Gruselgeschichten stehen seit Jahren vor einem Problem: Seit jedermann ein Handy hat, fällt es schwer, Spannung aufkommen zu lassen, Abgeschiedenheit zu erzeugen, glaubhaft zu machen, warum nicht einfach Hilfe gerufen wird. So ist in jedem Horrorfilm inzwischen die „Huch!, kein Netz“-Szene obligatorisch, oder ein halbgares: „Mist, Akku leer!“ Was aber, wenn man gar nicht um Hilfe rufen will? Rebekka Knolls Geliebte Angst klammert Skype, Facebook und Co. nicht aus: In ihrem Jugendthriller sind es gerade diese neuen Kommunikationsmittel, die es einem perfiden Stalker erlauben, Schülerin Emilia nachzustellen – und gnadenlos ihre innigste Sehnsucht auszunutzen: Dass alles, was er ihr schreibt, vielleicht ja doch die Wahrheit sein könnte.
Emilia verliert ihren Freund durch einen Autounfall. Marico, ihre große Liebe. Zwei Wochen nach seiner Beerdigung, erhält sie eine mysteriöse Chat-Nachricht von seinem Facebook-Profil. Was Emilia für einen widerwärtigen Scherz hält, ist aber erst der Anfang: Es folgen SMS-Nachrichten von seiner Handy-Nummer, E-Mails, in denen steht, was nur Emilia und Marico wissen sollten. Etwa doch Maricos Geist? Fest steht, dass irgendjemand Emilia auf Schritt und Tritt verfolgt, sie an die Orte der Erinnerungen mit Marico führt – und ihr dabei immer näher kommt.
Die Idee zum Roman entstand bei einer Hausarbeit, in der sich die 26-jährige Autorin mit dem Phänomen befasste, dass es auf Facebook immer mehr Profile von Toten gibt: Was, wenn eines davon plötzlich wieder aktiv wird? Im Rahmen eines Stipendiums als Stadtschreiberin in Gotha fand sie dann die Zeit, diese Prämisse ideenreich auszuarbeiten. Die Erzählung würzt ihren Krimi-Stoff mit Thriller-Elementen und behutsam eingestreuter Paranoia: Immer mehr wird offenbar, dass hinter dem geschmacklosen aber zunächst harmlosen Katz-und-Maus-Spiel des angeblichen „Marico“ ein pathologischer und potenziell gemeingefährlicher Stalker lauert.
In einem Interview mit dem Regensburger Stadtmagazin Kult beschreibt Rebekka Knoll, die in Erlangen Germanistik und Theaterwissenschaften studierte, Geliebte Angst als das wohl fröhlichste Buch, das sie bisher geschrieben hat. Und auch wenn man das angesichts der Stalker-Thematik erst nicht so ganz vermuten will: Tatsächlich ist ihr dritter Roman bewusst auch für eine jugendliche Leserschaft angelegt, leichter als ihr hervorragender aber beklemmender Vorläufer-Roman Splittermädchen, in traurigen aber stets bunten Farben, geschickt und wendungsreich präsentiert und mit einem sympathischen Freundinnen-Trio, das nicht ohne Grund auch Emilias Mitschüler an „Die Drei Fragezeichen“ erinnert.
Kurzweilige Unterhaltung für ein Jugendbuch-Publikum mit Freude am feinen Gruseln.
Andreas Pohr
Geliebte Angst erscheint im Verlag cbt und ist seit Montag, den 23. März 2015 überall erhältlich.320 Seiten
ISBN: 978-3-570-16326-9
Preis: 9,99 €