Der dreizehnte Geburtstag wäre unmittelbar vor der Volljährigkeit, wenn man mit vierzehn volljährig würde, stellte Lucas Fassnacht fest. Wird man aber nicht. Ist auch eigentlich egal, weil dem Poetry Slam reichlich egal ist, ob er volljährig ist. Wichtig ist, dass er seinen Geburtstag feiert. Diesmal mit ausgiebig Publikum im fast schon überfüllten Saal des E-Werks, dafür mit wenigen, aber exquisiten Gästen: Vier vielfach ausgezeichneten Poeten + ein Tino Bomelino, der Musik machte. Sie alle können hier nun einzeln vorgestellt werden. Erstens, weil der Platz reicht. Zweitens, weil sie sich nicht in den inzwischen gut gekochten Poetryslameinheitsbrei unterrühren lassen.
Tino Bomelino (Stuttgart)
fragte, warum man beim Freuen die Arme in die Luft reißt und nicht den Kopf zur Seite neigt und führte vor, wie es aussehen würde, wenn man sich den Kopf zur Seite neigend freuen würde – hatte einen Laptop dabei, der das aufzeichnete, was er ihm vorbeatboxte und vorsang und konnte sich dadurch selbst mehrstimmig begleiten – erzählte von „Erfahrungen/experiences“, die angeblich so jeder macht, wie „wenn es einen am Arsch juckt, man aber ein Baby halten muss“ – schiss auf political correctness, wenn er von „Arnim ohne Arme“ sang, dem beim Eier essen vor allem das Jodsalz fehlte
Dalibor (Frankfurt am Main)
slamt auf so vielen ineinander übergreifenden Ebenen, dass beim Zuhören/Zusehen hohe Konzentration gefordert ist, es gleichzeitig aber zum Genuss wird: Stimme, Wort, Rhythmus, ausgefeilte Beatbox, pantomimische Zeichensprache… – erzählte von einer Grillparty, auf der er einem Manager nicht die Antworten gab, die er gerne gegeben hätte – vertextete „Für Elise“ und „Die kleine Nachtmusik“ neu und resümierte hieraus folgend, dass das Leben in einem Wettbewerb besteht, aus dem Poesieger und Verselierer hervorgehen – gehörte an dem Abend zu den Poesiegern, gewann nämlich
Andy Strauß (Münster)
sieht aus wie ein Johnny-Depp-Hipster, ist aber vermutlich keiner – erzählte zweimal von ziemlich crazy Typen, die man ihm sofort abkaufte, weil er bei seinem Vortrag/-spiel in sie überging – die erste Figur hatte einen Fetisch für Pflanzen und wollte dem Aufseher der Schrebergartensiedlung mit einem Hochdruckgerät die Augen ausspritzen – die zweite hatte Angst, vergewaltigt zu werden, und verpasste deswegen ein dreisames Stelldichein
Meike Harms (München)
ging in ihrem ersten Text als „Identitäter“ auf Identitätsdiebstahl und behauptete, dass wir das alle machen – scheint häufig Sinnfragen zu stellen – „Was ist Leben“ stand als einleitende Frage deswegen über ihrem zweiten Text – Philosophie, Theologie, Biologie und Reich-Ranicki stritten sich daraufhin darüber – kam zu dem Ergebnis, dass doch eigentlich nur entscheidend ist, wie und mit wem man seine Lebenszeit teilt
Julian Heun (Berlin)
der neue Freund seiner Ex-Freundin trägt den Namen „Friedrich“ – er ließ ihn jedes Mal vor seinem Text ausbuhen – in der Finalrunde hätte er das nicht gemacht, wenn das Publikum es nicht gewollt hätte – erzählte in seinem ersten Text, wie er durchs Gedichte schreiben hart, und nicht mehr zart, sondern zum Lyriker-Hooligan wurde, der mit Versfüßen droht – schaltete in seinem zweiten Text einen Prolog vor, der erklärte, warum Gott die Barriere des Flirtens schuf und stellte sich Pick-up-Artists als Kekskünstler vor – gab es in der Finalrunde dem „Lassmann“ so richtig, der Schuld am Tod von Momenten und verpassten Möglichkeiten ist – gewann ebenfalls, es gab nämlich zwei Sieger.
Vera Podskalsky
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