Repräsentatives Vorzeigeobjekt oder Werkstatt oder beides? Über Jahrhunderte entstanden Künstlerhäuser, die trotz der äußerlichen Unterschiede eine Gemeinsamkeit teilen: Das Atelier steht nicht nur im Zentrum des künstlerischen Schaffens, sondern bildet auch das Herzstück der Wohnräume. Beobachtungen wie diese haben der Autor Bodo Plachta und der Fotograph Achim Bednorz über die vergangenen zwei Jahre in ganz Europa gemacht. Ihre Erkenntnisse sind nun in Bodo Plachtas neuestem Werk „Künstlerhäuser“ festgehalten, das sich wie eine Fortsetzung zu seinem Buch „Dichterhäuser“ gesellt.
Plachta erzählt auf einfühlsame Art von ausgewählten Künstlern aus unterschiedlichen Epochen, reiht jedoch nicht nur Anekdoten aneinander, sondern setzt den jeweiligen Künstler in einen übergeordneten Zusammenhang zu seiner Umgebung, seiner Epoche und zur Kunstgeschichte selber. Der Architekturphotograph Achim Bednorz ermöglicht mit seinen nüchternen, aber dennoch ästhetischen Bildern einen unverstellten Blick auf die Einrichtung des Künstlers. So hat man beim Lesen nicht das Gefühl, einen Möbelkatalog durchzublättern, sondern erfährt einen unmittelbareren, dokumentarischen Zugang zur Umgebung des Künstlers, der wohl dem Eindruck der Zeitgenossen am Nächsten kommt. Dabei geht es nicht nur um Innenräume, sondern generell um die Orte, an die sich die Künstler zum Arbeiten begeben haben, sei es der Garten oder das Teehaus. Doch auch die Außenansicht der Gebäude spielt eine Rolle, beispielsweise, wenn die eigene Welt im Laufe des Nationalsozialismus zu einer – was am Beispiel Emil Noldes verdeutlicht wird – Festung der inneren Emigration wird. Repräsentative Noblesse und reduzierte Bürgerlichkeit, mittelalterlicher Handwerker und freizügiger Modernist – die Differenzen sind dank der klaren Einteilung gut nachzuempfinden.
Fotograph und Autor hatten – wie sie in ihrem gemeinsamen Interview ausführen – einen starken Einfluss aufeinander. So passt die Bilderauswahl zu den sprachlichen Ausführungen Plachtas, während diese wiederum einen Bezug zu den Fotographien herstellen. Das Anliegen des Autors ist es dabei, einen neuen Blick auf die Künstler zu ermöglichen, wobei es ihm jedoch weniger um die Menschen selber als um deren Rolle in der Kunstgeschichte geht.
So gesehen betreibt Plachta sehr wohl eine Kanonisierung, in denen er sich auf die berühmtesten Vertreter der jeweiligen Epoche konzentriert und anhand derer Behausungen einen übergeordneten Zusammenhang verdeutlichen möchte. Doch ist die beschränkte Auswahl – gerade der abrupte Abruch zur heutigen Zeit hin (Plachta endet mit Constantin Brancusi) – nicht unbegründet. Nicht von jedem Künstler sind Häuser oder Einrichtungen erhalten, die Wichtigkeit des Künstlers ist also nicht nur für die Einrichtung selbst entscheidend. Die Beschränkung zur heutigen Zeit hin hat mit der Tatsache zu tun, dass man in diesem Buch (und auch in der Kunstgeschichte selber) eine klare Differenzierung zwischen Vertretern der modernen Bewegungen des letzten Jahrhunderts und aktuell tätigen Künstlern vornimmt. Weiterhin haben sich viele der im letzten Jahrhundert verstorbenen Künstler nicht vor ihrem Tod zum Erhalt ihres Ateliers geäußert, wonach häufig dessen Auflösung erfolgte. Die Beschränkung auf den europäischen Raum mag eher mit der Tradition des Fachs Kunstgeschichte selber zusammenhängen, wonach ein außereuropäischer Raum wohl andere Herangehensweisen erfordern würde. Diese insgesamt beschränkte Herangehensweise ist zuletzt darin gerechtfertigt, dass sie Plachta die Konstruktion eines Zusammenhangs der verschiedenen Epochen ermöglicht und somit das Buch in jede Richtung abschließt.
Nachdem es so gesehen mehr Antworten gibt als Fragen aufwirft, ist das Buch auch in der Art und Weise seiner Ausführung sehr befriedigend: Denn neben den großformatigen Bildern verführt auch die sprachliche und unterhaltende Herangehensweise Plachtas zum Weiterlesen. Es eignet sich somit sehr gut für zwischendurch oder einen entspannten Abend und erweitert beinahe nebenbei den Blick auf die kunstgeschichtlichen Zusammenhänge. So gesehen stellt das Buch auf jeden Fall eine Bereicherung für das Bücherregal als auch für den Couchtisch dar.
Anna Greger
Bodo Plachta: Künstlerhäuser. Ateliers und Lebensräume berühmter Maler und Bildhauer. Reclam-Verlag, 2014. 288 S. m. 200 Farbfotos, € 39, 95, ISBN: 978-3-15-010942-7.