In dieser Woche empfiehlt unser Redakteur Julien Dopp gleich zwei neue Filme. Einer davon ist „A Most Wanted Man“, in dem der verstorbene Oscar-Preisträger in seiner besten Rolle seit „Capote“ zu sehen ist. Der andere heißt „Maps to the stars“. Für ihre Rolle als alternde Hollywood-Diva wurde Julien Moore in Cannes zu Recht als beste Schauspielerin ausgezeichnet.
A Most Wanted Man
Die Verfilmungen von John le Carres schriftstellerischen Offenbarungen waren in der jüngeren Vergangenheit für Cineasten immer eine Freude. Sei es der von Fernando Meirelles mit Ralph Fiennes in der Hauptrolle verfilmte „Ewige Gärtner“ oder zuletzt der atmosphärische Spionagethriller „Dame, König, As, Spion“ mit Gary Oldman und Colin Firth. Der aktuelle Film „A most wanted man“ von Anton Corbijn, der auf dem Buch „Marionetten“ von le Carre beruht, ist jedoch viel mehr als das. Ein atemberaubender Thriller ohne Verfolgungsjagden oder übertrieben Actionmomente, eine bittere Aufzeichnung der Verwicklung mehrerer Geheimdienste und dem menschenunwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Hilfsbedürftigen, ein großartig gespieltes, kammerspielartiges Schauspielerkino – aber vor allem ist „A most wanted man“ eines: das Vermächtnis eines großen, eines brillanten Schauspielers: Philip Seymour Hoffman.
Dieser spielt den deutschen Geheimdienstler Günther Bachmann, in dessen Visier ein illegal eingereister Tschetschene gerät, der mit Hilfe der engagierten Anwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) versucht, den dubiosen Bänker Thomas Brue (Willem Dafoe) ausfindig zu machen. Als die amerikanische Geheimdienstagentin Martha Sullivan (Robin Wright) auf den Plan tritt, wird Bachmann klar, dass es hier um mehr geht als nur um einen illegalen Flüchtling. Jeder misstraut jedem und Bachmann und der Zuschauer finden sich wieder in einem frustrierenden Netz aus Spionageaffären, Misstrauen, Verrat, Fremdenfeindlichkeit und der Angst vor internationalem Terrorismus.
Der Inhalt des Films mag frustrierend erscheinen, der Film ist es nicht. Hier gibt es viele ungeklärten Fragen, hier gibt es keine einfachen Lösungen und auch keine Unwahrscheinlichkeiten. Hier gibt es den Blick auf eine Wirklichkeit zu sehen, der wir am liebsten immer aus dem Weg gehen, die wir ignorieren oder nicht beachten würden. Das wird umso klarer, weil der ganze Film komplett in Deutschland, größtenteils in Hamburg spielt. Die Kulisse der zweitgrößten deutschen Stadt wird hier aber nicht in billiger Tatort-Manie verwendet, sondern visuell und künstlerisch ambitioniert und packend in Szenen gesetzt. Man folgt den Figuren durch die verwinkelten Orte Hamburgs, bekannten Plätzen wie dem Hamburger Hafen oder der Kultkneipe „Zum Silbersack“ am Rand der Reeperbahn folgen dann auch wieder vollkommen fremde, nicht touristenfreundliche Schauorte.
De Blick des Zuschauers bleibt jedoch in erster Linie an Philip Seymour Hoffman hängen, dem schauspielerischen Gigant, die hier in der Rolle des obsessiven, manisch-ehrgeizigen, verzweifelten, ausgelaugten und irgendwie tieftraurigen Günther Bachmann noch einmal – leider ein fast letztes Mal – alle Register seines ungeheuren Könnens und seiner ungeheuren Vielseitigkeit zieht. Sprachlos und überwältigt sieht der Zuschauer Hoffman dabei zu, wie er sich behäbig durch ein Kabinett aus Misstrauen und Wut bewegt und der Zuschauer leidet und hofft mit und erfährt die gleiche Frustration wie Hoffmans Charakter. Vielleicht schmerzt Hoffmans früher Tod nach diesem Film auch deshalb noch einmal so stark, weil dieser Film wohl seit „Capote“ wieder am besten zeigt, wie unfassbar gut Philip Seymour Hoffman war.
„A Most wanted man“ läuft im Senator-Verleih und ist ab 11.9.2014 im Manhattan Kino in Erlangen sowie im Casablanca und Cinecitta Kino in Nürnberg zu sehen. Und diese Chance sollte dringend ergriffen werden.
Ein weiterer Film soll hier noch kurz empfohlen werden: David Cronenbergs neustes Meisterstück „Maps to the stars“. Waren sich Fans und Kritiker einig, dass die jüngsten Arbeiten von Cronenberg, insbesondere „Eine dunkle Begierde“ und „Cosmopolitan“ eher mittelmäßige Werke eines übermäßig begabten Filmemachers waren, läuft er mit „Maps to the stars“ jedoch zu alter Hochform auf – sowohl filmisch, visuell und inhaltlich als auch was die enorme Boshaftigkeit betrifft, mit der er eine Geschichte erzählt, die bitter-sarkastisch, oft urkomisch ist, die aber auch hätte tieftraurig inszeniert werden können.
Im Mittelpunkt des Films steht zum einen Hollywood – und was das System dahinter scheinbar mit einigen Menschen so Böses tut. Bestes Beispiel dafür ist Kinderstar Benji, den der Hollywood-Wahn schon mit 13 Jahren in einen Drogenexzess stürzte. Dessen Schwester Agatha (eindrucksvoll von der derzeit überpräsenten Mia Wasikowska gespielt) steckte vor Jahren das Haus der Familie (Olivia Williams, John Cusack) in Brand und wurde nun aus der Psychiatrie entlassen. Prompt heuert sich bei der alternden Schauspieldiva Havanna Segrand (unglaublich genial: Julianne Moore) an, die vom Geist ihrer toten Mutter verfolgt wird, seit sie sich verzweifelt bemüht, in einem Remake die gleiche Rolle zu ergattern wie einst ihre noch viel berühmtere, aber jung verstorbene Mutter. Aus diesem Grund wiederum ist Havanna bei Aghathas Vater in Therapie. So verschroben der Inhalt klingt, so abgedreht ist der Film auch. Perfide, bösartig, schwarzhumorig, entlarvend, bizarr und abstrus bewegt sich der Film auf einem schmalen Grad zwischen schwärzester Satire und emotionalem Psychothriller.
Teilweise nichts für schwache Nerven sollte man sich diesen Film dennoch unbedingt anschauen. Zum Einen weil noch nicht so konsequent und so verheerend filmisch mit Hollywood abgerechnet wurde, zum Anderen weil Julianne Moore hier eine unfassbar schräge, grandiose Leistung abliefert, die zu Recht auf dem diesjährigen Festival de Cannes mit der Darstellerpalme ausgezeichnet wurde und die ohne Zweifel zu den Höhepunkten von Julianne Moores ohnehin beeindruckender Karriere gehört. Bereits vier Mal ohne Gewinn Oscar-nominiert, sollte ihr diese Performance im nächsten Jahr eigentlich endlich die begehrte Statue einbringen. Sie liefert eine Mischung aus paranoider Raserei, panischen Angstattacken, Wutausbrüchen und Verzweiflungsanfällen – und ist damit sowohl das unterhaltendste als auch schockierendste Zentrum dieses krassen, aber sehr originellen Films.
Anders als in „A most wanted man“ sollte man bei „Maps to the stars“ nicht alles allzu ernst nehmen. Gemeinsam haben beide Filme, dass sie einfach richtig starkes Kino von heute sind, das man sich nicht entgehen lassen darf.
„Maps to the stars“ ist ebenfalls ab 11.09.2014 im Manhattan Kino in Erlangen sowie im Casablanca und im Metropolis Kino in Nürnberg zu sehen.
Julien Dopp