Konfrontation im Theatercafé

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Ein Mann, gespielt von dreien: (v. li.) Hermann Große-Berg, Charles P. Campbell, Ralph Jung. Bild: © Jochen Quast.

Das Erlanger Theatercafé als Spielort ist eine sehr gute Idee. Gut und wirkungsvoll. Die Aufführung von „Viel gut essen“ ereignet sich nämlich mitten unter den Zuschauern (oder sollte man besser sagen: Café-Besuchern?). Einige waren schon zum Essen hier, bevor die Vorstellung begonnen hat. Viele trinken ein Glas Wein oder einen Kaffee. Menschenmassen passen ohnehin nicht in den Raum. Es ist also eine gemütliche Atmosphäre unter Kurzzeit-Lebensabschnitts-Bekannten.

In dieser Stimmung spielen die drei Schauspieler Charles P. Campbell, Hermann Große-Berg und Ralph Jung das Theaterstück von Sibylle Berg. Sie konfrontieren die Anwesenden direkt mit teils sehr heftigen Aussagen: Schwule werden mit Behinderten verglichen. Flüchtlinge sind nicht-integrierbar, zetteln Schlägereien an, lernen kein Deutsch. Und sobald ein Mann einer Frau Komplimente macht, ist er sexistisch. Klingt drastisch. Oft ist es in der Aufführung aber so, dass sich die Aussagen langsam steigern. Bis zu einem gewissen Punkt hört es sich noch logisch an, doch dann kommt der nächste Hammer.

Man erfährt, dass die Mutter des Protagonisten mit einem Asylanten abgehauen ist. Dass sein Kind Ballett mag. Dass eine junge Frau an seiner statt die Abteilungsleitung übernommen hat. Und seine Ehefrau sich scheiden lassen will. Das Leben dieses Mannes: Ein Scherbenhaufen. Später am Abend wird das auf zwei Monitoren in klaren Bildern dargestellt. Zuerst sind Nahaufnahmen von Weingläsern, Stränden, heiler Welt zu sehen. Dann zerbrechende Gläser, zerberstende Eier, zerhacktes Fleisch. Dazwischen werden AfD-Politiker eingeblendet: Frauke Petry, Björn Höcke, Beatrix von Storch.

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Bild: © Jochen Quast.

Regisseurin Katrin Lindner hat eine sehr eindrückliche Inszenierung geschaffen, die wohl auch im Sinne der Autorin ist. Denn Sibylle Berg schreibt in ihrer Kolumne auf Spiegel Online oft über Themen wie Rechtsradikalismus, Ausländerfeindlichkeit, Sexismus. Sie tritt gegen Hass an und für mehr Respekt und Toleranz. Dafür müsse man aber mit anderen Menschen reden und versuchen, sie zu verstehen. Vielleicht ist dieses Theaterstück ein solcher Versuch, sich in das Denken anderer hineinzuversetzen.
Aus einem ruhigen, angepassten deutschen Bürger wird ein Mensch, der hasserfüllte Leserbriefe und Foreneinträge schreibt. Die drei Schauspieler sprechen viel im Chor, was überstrapaziert wird und irgendwann zu Genervt-Sein oder Langeweile führt. Aber es ist eindrücklich, ohne Frage. Drei Männer sind einer. Einer steht für viele. Für viele, die sich gegen diese böse Welt auflehnen, gegen die ungewollten Veränderungen. In der Hoffnung, dass alles wieder so werden möge wie früher. Oder besser.

Zum Glück ist es nicht ein einziges Bombardieren mit harten Sätzen. Nein, es gibt viele humorvolle Abschnitte, ironisches Beiseitetreten und witzige Übertreibungen. Dazwischen ein paar gesangliche Einlagen der Schauspieler, die auch mal über die Theke springen, überraschenderweise von draußen durch das Fenster gucken und sich unter die Besucher mischen. Sie schauen viele direkt an. Gerade das ist das Geniale an der Inszenierung: Dass man nicht wegschauen kann. Man wird direkt mit diesen krassen Aussagen konfrontiert. Und ertappt sich immer wieder kurz dabei, dass man etwas doch nachvollziehen kann. Nach der Vorstellung gibt es kontroverse Diskussionen. Sie sorgt für Gesprächsstoff.

Patricia Achter

Weitere Vorstellungs-Termine stehen auf der Homepage des Theaters Erlangen.

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