Am 8.11. fanden im Juridicum zwei interessante Vorträge zum Thema „Fluchtgründe von und die rechtliche Situation türkischer Asylsuchender“ mit anschließenden brisanten Diskussionsbeiträgen statt. Dies wurde im Rahmen der Fotoausstellung „Fluchtgeschichten aus der Türkei“, die im Juridicum besucht werden kann, veranstaltet.
Rechtsanwalt Wolfram Steckbeck gewährte anhand prägnanter Fakten aus dem BAMF und dem Auswärtigen Amt einen Einblick in die aktuelle Rechtslage von türkischen Asylsuchenden und ging auf die neugierigen Fragen aller Art höchst professionell ein.
Die hitzigen Diskussionen entfachte allerdings Prof. Dr. Seyrek, der mit seiner behauptungsreichen Präsentation viele Fragezeichen in den Köpfen des Publikums hinterließ. Zu Beginn seines Vortrags stellte sich Dr. Cemal Seyrek als ein ehemaliger Unterstützer Erdoğans vor, verwies auf dessen politischen Werdegang und Verstrickung in die Korruptionsaffäre des Jahres 2013 und auf die daraus entstandenen Schuldzuweisungen und Feindbilder. Dieser Kurswechsel, den die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan unternahm hatte ein zentrales Feindbild im Visier: Fethullah Gülen und seine Anhänger. Aber auch die Kategorie der Gülen-nahen Menschen – auf welche Art und Weise auch immer – wurden zu Staatsverrätern erklärt. Die Webseite Turkey Purge liefert täglich aktualisierte Zahlen seit der gestarteten Säuberungsaktion. Bis dato sind mehr als 140.000 Menschen suspendiert, um die 125.000 festgenommen, davon ca. 60.000 inhaftiert und mehr als 2.000 Bildungseinrichtungen beschlagnahmt worden. Unter diesen Säuberungsopfern ist auch Prof. Dr. Seyrek, der im Anschluss an seine Präsentation über seine unzähligen und äußerst gefährlichen Fluchtversuche, als ein politisch Verfolgter, berichtet hat.
„Wir sind nicht schuld am Putsch“, oder „Den Putschversuch hat Erdoğan selbst inszeniert“ sind Phrasen, die weitere Hinterfragungen aufgeworfen haben, auf die Dr. Seyrek keine zufriedenstellenden Antworten liefern konnte.
Einen direkten Bezug zur Gülen-Bewegung, auch Hizmet-Bewegung genannt hat Dr. Seyrek nicht zugegeben, betonte gar immer wieder seine Distanz. Er selbst als Betroffener schilderte die Geschehnisse in der Türkei aus einer äußerst subjektiven Perspektive.
Über den Zustand in den türkischen Gefängnissen äußern sich Zeugen über Vergewaltigungsfälle, Folter oder gar Verweigerung von Nahrung und medizinischer Versorgung. Auch die Unterkunft der Inhaftierten sei menschenunwürdig, so in einem Bericht der Amnesty International aus dem Februar diesen Jahres.
Nach dem gescheiterten Putschversuch des 15. Juli 2016 erreichten die autokratischen Züge der AKP-Regierung gefährlichere Dimensionen. Festnahmen, Verhöre, Folter, ominöse Todesfälle, Vergewaltigung, menschenunwürdige Haftumstände, Ausreiseverbote und Denunziationen gehören seither zur Alltagspolitik. Der Fokus wurde immer stärker auf die Differenzen zwischen den einzelnen sozialen Gruppen gelegt, was als Anlass für Diskriminierung wurde, so Dr. Seyrek. Die internationale Community ist im Bilde über die Geschehnisse in der Türkei. Umso dringender ist nun dessen Handeln, was sich nicht nur auf politischer, sondern auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene auswirken muss.
Imane El Guennouni