Monster, Zeitreisen und ein Yeti im U-Bahn-Schacht

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Findet immer Zeit fürs Tagebuch: Robert Black  Bild: Panini

Im zweiten Band der Providence-Reihe schickt Alan Moore seinen unbedarften Helden wieder tief in den Strudel der lovecraftschen Mythologie. Diesmal bekommt er es mit einer zeitreisenden Hexe, einem unsterblichen Zauberer und einem außerirdischen Virus zu tun – und schließlich mit dem Horror-Meister selbst.

Robert Black hat es geschafft. In einer abgelegenen Bibliothek ist der junge Journalist endlich auf eine Ausgabe des geheimnisumwitterten Buches der Weisheit der Sterne gestoßen. Ob ihm das Zauberbuch auf der Suche nach Inspiration für seinen Roman helfen kann? Oder bringt es sogar Licht in die seltsamen Phänomene, die Black seit seiner Ankunft in Manchester heimsuchen? Immer wieder verschwinden ganze Tage aus seinem Gedächtnis und hinterlassen beunruhigende Lücken in seinem eifrig geführten Tagebuch. Nachts erscheint ihm eine riesige Ratte mit menschlichem Gesicht und dann gibt es noch eine erstaunlich belesene Dreizehnjährige, die – wie könnte es anders sein – die Tochter eines stadtbekannten Okkultisten ist.

Eine Woche ist ein Tag

Mit diesem Band beginnt Moore langsam eine größere übergreifende Geschichte aus dem Chaos der Lovecraft-Motive herauszuarbeiten. Passenderweise lässt er auch Möchtegern-Autor Black über die Notwendigkeit eines klaren Handlungsbogens philosophieren („Natürlich muss ich irgendwann einen Plot und Figuren einführen, aber um diese Kleinigkeiten kümmere ich mich, wenn es so weit ist“). Die Anspielungen auf bekannte Lovecraft-Werke werden noch organischer in die Haupthandlung eingeflochten und bekommen teilweise eine überraschende neue Wendung. So macht Moore aus dem Dimensionsportal aus Träume im Hexenhaus schnell eine Zeitmaschine und schickt Black in einen Zeitreise-Thiller, bei dem nicht nur der Journalist bald jede Übersicht verliert.

Dafür werden die Monsterelemente deutlich zurückgefahren – die fantastischen Kreaturen, die in Band 1 noch zum Straßenbild gehörten, werden hier fast alle in ein geheimnisvolles unterirdisches Traumreich verbannt. Storytechnisch macht diese Einteilung Sinn, besonders wenn sich Black auf Ideensuche auf eine Traumreise in dieses mysteriöse Reich begibt. Trotzdem wirkt die Welt etwas entzaubert, sobald Black aus Manchester abreist und sich mit einem Bostoner Schriftstellerkollegen zusammenschließt. Wenigstens begleitet ihn der Autor im letzten Teil zu einer Lesung, auf der wir endlich Lovecraft selbst zu Gesicht bekommen. – Wobei immer noch offen bleibt, wie viel Moore wirklich von der Horror-Ikone hält, immerhin stellt er ihn als „ältlichen, tollpatschigen Griesgram“ vor.

Klare Bilder, wirre Notizen

Wie der Vater so die Tocher Bild:Panini

Wie der Vater, so die Okkultisten-Tochter            Bild: Panini

Wenn es doch wieder fantastisch wird gelingt es Jacen Burrows die Schrecken Neuenglands mit seinen nüchternen Bildern zu erden. Teilweise – besonders bei einer Episode in einem Fotolabor – wirken die Ungeheuer dabei sogar realistischer als die Menschen, die sie heimsuchen. Hier hätte sich Black gern ein paar Fotografien oder Skizzen für seine Unterlagen mitnehmen können. Stattdessen endet jeder Teil mit Auszügen aus seinem Tagebuch, die, abgesehen von ein paar obskuren Traumsequenzen, meistens nur wieder ziemlich ausführlich nacherzählen, was gerade passiert ist. Ganz witzig sind immerhin Blacks zunehmend verzweifelte Versuche, seine Erlebnisse rational zu erklären – inklusive einem Gespräch mit einem drei Meter großen Yeti im Bostoner U-Bahn-Schacht.

Doch auch wenn er die tatsächliche Macht von Zauberern und Dämonen in seiner Welt noch nicht versteht, ganz so ungeschoren wie in Teil 1 kommt der angehende Schriftsteller diesmal nicht davon. Die okkulte Schlinge zieht sich immer fester um ihn zusammen – mit teils dramatischen Konsequenzen. Diesmal ist der „Empfohlen ab 18“-Hinweis wirklich gerechtfertigt. Und Blacks plötzliche Begeisterung für die Werke eines gewissen jungen Horror-Autors machen auch nicht viel Hoffnung für die Zukunft unseres Protagonisten. Immerhin haben Lovecrafts Figuren eine Vorliebe dafür, den Verstand zu verlieren, wenn ihre Geschichte auserzählt ist.

Simon Lukas

Die Kritik zu Band 1 gibt es hier.

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Alan Moore / Jacen Burrows
Providence Band 2

 

Panini
2016

19,99 €
180 Seiten

Empfohlen ab 18 Jahren

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