In Inferno schickt Regisseur Ron Howard Professor Langdon mit akuter Amnesie in sein drittes Kino-Abenteuer. – Die wünscht sich der Zuschauer auch bald. Denn Howard macht aus dem komplexen Roman einen 08/15-Weltrettungs-Blockbuster mit Hollywood-Happyend.
Der Symbologe und Hobby-Abenteurer Robert Langdon (Tom Hanks) erwacht in einem Krankenhaus in Florenz und kann sich an nichts erinnern. Gemeinsam mit der jungen Medizinerin Sienna Brooks (Felicity Jones) versucht er die letzten Tage zu rekonstruieren. Die Zeit drängt – ein verschrobener Millionär plant die Weltbevölkerung mit einem neu gezüchteten Super-Virus zu reduzieren und hat eine Spur von kulturhistorischen Rätseln quer durch Europa gelegt. Schnell findet sich Langdon zwischen allen Fronten wieder und hat nicht nur die italienische Polizei sondern auch eine mysteriöse Geheimgesellschaft auf den Fersen.
Actionheld Langdon
Auch in Teil 3 weichen weder Autor noch Regisseur von der Dan Brown-Erfolgsformel ab. Wieder stolpert Langdon unverschuldet ins Visier einer geheimen Organisation und deckt eine große Verschwörung auf. An der Seite seiner attraktiven Begleiterin klappert er dabei die historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt ab und darf nebenbei ein bisschen mit seinem Harvard-Wissen beeindrucken. Das Konzept ist beim dritten Durchlauf so bekannt, dass man regelrecht auf die zahlreichen Wendungen im dritten Akt wartet. Und tatsächlich – auch in Inferno werden in ziemlicher Regelmäßigkeit aus Freunden Feinde, und aus Gegnern wichtige Verbündete. Langdon kann sich mal wieder nur auf sich selbst verlassen.
Immerhin steht diesmal deutlich mehr auf dem Spiel. Musste der Professor bisher eher gegen lokale Bedrohungen vorgehen, soll er diesmal gleich die ganze Welt retten. Und ein verschrobener Wissenschaftler, der das Problem der Überbevölkerung mit radikalen Mitteln lösen will, klingt eher nach einem Fall für James Bond. So muss Tom Hanks – dem man die zehn Jahre seit Sakrileg in jeder Szene ansieht – tatsächlich zum Actionhelden werden und im Kugelhagel über knarrende Dachbalken fliehen. Solche Szenen passen nicht wirklich zur krypto-historischen Atmosphäre der Reihe.
Ende schlecht, alles schlecht
Während Hanks seinen Symbologen gewohnt routiniert gibt, gehen andere Rollen in den zunehmend überladenen Spektakeln unter. Felicity Jones bleibt als nützliche Begleiterin über weite Strecken farblos und auch der sonst so markante Omar Sy kann als undurchsichtiger Verfolger keine Akzente setzen. Interessant ist dagegen Irrfan Khan als Geschäftsmann mit Gewissen. Der Schiffbruch mit Tiger-Star verleiht dem in der Romanvorlage etwas flachen Boss einer internationalen Geheimorganisation einen eigenen Charme. Und auch Ben Foster gibt in seinen wenigen Szenen einen faszinierend charismatischen Millionär mit Helfersyndrom ab.
Umso tragischer das seine Figur gegen Ende immer mehr in das Schema „größenwahnsinniger Wissenschaftler“ gepresst wird. Brown bot in seinem Roman eine umstrittene, aber in sich schlüssige Lösung des Überbevölkerungs-Problems an, im Film bleibt von diesen moralischen Grautönen nichts mehr übrig. Die einzig wirklich überraschende Wendung wurde damit gestrichen – für ein generisches Action-Finale. Hanks darf im letzten Moment die Welt retten und dann versonnen-optimistisch in die Kamera schauen. Ein Film, der sich ein so drängendes gesellschaftliches Thema auf die Fahne schreibt, kann sich ein derart beliebiges Ende schlicht nicht leisten.
Simon Lukas
Inferno läuft aktuell im Cinecitta‘ in Nürnberg.