Who the f*ck is Halil Altindere? Das mögen sich wohl tatsächlich einige Erlanger gefragt haben, wenn nicht das Kunstpalais diese Provokation gleich zum Motto der Ausstellung erhoben hätte. Der Titel ist in zweifacher Hinsicht Programm.
Halil Altindere ist, so sagt es Ina Neddermeyer an der Vernissage am vergangenen Dienstag, eine Schlüsselfigur der türkischen Kunstszene. Die Quellen, aus denen er seine Kunst schöpft sind zum einem die Massenkultur, zum anderen die Monumente staatlicher Macht. So war er im vergangenen Jahr an der Ausstellung Affekte mit einem Hip-Hop-Video beteiligt. Der 1971 geborene Künstler studierte Malerei an der Cukurova Universität Adana und wirkt seit 1996 in Istanbul. Mittlerweile wurde Altindere weltweit vielfach ausgestellt, etwa 2007 auf der Documenta, im Jahr 2014 war er auch mit einer Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York zu sehen.
Wem das alles bisher unbekannt war, dem liefert die Einzelausstellung des Künstlers die Antwort auf die Frage: Who the f*ck is Halil Altindere? Das Spektrum der ausgestellten Werke umfasst die letzten zwei Jahrzehnte, versammelt Fotografien, Objekte und Videoarbeiten. In der Ausstellung erhält man so ein differenziertes Bild des Künstlers und seines Werks, das sich auch ohne Begleitkommentar erschließt. Dies liegt nicht etwa daran, dass die Ausstellungsgegenstände etwa banal sind. Dem provokativen Gestus der Fotografien und Videos kann sich jedoch niemand entziehen. Hierin steckt der Hintersinn der Titelfrage.
Ein Beispiel hierfür ist der Druck Art is only a question of desire and signature (2012). Es handelt sich hierbei um eine Auftragsarbeit des Istanbuler Kunstsammlers Mustafa Tavilogu, für die Altindere einen Scheck als Voranzahlung erhielt. Der Künstler signierte den Scheck, löste ihn ein und gab dem seinem Auftraggeber eine vergrößerte Version des Schecks – als Kunstwerk – zurück. Hiermit thematisiert Altindere den schwierigen Grad zwischen der Autonomie der Kunst und der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Künstlers vom Kunstmarkt. Gleichzeitig wird deutlich, welchen Stellenwert die Provokation einnimmt.
Gerade in Zeiten, in denen die Autonomie der Kunst durch allgegenwärtige Bedrohungen eingeschränkt zu werden droht, ist die Altindere-Ausstellung im Kunstpalais ein richtiges und mutiges Signal. Bürgermeisterin Elisabeth Preuß (FDP) sprach in ihrem Grußwort an der Ausstellungseröffnung auch vom „Tag 13 nach Charlie Hebdo“. Neben diesem unerwartet eingetretenen Bezug bleibt jedoch die Bedrohung von Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei das konkreteste Anliegen Altinderes.
In Kooperation mit dem Kunstpalais entstand die Videoarbeit Angels of Hell, in der abgehalfterte Nebendarsteller der 1970er Jahre zu Protagonisten eines absurd-komischen Actionfilmes werden. Zwei Banden bekämpfen sich hierhin gegenseitig, begleitet von grotesk überdrehten Stunt-Effekten, bis ein Doppelgänger des türkischen Staatsgründers Atatürk in Begleitung einer gealterten, muskelbepackten Miss Turkey die Szene auflöst. Nicht zuletzt wegen dieser Deutschlandpremiere lohnt sich ein Besuch der Ausstellung, die trotz ihrer Vielseitigkeit ein stimmiges Bild abgibt von einem Künstler, der die Kunst der Provokation beherrscht – und einem Werk, das provoziert.
Timo Sestu
Who the f*ck is Halil Altindere ist bis zum 22. März 2015 im Kunstpalais zu sehen. Weitere Informationen, etwa zum umfangreichen Begleitprogramm finden sich unter www.kunstpalais.de.