Salem 1692: 20 Menschen wurden hingerichtet. Mehr als 200 weitere der Hexerei beschuldigt. Nur durch Geständnisse und Denunziationen konnten Menschen der Todesstrafe entgehen. In vielen Fällen wurden sie gefoltert. Das Theaterstück Hexenjagd von Arthur Miller beruht auf wahren Begebenheiten.
Erlangen 2015: Für die Aufführung hat sich das Theater Erlangen einen besonderen Ort ausgesucht: Die Hugenottenkirche, die im Jahr 1693 eingeweiht wurde. Ein Ort, der die Besucher in die richtige Zeit und Situation versetzt. Damals in Salem war es ein Prediger – Samuel Parris – der gegen Teufel und Hexerei ankämpfte. Der Schauplatz der Aufführung klingt vielversprechend. Schwarze Umhänge werden um die Schultern aller Zuschauer gelegt. Das Erlanger Publikum ist zugleich die Gemeinde von Salem. Auf den im Halbkreis angeordneten Kirchenbänken sind über 20 Plätze reserviert. Für die Schauspieler und den Mädchenchor. Bühne und Zuschauerraum sind eins. Der Regisseur Dominik von Gunten bindet den Innenraum der Kirche hervorragend in die Inszenierung ein – ob Kanzel, Treppen oder Empore.
Zu Beginn stehen alle Darsteller von ihren Plätzen auf und gehen auf die Bühne in der Mitte zu. Dort bilden sie einen Chor, begleitet von Organist Christoph Reinhold Morath. Einzelne Töne werden nicht immer getroffen – beim Orgelspiel absichtlich und passend zur Szene, beim Gesang vermutlich unabsichtlich. Aber wer ins Theater geht, erwartet auch keine Opernarie. Durch die Akustik in der Kirche wirkt der Chor trotzdem beeindruckend.
Betty Parris rennt wie vom Teufel besessen die Treppen hinauf. Gespielt wird sie von Carolin Gewalt, einem jungen Mädchen, das in ihrer Spielweise mit den professionellen Schauspielern mithalten kann. Ihr Vater, Reverend Parris, hält sie für verhext oder verflucht. Die Hexenjagd beginnt. Immer mehr Menschen werden beschuldigt und beschuldigen andere. Ein Teufelskreis. Das totale Chaos entsteht, Mädchen bezeugen, wen sie mit dem Teufel sahen, rennen durcheinander, ziehen sich bis auf die Unterwäsche aus und schreien. Sie kreischen. In ihre Mikrophone. Die Lautstärke kann mit kreischenden Fans auf Boygroup-Konzerten mithalten. Mehrere Zuschauer halten sich die Ohren zu. Ob vom Regisseur beabsichtigt oder nicht: Es ist unerträglich laut. Zu laut, als dass man es als Mittel rechtfertigen könnte, die Dramatik der Situation zu veranschaulichen.
Insgesamt ist es keine Inszenierung, die Zuschauer in eine andere Zeit versetzen will, wie man am Anfang vermutet hätte. Schwarze Umhänge, Kirche, Orgelmusik – es scheint, als wäre die Inszenierung sehr klassisch. Es gibt jedoch viele Brüche, moderne Einschübe: Eine E-Gitarre, Spraydosen, Kunstlicht. Dabei wäre es gerade in dieser Umgebung spannend gewesen, sich auf die andere Zeit einzulassen, Mittel zu verwenden, die ins Jahr 1692 gepasst hätten. Kerzenlicht zum Beispiel. Die Illusion, dass die Zuschauer mit ihren Umhängen eine kleine Zeitreise machen, wird schnell zerstört. So ist es modernes Theater in einer alten Kirche. Der größte Unterschied zu anderen Inszenierungen des Theaters Erlangen ist der Ort. Bloß nicht zu viele klassische Elemente. Warum eigentlich nicht? Im Jahr 2015 gehört für ein Theater anscheinend mehr Mut dazu, eine klassische Inszenierung zu zeigen, als mit modernen Mitteln zu provozieren. Das heißt nicht, dass die Hexenjagd schlecht ist. Insgesamt ist die Inszenierung sehenswert und gerade in der Kirche wirkungsvoll. Gerade hier wäre eine Theaterinstallation aber noch spannender gewesen.
Patricia Achter
Weitere Vorstellungen in dieser Spielzeit: 18. und 19.06.2015, jeweils um 20.00 Uhr