Man soll nie ans „Verlieren“ denken. Schon beim Denken daran verliert man.

Gut_gegen_Nordwind-Bauer-Sudoff_c_LaRocca

(c) LaRocca

Gestern, am Freitag, den 13. Februar, erlebten die Besucher des Fürther Stadttheaters ein wahrlich berauschendes Bad der Gefühle. Es war ein Gastspiel der Komödie im Bayerischen Hof, München, das mit den aus Film und Fernsehen bekannten Schauspielern Ann-Cathrin Sudhoff (u.a. Großstadtrevier, Tatort, etc.) und Ralf Bauer (u.a. Im Tal der wilden Rosen, Soko 5113, etc.), eine hervorragende Inszenierung der Bühnenfassung des Bestsellers „Gut gegen Nordwind“ (Daniel Glattauer, Bühnenfassung mit Ulrike Zemme) bot.

„Gut gegen Nordwind“ erzählt die vergebliche Liebesgeschichte zwischen Emmi und Leo in Dialogform – E-Mails. Emmi Rothner schickt mehrfach die Kündigung eines Zeitschriften-Abonnements durch einen Tippfehler versehentlich an Leo Leike. Als dieser das Missverständnis schließlich aufklärt, beginnt ein Briefwechsel, der beide mehr einnimmt, als sie es wollen. Emmi ist „glücklich“ verheiratet, Leo in einer Lebenskrise. Die Mails des jeweils anderen kommen ihnen da gerade recht; sie sind ein Abenteuer, ein Ausweg – die „Außenwelt“. Es entsteht eine Intimität in der absoluten Unbekanntheit, wie sie Emmi und Leo so nicht kennen, nach der sie sich aber insgeheim sehnen. Doch würde diese virtuelle Liebesbeziehung einer realen Begegnung standhalten? Jeder lebt sein Leben, agiert in seiner eigenen Welt, dem eigenen Zimmer. Doch wirklich sie selbst sind Emmi und Leo nur in ihrem E-Mail-Verkehr, der diese unterschiedlichen Lebenswelten verbindet, ohne sie zu verbinden. Denn Emmi und Leo wissen nur bruchstückhaft vom Leben des Anderen außerhalb von E-Mails und Internet. Doch gerade das macht den Kontakt so außergewöhnlich und erstrebenswert; aber gleichzeitig ist dadurch klar, dass die perfekten, utopischen Fantasiegebilde der Realität nicht standhalten würden. Aus diesem Grund kommt es nie zu einem Treffen der beiden.

Inszenierung
Ein Stück, dessen Text nur aus E-Mails besteht und dessen zwei Darsteller nie direkt interagieren – kann das überhaupt funktionieren? Das tut es. Und sogar ausgesprochen gut. Zwei nahezu identische Zimmer – das eine etwas geradliniger, männlicher, das andere etwas verspielter, weiblicher – durch nichts voneinander getrennt, außer einer rein illusorischen Trennlinie in der Mitte der Bühne. Die Betten stehen Kopfende an Kopfende – zumindest anfangs. Die Schauspieler lesen die Mails laut vor, die wichtigen werden auf einer weißen Fläche in der Mitte der Bühne über den Zimmern angezeigt. Eigentlich liest jeder seine eigenen Mails vor – doch manchmal wechselt die Perspektive und der Empfangende liest eine Passage weiter. Durch all diese Feinheiten wirkt es, als würden Emmi und Leo tatsächlich miteinander reden, die Intimität des E-Mail-Verkehrs erreicht auch das Publikum. Die zwischen den Mails vergehende Zeit wird ebenfalls auf der Leinwand eingeblendet und das Licht auf der Bühne erlischt; die Schauspieler verlassen die Bühne und / oder ziehen sich um. So wird die verstrichene Zeit plastisch. Es ist eine hervorragende Inszenierung eines hervorragenden Romans – Applaus an Wolfgang Klaus für sein Einfühlungsvermögen bei der Inszenierung. Aber auch die Schauspieler verdienen Lob – auf mindestens ebenso einfühlsame Art und Weise holen sie die Zuschauer da ab, wo sie sind, und nehmen sie mit durch das Stück. Die Darsteller sind nicht mehr Ann-Cathrin Sudhoff und Ralf Bauer, sondern Emmi Rothner und Leo Leike.

Sehnsucht nach der Fremde
Daniel Glattauer hat mit seinem Roman den Nerv der Zeit getroffen. Inmitten des gewöhnlichen Alltagslebens, des gewohnten Gangs, sehnt man sich nach Abenteuer, nach einem Leben, das man nicht hat, aber eventuell haben könnte. Der Wunsch nach Selbstverwirklichung ist enorm. Und gerade weil jeder von uns diese Sehnsucht nach der Fremde hat, fällt es nicht schwer, sich auf das Stück einzulassen, sich von den Schauspielern mitnehmen zu lassen auf eine sanfte Reise vom rauschenden Hoch der Verliebtheit hin zu tragischer Melancholie. Man kann sich ohne Weiteres mit den Schauspielern, den Gefühlen und Situationen identifizieren und merkt dabei gar nicht, wie sehr man mitfühlt. Es ist ein Theaterstück, das auch weit über das Aufführungsende hinaus noch zum Nachdenken anregt, so viele Parallelen zum eigenen Leben können gezogen werden. Als Zuschauer wird man von der Geschichte von Emmi und Leo dauerhaft tief bewegt – das spürte das Fürther Publikum am gestrigen Abend schon während der Aufführung und bedachte das Schauspielerduo, Ann-Cathrin Sudhoff und Ralf Bauer, mit nicht enden-wollendem Applaus, der sicherlich auch dem Autoren Daniel Glattauer und seinem zeitlosen Werk gezollt war.

Sabine Storch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.