Nach einem schrecklichen Schicksalsschlag in seinem Leben und nachdem ihm die absolute Pleite droht, entschließt sich der fast 40 Jährige Benjamin Benjamin, genannt Ben, einen Crashkurs in Häuslicher Pflege zu besuchen und sucht eine Anstellung als Krankenhelfer. Diese findet er bei Trevor, kurz Trev, und seiner Mutter Elsa. Trevor ist ein unheilbar an Muskeldystrophie des Typs Duchenne erkrankter 19 Jähriger Teenager, dem die Routineabläufe in seinem Leben extrem wichtig sind. So wichtig, dass es absolut unmöglich erscheint, auch nur einen Zoll davon abzuweichen. Des Weiteren hegt er einen enormen Groll gegen seinen Vater Bob, den Tollpatsch des Jahrhunderts, weil dieser sich direkt nach Erfahren der Diagnose seines Sohnes aus dem Staub gemacht hat.
Ben, der außerdem standhaft versucht sich gegen die von seiner Noch-Ehefrau Janet geforderte Scheidung zu wehren, kommt gut mit Trev zurecht und schätzt sich glücklich endlich einen Job zu haben und ihn offensichtlich auch halten zu können. Als er allerdings einen der immer wieder sporadisch unternommenen Kontaktaufnahmeversuche Bobs hautnah miterlebt, kann er nicht umhin Mitgefühl für den Mann zu empfinden und unternimmt einen vorsichtigen Vermittlungsversuch zwischen Vater und Sohn, welcher aber zunächst vehement von Trev abgeblockt wird.
Erst im Sommer, als Elsa für zwei Wochen beruflich weg muss ändert sich die Situation und wider Erwarten willigt Trev ein, mit Ben auf einen Road Trip zu gehen und seinen Vater zu besuchen, der kürzlich einen schlimmen Unfall erlitten hat. Dieser hatte es geschafft von der einzigen Reklametafel weit und breit fast erschlagen zu werden. Bei dieser Gelegenheit könne man ja auch die ein oder andere Sehenswürdigkeit besuchen, die sonst nur mit einer farbigen Stecknadel auf der Landkarte an der Wohnzimmerwand markiert ist. Und so kommt der Tag der Abfahrt. Ben ist es nur recht, denn langsam wird im das Pflaster zu heiß, da Janet die Scheidung unter allen Umständen will und ihm mit allen Mitteln Druck macht.
Trotz penibler Vorausplanung, nimmt die Reise einen anderen Verlauf als ursprünglich gedacht. Dafür sorgen Dot, eine 18 Jährige Tramperin, die eigentlich Dorothy heißt, sowie die hochschwangere Peaches, 21, und ihr Freund Elton, 28, die Ben und Trev unterwegs mitnehmen. Sowie ein mysteriöses Auto, das sie quer durchs Land zu verfolgen scheint. Das Leben hat auf alle Fälle seine eigenen Pläne und manchmal lösen sich sogar gordische Knoten. Vor allem dann, wenn man es am wenigstens erwartet.
Auf ins Leben
Der 1968 in San Jose, Kalifornien, geborene Autor Jonathan Evison schildert in seinem neuen Roman Umweg nach Hause, auf eine erstaunlich heitere, humorige und ungekünstelte Art und Weise, die Lebensgeschichten und Katastrophen seiner Protagonisten, lässt es aber nie ins Lächerliche abgleiten. Die diversen humoristischen Einlagen tragen eher dazu bei, es dem Leser trotz aller Ernsthaftigkeit der Thematik leichter zu machen, ihn zum Lachen zu bringen und sich in dem einen oder anderen Protagonisten widerzuerkennen.
Evisons flüssiger Schreibstil hilft ebenfalls, das Buch zu einer gut verträglichen Kost zu machen. Man muss sich als Leser nicht dazu überwinden das Buch nach dem Ablegen erneut aufzunehmen und weiterzulesen. Man will wirklich wissen, wie es weitergeht. Man will erfahren, was denn nun in Bens Leben so fürchterliches passiert ist, warum Dot ausgerissen, warum Trev so verbittert und festgefahren ist und warum Peaches sich überhaupt mit Elton abgibt. Je besser man die Charaktere das Buch hindurch kennenlernt, desto interessanter wird es.
Was das Buch, meiner Meinung nach, wirklich eindrücklich vermittelt ist die Tatsache, dass es verschiedene Formen des Für-einander-da-seins gibt. Dass der vermeintlich Gesunde nicht immer automatisch der Stärkere ist. Dass es unsere Mitmenschen sind, die, egal ob man sie schon ewig oder erst kurz kennt uns und unser Leben beeinflussen. Dass es Begegnungen gibt, welche uns dazu bringen, möglicherweise den Blickwinkel zu ändern, über den Tellerrand hinaus zu schauen und die eigene Lebensproblematik in ein anderes Licht zu rücken, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, was nicht immer einfach und oft auf schmerzhaft sein kann.
Wer Lust auf einen interessanten und aufschlussreichen Road Trip hat, der nebenbei noch einige der lustigsten Sehenswürdigkeiten der USA besucht und wer das Menschsein nicht scheut, dem kann ich dieses Buch nur empfehlen.
Carmen Käuflin
Jonathan Evison: Umweg nach Hause
Kiepenheuer & Witsch
384 Seiten
ISBN: 978-3-462-04659-5
Preis: 19,99 €