Unter allen Märchen ist „Aschenputtel“ eines der weltweit bekanntesten. Wie oft und auf wie viele Arten wurde die Geschichte schon verfilmt, vertont, erzählt? Das Theater Liberi aus Bochum ist gerade mit einer Version des Märchens auf Tour, die sich speziell an Kinder richtet. Abgehackte Fußzehen und Fersen kommen darin nicht vor, dafür eine nette Stiefschwester und ein cooler König.
Am 18. Dezember 2016 hat das Ensemble, bestehend aus sechs Schauspielern, das moderne, kinderfreundliche „Aschenputtel“ in der Heinrich-Lades-Halle in Erlangen gespielt. Wohin man auch schaut, überall laufen kleine Mädchen in Prinzessinnen-Kleidern, in Röcken und mit Schleifchen im Haar umher. Begeisterte Rufe und Umarmungen, weil Klassenkameradinnen da sind (tatsächlich überwiegt der Mädchen-Anteil, aber Jungen findet man auch einige). Die Stimmung: Wie auf einer riesigen Kinder-Geburtstagsfeier. Problematisch an dem Vorstellungsort ist nur, dass die Stühle auf einer Ebene aufgestellt sind, sodass viele der Heranwachsenden Schwierigkeiten haben, etwas zu sehen. Aber wie Kinder halt so sind, werden sie erfinderisch und stellen sich notfalls in den Gang.
Dass die Inszenierung des Regisseurs und Autors Helge Fedder auf Kinder ausgerichtet ist, wird schnell deutlich. Die Sprache ist einfach und modern. Wenn der Prinz (Michael Martin) „Oh Mann“ ausruft, ahmen dutzende Kinder im Publikum ihn begeistert nach. Auch mit ihrer Spielweise richten sich die Schauspieler direkt an Kinder: Die Taube im Riesen-Plüsch-Kostüm schüttelt sich und gurrt lustig. Ein andermal rennen alle Darsteller kopflos durcheinander. Und wenn der Hofnarr das Wort „pupsen“ benutzt, ist vorherzusehen, dass alle Kinder im Saal lachen. Außerdem: Bunte Kostüme, schöne Kleider, bemalte Kulissenwände und Licht in verschiedenen Farben. Böse ist nur die Stiefmutter, alle anderen Figuren sind fröhlich, nett und auf ihre Art witzig. Allerdings gibt es ein, zwei Dialoge, die sich in die Länge ziehen und die Geduld der jungen Besucher auf die Probe stellen. Wenn künstlicher Nebel zur Veranschaulichung der Feenzauberei eingesetzt wird, sind wenige Zuschauer fasziniert.
Die Lieder, die für das Musical komponiert wurden, haben erzieherischen Inhalt (Helfen ist wichtig; Geld ist nicht das Wichtigste). Sie klingen fröhlich, aber recht ähnlich. Was auffallend ist: Die Hauptdarstellerin Jana Flaccus hat eine sehr schöne Stimme. Die Tänze, die vorkommen, sind modern und einfach gehalten. Durch Rock’n Roll-Drehungen wird eine heitere Stimmung verbreitet, aber ausgefallene Schritte oder Sprünge kommen nicht vor. Für Erwachsene, die hier ohnehin größtenteils Begleiter sind, ist das Gesamtprogramm nicht gerade beeindruckend. Die Kinder haben insgesamt aber Spaß, sodass das Theater Liberi sein Hauptanliegen erfüllt hat.
Patricia Achter
Die Aschenputtel-Tour dauert noch bis Februar, alle Termine gibt es auf der Theater-Homepage.