Es passieren schlimme Dinge in der Welt, ich weiß: Die Briten verlassen die EU – der Krieg in Syrien – England wird von Island im EM-Achtelfinale geschlagen. Alles weitere Schreckliche überlasse ich der Fantasie jedes einzelnen. Ich schreibe lieber über etwas, was ich persönlich schlimm finde: Laptops in Vorlesungen.
„Laptop“ ist hier nur ein Überbegriff für verschiedene technische Geräte, auf denen man mitschreiben kann. Gegenwärtige Geräte wie Tablets und Smartphones, aber auch zukünftige Geräte wie… wie auch immer die heißen mögen. „Vorlesung“ ist ein Überbegriff für Situationen, in denen man etwas aufschreiben muss, als Gedächtnisstütze sozusagen. Darunter fallen auch Unterrichtsstunden, Besprechungen im Arbeitsalltag, Einkäufe, Telefongespräche, spontane Ideen.
Inzwischen ist es weit verbreitet, alles einzutippen. Den Einkaufszettel ins Smartphone, die Vorlesungen in den Laptop. Die Vorteile liegen auf der Hand. Plötzlich kann man seine eigenen Aufzeichnungen lesen (sogar Monate später), tippen geht mit einiger Übung schneller, man braucht weder Werbe-Kugelschreiber noch Papier (Rettet den Regenwald!), man kann nebenbei im Internet surfen. Tippen ist praktisch. Eines Tages, in ferner Zukunft, wird das Kultusministerium fragen: Müssen wir Grundschülern überhaupt noch Handschrift beibringen? Das fragen jetzt schon manche Menschen, die aber glücklicherweise von anderen Stimmen übertönt werden. Noch.
An dieser Stelle sehe ich es als meine Pflicht an, der Nachwelt einen Text zu hinterlassen, der ihr ins Gewissen spricht. Liebe Nachwelt, die Handschrift ist eine Kulturtechnik! Kultur ist etwas Kostbares, etwas Schützenswertes. Jede Handschrift ist individuell – nicht immer leserlich, aber einzigartig. Sie sagt so viel aus über einen Menschen und seine Persönlichkeit und seinen aktuellen Gemütszustand. Und überhaupt: Die Menschheit schreibt schon seit Jahrtausenden mit der Hand.
Stell dir doch mal vor, liebe Nachwelt, wie es wäre, wenn ein Kleinkind nicht mehr seltsame Kringel und Striche malen würde (die die Eltern ausrufen lassen: „Unser Kind ist ein Naturtalent! Es wird ein zweiter Van Gogh!“), nein, stattdessen wischt es über ein Tablet oder verwendet irgendeine andere völlig simple, nicht-individuelle Technik. Wo bleibt denn da die Kreativität? Wo wären all die wunderschönen (weil vom eigenen Kind gemalten) Strichmännchen und Sonnen? Es wäre ein kultureller Verlust, ein Verlust für das Kunsterleben jedes einzelnen.
Und wie langweilig wären Dokumente, die in Vorlesungen oder Besprechungen getippt wurden? Ein Stift und ein Papier (oder im Zweifel ein Tisch) genügen, um Kritzel-Kunstwerke zu erstellen. Kritzeleien, die etwas über uns aussagen. Liebe Nachwelt: Wenn du nicht mehr kritzelst, entsteht eine große Lücke. Noch heute können Forscher etwas in Höhlenmalereien lesen. Was würde deine Nachwelt von dir finden, liebe Nachwelt? Geräte, die nicht funktionieren, auf denen Daten gespeichert sind, die niemand mehr öffnen kann. Und will. Es wären dann sowieso nur langweilige Computer-Buchstaben ohne jegliche kreative Kritzelei zu sehen. Zum Gähnen.
Deshalb, liebe Nachwelt, habe ich auf dieser Seite ein paar analoge Bilder online gestellt. Falls es in der Zukunft kein Internet mehr geben sollte, ist das nicht schlimm. Die Papiere bewahre ich in Ordnern auf – nicht digital, sondern aus Pappe.
Patricia Achter