Seit 48 Jahren gibt es inzwischen den Tatort. Er ist die beliebteste Krimireihe im deutschsprachigen Raum, der König des deutschen Fernsehens sozusagen. Jeden Sonntagabend versammeln sich Scharen von Deutschen pünktlich um 20:15 Uhr vor den Geräten, um das nächste Abenteuer der mehr oder weniger bekannten Kommissare zu verfolgen. Inzwischen versucht man sogar, durch kostenlose Frankentatortscreenings Studenten in die Hörsäle zu locken. Mit Erfolg. Aber warum?
Zugegeben, ich kann nicht aus der Mitte des Hypes berichten, wirklich verstanden hab ich ihn nie. Was macht ihn so besonders? Tiefgehende, liebenswerte Charaktere? – Nein! Interessante neue Ideen? – Nope! Unvorhersehbare Plots? – Wieder nein. Wichtige Themen? – Manchmal. Das heißt aber nicht, dass ich dem Tatort nicht ab und zu seine obligatorische Chance gegeben habe. Das schon. Hat aber nichts daran geändert, dass ich jedes Mal wieder mehr als enttäuscht – und zutiefst gelangweilt – wurde. Was für eine Überraschung. Denn grundsätzlich scheint die Devise des Tatortes zu sein, es möglichst nicht spannend zu machen. Schließlich will man ja nicht, dass das Publikum mit einem Altersdurchschnitt, der mindestens bei 80,35 liegen muss, einen Schlaganfall vor Schreck bekommt. Man ist es ja gewohnt, dass in 90 Minuten eigentlich nichts passiert. Ein paar nichts aussagende Gespräche, fragwürdige Ermittlungen und definitiv keine Verfolgungsjagden. Und dann wären da noch die vielen laaaangen Autofahrten, bei denen ich mich als normaler Zuschauer frage, wer gerade warum wohin fährt. Aber wen interessiert das schon? Die Landschaft ist schön. Und den Baum da kenne ich! Und die Wolke habe ich auch schon einmal gesehen.
Aber wenigstens ist die Handlung clever … Oder auch nicht. Nichts dabei, was einen Krimi oder Thriller ausmacht: Die Begeisterung mitzufiebern, mitzudenken und sogar Angst um seine Protagonisten oder Nebencharaktere zu haben. Nichts. Darf der Tatort sich überhaupt Krimi nennen? Der erste Frankentatort hat das mit seinen schlechten Dialekt sprechenden Figuren auf einen scheinbaren Höhepunkt gebracht. Und die darauffolgenden haben es nicht besser gemacht. Aber wer weiß, wie weit der Tatort geht? Weiterentwicklung ist was für Loser, scheint das Motto der Macher zu sein. Und es funktioniert! Woche um Woche. Seit 48 Jahren! Und da wundern wir uns, warum die deutsche Film- und Fernsehproduktion so einen schlechten Ruf hat? Warum deutsche Filme seltenst international auch nur synchronisiert werden? Von Serien ganz zu schweigen. Ein bisschen Hoffnung besteht: Vielleicht retten uns auch hier Netflix und Amazaon Prime (siehe Dark und You are wanted).
Also was zieht die Leute jeden Sonntagabend vor den Fernseher? – Wer kann das schon sagen. Ich sicher nicht! Vielleicht ist es Gewohnheit. Weil was soll es auch sonst sein? Vielleicht sollten wir der traurigen Wahrheit einfach ins Gesicht sehen. Vielleicht ist der Tatort das Beste, das deutsches Fernsehen zu bieten hat. Der König des deutschen Fernsehens. Gewohnheit. Ritual. Sekte?
Aber was nützt es schon? Ich warte dann eben mal drei bis dreißig Jahre, bis die neuen amerikanischen und britischen Serien in Deutschland zugänglich sind.
Oh schon wieder 20:15 Uhr! Der Tatort ruft! 90 Minuten Langeweile statt 1,5 Stunden Spannung. Was gibt es Besseres?
Alicia Kohl