Gefühlt Mitte Mainstream

Josh (Ben Stiller) kommt in Fahrt  Bild: Universum/SquareOne

Josh (Ben Stiller) kommt in Fahrt Bild: Universum/SquareOne

In Gefühlt Mitte Zwanzig lässt Regisseur Noah Baumbach zwei grundverschiedene Ehepaare aufeinander treffen. Gekonnt spielt er mit Klischees und nähert sich quer über den Generationengraben auch der Frage nach dem Altern in der modernen Gesellschaft. Das geht solange gut, bis er eine eindeutige Antwort präsentiert.

Josh (Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) sind verheiratet, um die 40 und festgefahren. Joshs Arbeit als Dokumentarfilmer ist ein Symbol für ihre Beziehung: Seit zehn Jahren sitzt er an seinem neuen Projekt, ohne je wirklich von der Stelle zu kommen. Ihr Leben ändert sich schlagartig als Josh scheinbar zufällig den wesentlich jüngeren Jamie (Adam Driver) und dessen Frau Darby (Amanda Seyfried) kennenlernt. Nach ersten Berührungsängsten lassen Josh und Cornelia sich vom Lebensgefühl der Jüngeren anstecken und verlieren so zusehends den Kontakt zu Gleichaltrigen. Erst zu spät wird ihnen klar, dass die sympathischen Hipster eigene Ziele verfolgen.

 

Zwischen Kindergeburtstag und Hipsterparty

Der Film lebt vom Kontrast zwischen dem biederen Familienalltag den Josh und Cornelia bei gleichaltrigen Freunden erleben und der bunt-skurrilen Hipsterwelt, in die ihre neuen Bekannten sie entführen. Solange er diese Spannung aushält, funktioniert Gefühlt Mitte Zwanzig wunderbar. Wenn die beiden auf einer schamanischen Brechmittel-Party (Stichwort: Entgiftung) mit indischen und altägyptischen Einflüssen zu sich selbst finden wollen ist das genauso lustig wie Josh, der bei einem Kindergeburtstag den geschminkten Clown über seine Zeit im Afghanistaneinsatz ausfragt. Regisseur Noah Baumbach zeichnet hier mit groben Strichen zwei sehr verschiedene Welten und hält seine Protagonisten eine ganze Zeit lang in der Schwebe.

Fühlt sich umzingelt: Cornelia (Naomi Watts) bei einer Babyparty Bild: Universum/SquareOne

Fühlt sich umzingelt: Cornelia (Naomi Watts) zwischen Babys Bild: Universum/SquareOne

Dass das so lange gut geht, liegt zu großen Teilen an den beiden Antipoden: Ben Stiller, der den introvertierten Mittvierziger mitten in der Midlife-Crisis inzwischen wohl im Schlaf spielen kann und Adam Driver, dessen Jamie wie ein schleimiger Wirbelwind auf Rollerblades durch die Szenen fegt. Ihre Beziehung ist der Motor des Films und während Jamie zu Anfang noch den gelehrigen Schüler gibt, verfällt ihm der Ältere im Lauf der Zeit zusehends ‒ inklusive neuer Garderobe und Hipsterhut. Baumbach projiziert dabei eine ganze Reihe von Gegensätzen auf das ungleiche Duo, nicht zuletzt in künstlerischer Hinsicht: Während Josh seit Jahren an seinem Mammutprojekt herumwerkelt, filmt digital native Jamie einfach, was ihm vor die Linse kommt.

 

Kampf um ein Stück Jugendlichkeit

Bei soviel Konfliktpotential hätte es das obligatorische Beziehungsdrama zwischen Josh und Cornelia wohl gar nicht gebraucht. Bei allem Midlife-Crisis-Getue glaubt man keine Sekunde, dass die Ehe der beiden wirklich in Gefahr ist und eine angedeutete letztendlich relativ aufgesetzte romantische Spannung zwischen Cornelia und Jamie wird nie weiterverfolgt. Diesen zusätzlichen Krisenherd schadet dem Skript eher, besonders weil Stiller und Watts gerade im Team voll aufspielen. Während die gleichaltrigen Bekannten nacheinander zu Vollzeiteltern werden, kämpfen die beiden darum, sich ein Stück Jugendlichkeit zu bewahren.

Leider haben sie dabei weder die Zeit, noch den Regisseur auf ihrer Seite. Symptomatisch ist eine Szene in der Josh die Rollerblades seines neuen Freundes ausprobieren will und prompt mit Arthritis im Krankenhaus landet. Jung bleiben ist hier nicht vorgesehen und mitten in der bunten New Yorker Großstadtwelt offenbart sich ein erschreckend konservatives Menschenbild. Am Ende kommt es zum unvermeidlichen Bruch zwischen Josh und Jamie und während die Hipster von der Bildfläche verschwinden ‒ mutmaßlich um „genauso zu werden wie alle anderen“ ‒ dürfen Josh und Cornelia einen großen Schritt hin zum traditionellen Familienglück machen. Die Botschaft: Egal wie lange man dagegen ankämpft, letztendlich gehen alle in der großen glücklichen Masse der Kleinfamilien auf. Und das ist nicht nur langweilig, sondern tragisch.

Simon Lukas

Manhattan-Kino

Donnerstag, 30. Juli bis Mittwoch, 5. August

Täglich 20:30 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.