja nicht, dass ich jetzt nicht einen Rockartist featuren könnte. Da war ich eigentlich schon immer ziemlich frei, was die Schubladen und Genre anbelangt. Weil im Endeffekt ist das ja so, dass das alles artverwandt ist. Und wenn du das nochmal bedenkst, ist das quasi gar nicht so weit weg, mit einem Rapper wie Max Herre, oder mit was weiß ich, Gzuz, einen Song zu machen. Und ich finde es auch schön. Es ist ja nicht nur so, dass ich gesucht habe. Raf und Bonez haben mich ja gepickt, mehr oder minder. Und ich freu mich da drüber, weil ich halt nicht nur stringent einen Sound höre. Ich brauch die verschiedenen, wie soll ich sagen, Sparten. Das macht das irgendwie aus. Und es auch ist zum Teil so, dass das mir nicht unbedingt gefallen muss, aber es ist einfach auch schön, dieses Facettenreichtum den Leuten quasi näher zu bringen. Wenn ich jetzt 187 feature, dann öffnen die quasi auch ihre Zuhörerschaft für mich und die Leute hören meinen Kram und umgekehrt genauso. Das heißt, das macht ja irgendwie irgendwas. Und das ist halt alles nicht zu eng zu sehen. Insofern (lacht).

Bevor wir über das neue Album sprechen noch eine Frage zum Stichwort viele Facetten. Ich habe mitbekommen, dass du damals Breakdance gemacht hast. Außerdem bist du ja ein Rapper. Wie sieht’s mit den anderen beiden Säulen des Hip Hops aus. Also Turntablism und Spraying? Bist du da auch irgendwie mal unterwegs gewesen und hast Erfahrungen gesammelt?

Ja (lacht). Ich war ziemlich lange DJ. Nun muss man sagen, war ich nicht so der Turntablist, sondern hab halt aufgelegt. Und viel kam bei mir, so 93, 94. So Plattenspieler hab ich 93 mir gekauft (lacht). Von da ging’s dann auch los mit RnB und Hip Hop. Durch meinen ersten Karibik Aufenthalt kam halt Reggae und Dancehall dazu. Später kam Drum and Bass und so ne Sachen, dieser ganze UK Sound. Und ich fand das schon immer geil, das alles zu mischen. Also war da am Start. Und Sprühen: Früher hab ich gern und viel gezeichnet. Ich hatte auch Zeiten wo ich losgezogen bin und getagged habe. Getan habe ich alles, oder mich versucht auf jeden Fall (lacht).

Dann reden wir doch nochmal über das neue Album. Angekündigt ist es ja schon für den 13.9.. Hast du sonstige „Randnotizen“ für uns: Steht schon ein Titel? Hast du vor, eine Deluxebox dazu rauszubringen?

(lacht) Titel steht. Wird noch nicht verraten. Zum Thema Box: Ich meine damals waren wir ja auch so, dass wir an der Industrie vorbei sind. Wir hatten so eine Rolle, welche auch sehr individuell war. Man konnte die selbst zusammenstellen und auch zum Teil persönlich abholen. Dazu auch wirklich wochenlang Widmungen geschrieben, die man quasi eintypen konnte im Netz. Ja, wir sind noch drauf und dran, das alles zu planen. Es ist noch nicht so weit, dass ich das verraten wöllte, weil es eh noch nicht ganz klar ist. Aber da kommt was auf jeden Fall. (Anm. d. Red.: Zum jetzigen Zeitpunkt könnt ihr im KitschKriegShop eine Box bestellen, welche ihr individuell zusammenstellen könnt).

Dann noch was anderes, das du vielleicht schon verraten kannst. Du hast ja gesagt die erste Single die kommt ist „Du weißt“. Weißt du auch schon, wann die denn gedroppt wird?

Weiß ich, ja (lacht), aber ich sage es nicht. Also sagen wir mal so, nächste Woche kommen so die ersten Sachen. (Anm. d. Red.: Das war in der letzten Juli-/ersten Augustwoche mit zwei Singles tatsächlich der Fall).

Das ist natürlich schön zu hören, für alle die auf Musik warten. Ich würde dann gleich noch über „Du weißt“ reden. Ich hab auf dem Heroes Festival deinen Liveauftritt gesehen, auf welchen du den Song auch gespielt. Und es gab so einen Part, der noch leer war, bei der du auch das Publikum gefragt hast, wie sie diesen gerne füllen würden. Wie sieht’s aus: Ist das Album immer noch im Entstehungsprozess? Hast du da bereits eine Lösung gefunden?

Ja habe ich, aber wird auch noch nicht verraten. Das Secret wird dann am Releasetag verraten. (Anm. d. Red.: Mittlerweile ist das Geheimnis gelüftet und Gzuz featured auf dem Song).

Aber das heißt, so generell ist das Album jetzt komplett fertig?

Jap. Ich habe gestern die Tracklist handschriftlich geschrieben.

Dann würde ich auch nochmal kurz auf den Entstehungsprozess eingehen. Vorhin hast du schon deine Reisen angesprochen. Du warst ja damals, 1993, schon zum ersten Mal in Jamaica. Und auch vor dem Album hast du öfter auf Instagram gepostet, dass du dort unterwegs bist und ein bisschen Impressionen sammelst. Was ist da besonders für dich an der Gegend? Was inspiriert dich da sehr? Und ist da viel an Eindrücken ins Album geflossen?

Ja, ich war halt lange Zeit nicht mehr dort. Früher bin ich richtig regelmäßig hin. Dann, 2007 glaube ich, das letzte Mal. Das letzte Jahr bin ich das erste Mal wieder da gelandet als wir das „Billie Holiday“-Video gedreht haben. Und mir hat das gleich so sehr wieder gefallen, bin gleich wieder so sehr in Liebe gefallen, dass ich im letzten Jahr gleich wieder drei Mal hinmusste (lacht.) Um meinen Durst zu stillen.

Ist halt so ein Ursprungsort für Musik, nicht nur für Reggae und Dancehall. Du hörst da halt all die Sounds. Von RnB bis Hip Hop. Und das läuft da halt schön über die Soundsystems. Die Leute sind schon was Besonderes einfach. Und mir gefällt es da auch sehr. Und natürlich fließt da etwas. Also ich kann da jetzt nicht so wirklich arbeiten und es fällt mir schwer da Texte zu schreiben. Obwohl ein Song, „Zeit steht“, auch dort entstanden ist, aber mit diesem Kontext quasi gar nichts zu tun hat. Ist dann eher die Richtung Tanz, also die aktuellen Tänze in irgendeiner Form adaptieren. Und eher so der Lifestyle. Außerdem ist es natürlich eine paradiesische Insel mit wirklich vielen schönen Spots. Ist halt gut wenn du einen Monat auf Tour warst. So zwei Wochen in der Sonne zu relaxen wenn es hier schneit und kalt und ungemütlich ist (lacht). Und das bekommt mir sehr gut.

Weil du jetzt auch vom vielen Stress und der Erholung danach redest. Du warst auf ganz vielen Festivals und hast viele Konzerte gespielt, über viele Jahre hinweg und hast dir keine große Pause genommen. Wie war das alles für dich? Gab es so ein Punkt, wo du gesagt hast irgendwann schlaucht es und du hast gar nicht mehr so die Motivation?

(verneint). Ist halt auch schön mit dem neuen Sound zu touren. Das macht Spaß und hat für mich auch irgendwie so einen längeren Haltbarkeitswert. Das heißt, ich tour immer noch mit dem Album. Auch Songs von der EP kann ich mir immer noch vorstellen zu performen. Oder wenn ich das tu, macht es immer noch Spaß. Das erleichtert das halt auch. Und es ist, wie du auch schon festgestellt hast, dadurch, dass es auch immer größer wurde, halt schon geil, wenn das Album droppt und die Leute singen alle mit. Das sind schon Momente, die dann auch pushen. Es schlaucht, aber ich mach das gerne. Das ist der beste Job der Welt.

Hast du dann beim neuen Album auch irgendwie Wert darauf gelegt, dass ein Track dann auch live funktioniert? Beim alten Album war‘s ja „Nur noch Einen“. Hast du auch wieder einen Song gemacht, bei dem du sagst, den hast du extra für die Liveauftritte geschrieben?

Nein, diesmal nicht.

Ein anderer Song, den du vornerein geschrieben hast, ist „Stolpersteine“. Du warst ja auch bei „Wir sind Mehr“. Hat dich das irgendwie motiviert zu sagen: Ich mache jetzt noch einen politischen Song für das Album?

„Wir sind Mehr“ war auf alle Fälle ein wichtiges Statement. Aber die Idee für den Song gab es schon länger, ohne dass ich sozusagen irgendwelche Lines außer der Idee im Kopf hatte. Und diese ist halt eher der Entwicklung geschuldet, der momentanen Situation hier in Deutschland und dem Vergessen. Man hat quasi eine Verantwortung. Ich finde, wir müssen diese Verantwortung wahrnehmen und dürfen halt nicht vergessen, was sich da vor 70 Jahren abgespielt hat.

Auf alle Fälle ein wichtiges Statement.

Ich würde nochmal zu einem anderen Song kommen. „Delicious“, der jetzt ja glaub ich „Bye Bye“ heißt. Den hast du ja schon vor einem Jahr, also vor den ganzen anderen Songs des Albums, live gespielt.

Aka „Bye Bye“. Er heißt „Bye Bye“ aka „Delicous“. So jetzt (alle lachen).

Wieso wurde der Song so lange nicht released? War das vielleicht auch schwer? Es haben ja auch viele auf den Song gewartet.

Ja, es war einfach der erste Song, der eben quasi in diesen Albumkontext gepasst hat. Auf diesem wollte ich dann auch ein bisschen Up-Tempo unterbringen und ‘nen bisschen UK-Sound droppen. War halt ‘nen Albumtune. Man wusste halt nicht: Wann kommt das Album? Wann ist das Album fertig? Solange mussten die Leute sich halt gedulden. Und ich meine, davon hätte halt auch niemand erfahren, hätten wir den nicht hinten an „Billie Holiday“ gepackt.

Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber den Song gab es ja auch nochmal als Zusammenschnitt auf YouTube. Da haben sich Leute die Mühe gemacht, das aus Liveaufnahmen rauszufiltern.

Ja, das weiß ich. Irgendwie habe ich das mitbekommen. Und das ist krass. Aber, Leute mussten auf die zweite Strophe warten (alle lachen). Aber ich meine, ich spiel den ja jetzt auch seit einer Weile live. Ist irgendwie einfach so wie es ist. War nicht geplant und ist halt passiert. Und jetzt kommt er raus (lacht).

Jetzt würde ich auch schon zum Abschluss kommen. Gibt es irgendwie noch ein Schlusswort / Statement das du gerne noch zu dem Album abgeben würdest?

Ich hoffe es ist ein würdiger Anschluss an „#DIY“. Danke für all den Support und fürs Zuhören. Und ich hoffe die Leute haben Spaß damit. Das wäre mir lieb (lacht).

Vielen Dank für das Interview.

Gerne.

Trettmann im Interview mit dem Reflexmagazin.

                                                                                     Das Interview führte Nico Hilscher

Weiterführende Informationen zum aktuellen Album, kommenden Releases und auch die Möglichkeit das Album zu erwerben, findet ihr auf der offiziellen Homepage von Trettmann und Kitschkrieg.

Das Titelbild wurde uns von Christian Niessen zur Verfügung gestellt. Vielen Dank nochmal an dieser Stelle. Checkt gerne auch mal seinen Instagramaccount aus.

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