Achtung, das Käse-Ufo kommt!

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Im Vordergrund spielt die Gruppe „FAUst aufs Auge“, „holterdiepolter!“ wartet auf ihren Auftritt.

Impro-Theater lebt vom Moment, von der spontanen Reaktion der Mitspieler und Zuschauer. Den Spaß und die gute Stimmung im Saal des Pacelli-Hauses kann man mit Worten nicht festhalten. Noch weniger Sinn macht es, komische Gesichtsausdrücke und Gesten zu beschreiben. Bilder können auch nur ansatzweise die Komik einfangen. Ein paar Witze sind aber selbst dann lustig, wenn man den Abend nicht live miterlebt hat. Für die spontanen Ideen, die am 20. Januar gesprudelt sind, ist jetzt Kopfkino gefragt. Und Kopfkino funktioniert, auch ohne dass die beiden Impro-Gruppen holterdiepolter! und FAUst aufs Auge leibhaftig vor einem stehen. Sie waren es nämlich, die in einem Match gegeneinander angetreten sind – auf Augenhöhe.

Ein Spiel zum Aufwärmen heißt Zwilling. Zu zweit sollen sich die Schauspieler wie eine Person bewegen. Beim Sprechen wechseln sie sich nach jedem Wort ab, wie hier: „Deswegen – möchte – ich – Sie – alle – …“ Blackout. Macht aber nichts, denn ihr Zwilling flüstert ihr für alle hörbar „herzlichst“ zu und es kann weitergehen: „… herzlichst – begrüßen!“ So funktioniert Improtheater. Spiele geben den Rahmen vor und dann fängt man zu improvisieren an. Dass sich die Mitspieler gegenseitig helfen, ist selbstverständlich. Bei allem Gerede vom Match geht es doch vor allem um eines: gemeinsam als Team und mit den Zuschauern Spaß zu haben.

Wie beispielsweise beim Genreplaying. FAUst aufs Auge spielt eine Szene: Ein Patient betritt die Praxis, die Ärztin untersucht ihn aus sicherer Entfernung. Die dramatische Prognose am Ende lautet, dass es keine normale Grippe sei. Viel schlimmer. Eine Männergrippe. In dem Moment springt der dritte Mitspieler in die Szene und präsentiert wie in einer platten Medikamentenwerbung: „Schnupfoplastin!“ Dieselbe Szene wird dann als Stummfilm, als Horrormusical und als Tierdoku gezeigt. Am Ende schleicht also ein Kater in die Arztpraxis, Prognose: Männergrippe, und der dritte Mitspieler präsentiert als unabhängiger Veterinär die Lösung „Whiskas Schnupfenkatz!“.

Mein Klon-Sohn

Auch die Zuschauer sind immer wieder für Überraschungen gut. Holterdiepolter! wünscht sich das Spiel Das klingt nach einem Lied. Sobald der Moderator diesen Satz sagt, müssen die Mitspieler die Szene unterbrechen und sich ein Lied zum Thema ausdenken. Bevor es losgeht, sollen die Zuschauer eine Beziehung zwischen zwei Personen vorschlagen. „Klon!“, ruft jemand. Das haben die Impro-Schauspieler noch nicht gehört, deswegen sind sie sofort begeistert bei der Sache. In der Szene sehen sich Klon und Geklonter zum ersten Mal. Ein Dialog entsteht:
„Hi.“
„Hi.“
„Wolfgang“, sagt der Geklonte und reicht seinem Ebenbild die Hand.
„Wolfgang“, erwidert der Klon.
Kurz darauf singen sie ein Lied, in dem die tiefsinnige Zeile vorkommt: „Nach zehn Jahren Forschung steh‘ ich – neben mir!“ Scharfsinnige Wortspiele folgen: „Mein Klon, mein viel jüngerer Klon, man könnte sagen: Mein Klon-Sohn.“

Das Spiel, das sich daran anschließt, ist ein direktes Match zwischen den Teams. Jeweils einer von ihnen himmelt einen freiwilligen Zuschauer an. Die Komplimente gibt aber das Publikum vor. So entstehen Sätze, die jeder gerne einmal hören würde: „Frauen sind wie … Maultaschen.“ Oder: „Du hast so einen wunderbaren Geschmack. Dein Geschmack ist … stinkend. Und damit meine ich: charismatisch.“ Die Schauspieler müssen ihre ganze Kreativität einsetzen, um die Beleidigungen irgendwie doch noch in Komplimente umzumünzen.

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Während der Moderator redet, kann die Improgruppe „FAUst aufs Auge“ verschnaufen.

Drei, zwei, eins…

Besonders lustig, aber leider zum Nacherzählen schlecht geeignet, ist die Szene mit dem Künstlerpaar und dem Pizzaboten. Was dabei genau passiert, ist nicht wesentlich. Wichtig ist, dass die Szene von holterdiepolter! zuerst mit drei, dann mit zwei und am Ende mit einem Schauspieler nachgestellt wird. Der letzte Schauspieler rennt nur noch, redet immer schneller und kürzer, wechselt alle paar Sekunden die Rolle. Dafür bekommt er riesigen Applaus.

Was dagegen besser nachzuerzählen ist, heißt Das Käse-Ufo – ein Filmtitel, den sich ein Zuschauer spontan ausgedacht hat. Der Regisseur redet mit einem Moderator über diesen neuen Kinofilm, während die restlichen Schauspieler Szenen aus dem Film nachspielen. Darin lernt die Protagonistin ihre große Liebe an einer Bushaltestelle kennen. Der Käsefabrikant fragt sie: „Wollen wir zusammen Käse machen?“ An dieser Stelle drückt der Regisseur die Stopptaste und kommentiert sehr ernst, mit französischem Akzent: „Das ist eine Metapher.“ Höhepunkt des Films ist die Szene, in der die Protagonistin entdeckt, dass sie selbst das Käse-Ufo ist. Dazu meint der Regisseur: „Wie man sieht, ist es ein historischer Film.“ Offen bleibt nur, ob das Käse-Ufo die Welt zerstört oder nicht.

Ist ein bisschen Kino im Kopf entstanden? Wenn nicht, ist es empfehlenswert, selbst einen Impro-Theaterabend zu besuchen. Oder gleich mitzumachen. Jedes Semester bietet der Hochschulsport der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) einen Kurs dazu an. So ist die Gruppe FAUst aufs Auge entstanden, die an diesem Abend ihren ersten Auftritt gefeiert hat. Gewonnen hat sie dieses Mal nicht, holterdiepolter! hatte einen Punkt Vorsprung (woran allerdings nur der Extrapunkt schuld ist, den die Gruppe für den auf die Bühne geworfenen Slip bekommen hat …).

Patricia Achter

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