Ypsilon von Yassin – eine musikalische Genugtuung?

®Normale Musik

Mit Ypsilon ist heute das erste Album des deutschen Rappers Yassin erschienen, der einigen durch seine Arbeit mit Rapkollegen Audio88 ein Begriff sein sollten. Nun begrüßen wir also seine erste Soloplatte. Und die Frage ob sich diese hören lassen kann, haben wir nachfolgend für euch aus zwei Blickwinkeln, unabhängig voneinander, beleuchtet.

 

Nico Hilscher:

Einleitend muss ich gestehen, dass ich mich bisher nie groß mit der Musik von Audio88 & Yassin auseinander gesetzt habe. Eine Schande dahingehend, dass die beiden Rapper in den letzten Jahren von vielen Kennern der Szene hochgelobt worden sind. Ein Vorteil aber dahingehend, dass ich nun im Folgenden vollkommen unvoreingenommen das erste Solowerk von Yassin, als eben solches behandeln kann.

Und was soll ich sagen: Es hat mich komplett umgeblasen. Immer wieder spielt es mit meinen Erwartungen, um sie kurz darauf zu zerstören, mich immer wieder zu schockieren und nachdenklich zurückzulassen. Nachdenklich über den Inhalt der Songs, über den Einsatz von Stilmitteln, die ganze Produktion. Ich bin mir sicher, dass ich auch noch in Monaten immer wieder etwas Neues entdecken werde. Unsicher ob ich das Werk überhaupt als Ganzes jemals begreifen werde. Und versteht mich nicht falsch, das eingangs erwähnte Spiel mit den Erwartungen ist gar nicht negativ gemeint. Dies geschieht auf herrlich unkonventionelle Weise. Immer wieder stellt sich die Platte von Yassin gegen aktuelle Trend, verliert dabei aber trotzdem nicht den Zeitgeist aus den Augen, und wirkt somit glücklicherweise nicht aus der Zeit gefallen.

Nehmen wir zum Beispiel den Song Junks: Ein Lied welches sich gegen den aktuellen populären Deutschrap stellt, in welchen Drogenkonsum immer wieder verharmlost, ja teilweise sogar verherrlicht wird. Hierbei wird aber immer wieder emphatisch auf die Opfer gegangen: „Ich seh keine Junks. Nur ein paar Typen von denen keiner weiß ob er noch nein sagen kann“. Dies geschieht dazu noch auf einen, für manche vielleicht unpassenden, in meinen Ohren genau passenden Beat. Ein Brett, welches die Crowd zur Eskalation, zum Turn Up anregt. So wird der Track als leicht bekömmlicher Happen getarnt, der dann bei der aktuellen Generation Turn Up hoffentlich beim Verdauen zum Nachdenken und tieferen Auseinandersetzen mit der Materie führen.

Yassin hört man auch immer gerne zu bei dem was er einen zu erzählen hat. Er wirkt nicht wie eine Person, die sich über den Hörer stellt, und ihn anprangert. Viel mehr gibt er sich menschlich, lässt immer wieder in sein Seelenleben blicken. Auch hier scheißt er auf Regeln. Gesteht offen auf 1985, dass er „Keiner von den Harten, Keiner von den Coolen war“, und stellt sich somit gegen die Prahlerei und das Aufspielen, welches seit jeher Herzstück des Raps ist. Dass die Musik und der Rap für ihn auch Mittelpunkt des Herzen sind, macht er immer wieder in seinen Songs deutlich. So lässt er dies unter Anderem auf den bereits angesprochen Track  1985 durchblicken.

Ebenso durchblicken lässt er immer wieder ernstere Themen. Dies geschieht aber auf so eine leichtfüßige Art, dass man gar nicht bemerkt wie einem die Inhalte und Messages um die Ohren gehauen werden. Eine sehr gute Symbiose. Besonders sticht das auf dem Song Deutschland heraus, nur einen der Glanzlichter des Albums. Ein Track welcher perfekt die aktuell politisch angespannte Stimmung beschreibt. Deutschland wird hier personifiziert. Als guter Freund von Yassin, welcher sich nun auf einmal von ihm abwendet. Die Geschichte wird auf einem derart entspannten Beat und in einer so angenehmen unaufgeregten Stimme erzählt, dass man beinahe vergessen könne man höre ein sozialkritisches Lied. Aber eben nur beinahe, denn genau dieser eingeschlagene Weg sorgt für langes nachhallen, fernab von ausgedroschenen Phrasen.

Ich könnte noch etliche Zeilen über das Album Ypsilon von Yassin schwärmen. Werde aber nun versuchen einen Schlusspunkt zu finden.  Am besten hört ihr selbst dieses prachtvolle musikalische Werk. Lasst euch auf es ein, auf seine tiefen und ernste Themen, seine Leichtigkeit, seine Ernsthaftigkeit, seine Gefühle, seine Spielchen, und ihr werdet beginnen zu verstehen wie dieses ganze Werk atmet. Beenden möchte ich diese Rezension wie auch der Interpret sein Album beendet: „Fick das Ende, ich fang gerade erst an“.

 

Elias Schaub:

Ich kenne das Rapduo Audio88 & Yassin bereits seit den Anfängen, und muss aber gestehen, dass ich beide Künstler in letzter Zeit ein bisschen vergessen habe. Dabei kenne ich vor allem die ersten drei Alben, und habe mich mit den letzten eher wenig auseinandergesetzt. Dazu muss man sagen, dass die beiden bereits seit 10 Jahren zusammen Musik veröffentlichen, und gerade auf den ersten drei Alben hört man den Untergrund noch sehr gut durch, also eine nicht optimale Soundqualität und wütende Texte. 

Jetzt, auf Ypsilon ist davon kaum noch etwas zu hören, was aber auf keinen Fall heißt, dass es in irgendeiner Weise schlechter wäre. Die Wut ist subtiler, der Sound weniger aggressiv, und die persönliche Note deutlich stärker vorhanden. Das mag einerseits daran liegen, dass es eben ein Soloalbum ist, und dementsprechend allein auch persönlicher ist. Andererseits mag es auch daran liegen, dass Yassin erwachsener geworden ist.

Gleichzeitig hört man in jedem einzelnen Song wie viel Arbeit in dem Album steckt und mit welchen hohen Ansprüchen Yassin an das Album herangegangen ist. Nicht nur passt jeder Sound perfekt, auch die Beats hören sich fantastisch an.  Das einzige Manko ist meiner Meinung nach der Gesang. Der doch so bekannte Autotune-Sound, wie man ihn vor allem von Künstlern wie Rin oder Bausa kennt, findet auch auf Ypsilon seinen Platz. Zwar merkt man, dass er immer passend und bewusst eingesetzt ist, jedoch ist er mir gerade in Tracks wie Samthandschuhe oder Abendland zu viel. Passender und subtiler ist er beispielsweise auf Meteoriten eingesetzt. Ganz anders sind dagegen Tracks wie Junks oder Ypsilon. 

In Junks setzt sich Yassin mit seiner eigenen Drogenvergangenheit auseinander, spricht dabei aber so allgemein, dass es die Drogenkarriere so vieler Abhängiger beschreiben könnte. Dabei passt der Beat wie die Faust aufs Auge zur Thematik. Nicht nur spürt man förmlich die Hektik und Unruhe, die Abhängige so oft umgibt, sondern spürt vor allem in ruhigeren Parts wie sie auf den Turnup, und dabei auf den Höhepunkt des Trips, vorbereiten.

In 1985 verarbeitet Yassin seine Jugend, und schreibt gleichzeitig eine Liebeserklärung an die Musik. Immer wieder wiederholt er „Ich war keiner von den Harten, keiner von den Coolen“ und beschreibt damit nicht nur seine eigene Jugend, sondern setzt sich auch von jenen Rappern ab, die immer wieder betonen wie „cool“ und „hart“ sie sind. Nein, Yassin hört Moses P., und baut erste Beats, und geht dabei seiner Leidenschaft nach. Und wir können uns darüber freuen, dass er niemals cool oder hart sein wollte!

Gerade auf diesen persönlichen Songs wird einem bewusst, dass Yassin ein verdammt guter Storyteller ist. Man hört immerzu gerne zu, was er zu erzählen hat, und dabei wirkt das, was er zu erzählen hat, immerzu authentisch und auch nachvollziehbar. Niemals hat man dabei das Gefühl, dass man genau diesen Text auch von einem x-beliebigen Künstler hätte hören können. Vielmehr sind es Yassins Texte aus Yassins Leben.

Trotzdem finden sich mit Abendland oder Eine Kugel auch politische und sozialkritische Themen auf dem Album. In „Abendland“ wird dabei vor allem auf die politische Situation und den Rechtsruck in Deutschland eingegangen. Dabei beschränkt er sich aber nicht auf stumpfes Parolengehabe, sondern zeigt auf subtile Weise Missstände auf. Mit Lines wie  „Doch was nützen die schönsten Metaphern, wenns die dümmsten nicht raffen/ Es wird dunkel im Abendland“ spürt man aber auch eine Art Resignation. In Eine Kugel geht Yassin mit Features von Casper und Audio88 auf das Selbstdarstellungsbedürfnis ein, das sie als Künstler doch auch immer wieder betrifft. Dabei wirken alle Parts allerdings nicht wie ein moralisierendes Gerede einer älteren Generation, sondern wunderbar entlarvend, und damit auf den Punkt getroffen.

Zum Fazit bleibt nicht mehr viel zu sagen. Das Album ist zwar anders, als alles was man sonst von Yassin so kennt, aber das ist viel mehr eine positive Entwicklung und Yassin trifft es am besten selbst mit „Fick das Ende, ich fang grade erst an!“.

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