
Eckart Hahn „Bondage“, 2012;
indian ink on laid paper, 81 x 117cm // Städtische Sammlung Erlangen // Courtesy Galerie Wagner + Partner, Berlin
26.02.2015.
…werden derzeit im Kunstpalais betrachtet, bisweilen überwunden – wenigstens jedoch hinterfragt. Die Ausstellung #catcontent beschäftigt sich mit dem Tier (nicht nur) als Kunstobjekt. Und das ist auf der Vernissage am vergangenen Freitag auf großes Interesse gestoßen. Die Ausstellung wurde von einem auffällig gemischten, das heißt vergleichsweise jungem Publikum geradezu überlaufen. Das mag auch am anschließenden Konzert im Foyer gelegen haben. Der Hashtag im Titel machte zudem aber neugierig, was dort geboten würde. Das waren weder der Sneezing Panda noch der Dramatic Chipmunc, wobei die beiden sicher eine gute Figur gemacht hätten. Man konnte sie jedoch bei all den – mitunter grandiosen – Kunstwerken getrost vermissen.
Auch ohne sie – und nun genug von diesem völlig willkürlichen Beispiel – vereint die Ausstellung ein vielfältiges, ja kunterbuntes Programm. Nicht ohne Grund wird im Eingangsbereich auf die wieder populär gewordene Petersburger Hängung zurückgegriffen. Sie ermöglicht es dem Betrachter, das Einzelkunstwerk im Verbund mit anderen wahrzunehmen – und so Analogien zu finden hinsichtlich der Formen und dargestellten Motive. Außerdem – das erfährt man, wenn man dem externen Link folgt – wird dadurch die Menge der Kunstwerke beeindruckend zur Schau gestellt; im konkreten Fall die Menge an Drucken mit Tiermotivik im Besitz der Städischen Sammlung Erlangen: Beuys, Immendorf, Baselitz – um nur große Namen zu nennen.

Björn Braun „Untitled“ (zebra finch nest), 2013; black bird’s nest, natural fibres, feathers, plastic branch, wooden stick ,13 x 23 x 18 cm // Courtesy Galerie Meyer Riegger
Natur und Kultur im Wechselspiel
Es sind jedoch nicht die großen Namen, die #catcontent zu einer gelungenen Ausstellung machen. Zu einem gewissen Teil liegt der Erfolg in der Vielzahl der Exponate, die verschiedene Kunstformen (das ist man vom Kunstpalais gewohnt) und Perspektiven vereint. Dabei fällt es nicht leicht, eine narrative Schneise durch die Vielfalt zu schlagen. Grundsätzlich beschäftigen sich aber viele Ausstellungsgegenstände mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier und betrachten dabei oft gleichsam das Wechselspiel zwischen Natur und Kultur.
Häufig steht das Tier dabei symbolisch und metaphorisch auch für den Menschen. Das oben abgebildete Bild Bondage zeigt etwa ein Pferd, das von einer Schar Raben geplagt wird. Sie sind mit Stricken an den Körper des Pferdes gebunden – einige der Raben haben sich bereits erschöpft diesem Schicksal ergeben, andere breiten, sich aufbäumend, die Flügel aus. Das mythologische Bild des geflügelten Pferdes, das eigentlich für die Freiheit steht, stellt in dieser Interpretation umgekehrt Unterdrückung und Unterwerfung dar. Diese ironische Kommentierung des Mythos scheint mir gleichzeitig auch wiederum auf den Menschen zu verweisen, der schließlich diese Symbole erst erschafft. Nur durch das Eingreifen des Menschen ist es möglich, dass Pferd und Raben durch den Strick aneinander gefesselt sind, was sie zu ohnmächtigen Opfern sowohl dieses Gewaltaktes einerseits wie auch der konstruierten Zuschreibung andererseits macht.
Eben dieser Zuschreibung entzieht sich die Schlange – vielleicht ja das symbolträchtigste aller Tiere – in Henrik Hakanssons Video Sleep (Eunectes murinus). In einer über dreistündigen Aufnahme wird eine schlafende Anakonda gezeigt, die eben in den drei Stunden nichts Symbolhaftes an sich hat, nichts tun muss und für nichts stehen muss.
Die Arbeiten von Annika Eriksson erzählen vom Leben von Hunden und Katzen in der Großstadt. Das Video I am the dog that was always heere (loop) erzählt vom Leben der Straßenhunde in Istanbul – aus der Sicht eines Hundes. Im Zuge von Gentrifizierungsprozessen wurden sie aus der Innenstadt an den Stadtrand gedrängt. Ein zweites Video der Künstlerin, The Great Good Place zeigt heimatlose Hauskatzen, die sich erstaunlicherweise in einem Rudel zusammengetan haben und nun auf den Straßen Istanbuls leben. Beide Videos machen die prekären Verhältnisse dieser Tiere deutlich, die im Guten wie im Schlechten auf Engste mit der Sphäre des Menschen verbunden sind.
Es gibt jedoch auch die eher positiv gewendeten Beispiele, die der verwilderten Kultur die kultivierte Natur entgegensetzen. Beispielhaft könnte man Shimabukus Octopus Stine nennen. Ausgestellt sind Steine und Muscheln – gesammelt wurden diese Gegenstände allerdings von einem Tintenfisch. Diese scheinbar so menschliche Beschäftigung – das zwecklose Sammeln – begegnet uns also auch im Tierreich wieder. Im dem Moment, indem diese Gegenstände der Sammlung ausgestellt sind, avanciert das Tier gleichsam zum Künstler. Deutlich wird dies vor allem bei neun ausgestellten Zebrafinkennestern, die der Künstler Björn Braun in Kollaboration mit Zebrafinken erstellt hat: Die von ihm ausgewählten Materialien wurden von den Zebrafinken zu Nestern verbaut, dabei hatten die Vögel stehts die Auswahl zwischen verschiedenen Materialien (siehe Abb. rechts).
Das irrwitzigste Beispiel ist jedoch das Projekt von Adriana Ramic The Return Trip is Never the Same. In einem Buch aus dem Jahre 1910 hat sie Zeichnungen der Bewegungensmuster von Ameisen entdeckt. Mittels Swype-Technologie hat die Künstlerin diese Bewegungen auf einen Computer übertragen. Die Ameisen wurden so zu fiktiven bzw. ideellen Produzenten von Texten. Gleichzeitig ist das Programm lernfähig und merkt sich, welche Worte Ramic häufig benutzt. Spätestens hier versteht man, warum die Ausstellung einen Hashtag im Titel trägt: Es verbinden sich Natur und Kultur bis in den digitalen Raum hinein; alles verschwimmt: Ameisenspur – Swype-Bewegungen, kollektive Autorschaft… was erzählen uns die Texte? Wahrscheinlich nichts bestimmtes, aber grenzt es nicht an ein Wunder, dass dieser Text überhaupt entzifferbar ist: dass er dem Diktat einer Ameise folgt und dabei Unsinn erzählt? …genug davon, denn eine Antwort ist gerade nicht greifbar. Noch mehr Fragen warten jedenfalls auf den Besucher von #catcontent, denen er sich noch bis zum 21. Juni stellen kann.
Vielseitiges Rahmenprogramm
Und es gibt noch mehr: Das Rahmenprogramm ist – wie man es vom Kunstpalais gewohnt ist – vielfältig. Am kommenden Samstag (24.4.) findet in Kooperation mit der Stadtbibliothek etwa ein Poetry-Slam statt. Ob dieser Slam tierisch lustig ist, werden wir herausfinden – mehr dazu also in unserer Nachbesprechung zu gegebener Zeit.
Der Titel dieses Artikels verweist bereits auf ein Highlight des Rahmenprogramms. In dem eigens für die Ausstellung konzipierten Theaterstück Die Abgründe zwischen Mensch und Tier nachts um halb vier lässt Regisserin Marie-Christin Schwab ihren Schauspieler Julian Gosolitsch der Frage nachgehen, woher die Faszination an Tiervideos im Internet rührt (Aufführungstermine am 25.4. / 1.,3.,8.5.).
Freilich soll nun nicht alles aufgezählt werden, verwiesen sei nur noch auf die Tagung #catcontent mit kulturwissenschaftlichen, philosphischen und literaturwissenschaftlichen Beiträgen. Genauere Informationen und weitere Veranstaltungstipps finden sich auf der Homepage des Kunstpalais.
Timo Sestu