Musik wie ein leiser Regenschauer

Chad Lawson

Foto: Josh Goleman.

Er betritt den Raum, als wäre es sein Wohnzimmer, als sei er auf dem Weg zur Couch. Chad Lawson schlendert entspannt an den Zuschauern vorbei, in der Hand eine Flasche Bier mit Bügelverschluss. Das Klavier steht mitten im E-Werk-Saal, das Publikum sitzt im Halbkreis rundherum. Chad Lawson, das merken alle schnell, ist ein Künstler zum Anfassen. Er verbreitet eine Fühlt-euch-wie-Zuhause-Atmosphäre. Es scheint kein steifes Klassik-Konzert zu sein. Nein, jeder darf aufstehen, wenn ihm danach ist, sich einen Drink holen, alles kein Problem.


„This is not a classical concert“, plaudert der Pianist drauflos. „So don’t be disappointed.“ Das Konzert war angekündigt als „Klassische Musik für die Spotify Generation“. Davon fühlt sich nicht nur das typische Klassik-Publikum angesprochen. Bei einem anderen Konzert, erzählt der Künstler später, sei er der einzige ohne Tattoos und Piercings gewesen. Genau das will er: (Junge) Menschen ansprechen, die nicht mit dem Klavier aufgewachsen sind; Menschen, die fragen: Wo macht man das an? Kurz: Die Spotify Generation. Eine Generation, die daran gewöhnt ist, Musik in Kategorien einzuteilen – wie Spotify eben auch. Das gefällt Chad Lawson nicht. „It’s just music“, sagt er enthusiastisch.

Fantastische Akustik

Einfach nur Musik? Die Hände des Amerikaners fliegen über die Tasten, scheinbar mühelos, während sein Blick konzentriert und versunken in die Leere gerichtet ist. Die Akustik ist fantastisch – wie sollte es anders sein, wenn man dem Instrument so nahe ist? Einzelne tiefe Töne erklingen, alle Zuhörer sitzen gebannt da, lauschen den verhallenden Tönen nach. Dann wieder spielt er so schnell, dass sich die Töne zu jagen scheinen. Ungezwungene, leichte Klänge, die in kein klassisches Korsett zu zwingen sind. Das Klavierspiel erinnert eher an Jazz, aber Moment: Keine Kategorien.

Zwischendurch erklärt der Pianist, dass er Bach als Grundlage genommen habe für dieses neue Werk: „Bach Interpreted: Piano Variations on Bach Chorals“. Er spielt nicht jede einzelne Note. Es fehlt etwas, und dadurch entsteht etwas anderes, etwas Neues, Überraschendes, Unbekanntes. Musik, die wie zum Tagträumen gemacht ist. Mal tröpfeln die hohen Töne wie ein leichter Regenschauer, dann wird das Tempo wieder schneller, aus dem Regen wird eine sprudelnde Quelle, aus der Quelle werden Stromschnellen. Mit ein bisschen Fantasie jedenfalls. Die Musik führt ihre Zuhörer in ein Traumland. Sie endet an diesem 25. September 2016 viel zu früh nach etwas mehr als einer Stunde. Chad Lawson bedankt sich: „You’ve given me your time.“ Und er schenkt dem Publikum ebenfalls seine Zeit. Er verschwindet nicht direkt nach dem Konzert, sondern bleibt und findet sich bald in einer Menschentraube wieder.

Die Musik ist übrigens auf Spotify zu hören – oder als CD zu kaufen. Mehr Infos über Chad Lawson gibt es auf seiner Homepage.

Patricia Achter

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