Gedichte für die Katerstimmung

Coverfoto: Jonas Otte

Coverfoto: Jonas Otte

Florian Günther schreibt auf der Umschlagsrückseite von Susann Klosseks Lyrik-Band „Der letzte große Bluff“, sie haue „mit der Faust auf den Tisch, wo andere Autorinnen nur zaghaft und verspielt am Spitzendeckchen zupfen.“ Das stimmt: Ihre Gedichte sind wie Kettensägen-Skulpturen.

„51 Kurze“ ist die Anthologie untertitelt. Das überrascht insofern, als es sich zumeist um längere Gedichte handelt. Schade eigentlich, das wäre ja eine schöne Doppeldeutigkeit geworden. Denn zumindest die Katerstimmung stellt sich bei der Lektüre zuverlässig ein. Ihre Texte erinnern nämlich, wenn man es wohlwollend ausdrücken möchte, an die Lyrik von Charles Bukowski. Wenn man das nicht möchte, dann ist es einfach Großstadtlyrik, für deren Lektüre man eine Flasche Hochprozentiges bereithalten sollte.

Das Leben fegt

Ich küsse Dich
Du bist die Spitze meines Eisbergs
Feger in meinem Schornstein
Mein Kavalier
Ich dein Delikt […] (S. 37)

Klosseks Ton ist bisweilen von irritierender Unverblümtheit. In ihren guten Momenten werde diese Bilder ironisch kommentiert („Du klatschst gegen den Takt / Auch ne Art Rebellion, wenn man so will“, S. 37), was allerdings auch hin und wieder scheitert: „Um sein Haupt das Ambilight der Fernsehgeräte / Einem Heiligenschein gleich“ (S. 5). Hier wird lediglich das Offensichtliche expliziert. Das ist schade, zeigt es doch, dass viele der Gedichte unausgegoren sind und ihren Weg in einen Band möglicherweise zu schnell gefunden haben.
Andererseits tragen die Gedichte aber auch inhaltlich dieses Unausgegorene in sich. Sie handeln vom Halbgaren, vom Lauwarmen, vom Versuchen und Liegenlassen. Die Katerstimmung ist der Geist der Gedichte: Das grimmig-desinteressierte Ich in Konfrontation mit der Welt:

Im Hintergrund singt Michael Jackson
– Der Herr sei ihm gnädig –
„You are not alone“
Ich nehme an, das ist als
Drohung aufzufassen. (S. 15)

Kein Wunder also, dass es gleich im ersten Gedicht „eins in Fresse“ [sic] gibt. Der Underground, dem diese Gedichte vielleicht selbst gern angehörten, schlägt zurück. Zu sehr bewegen sich diese um die üblichen Topoi von Sex, Alkohol und Nihilismus. Und das wäre in der Tat ein fataler Befund, wenn Susann Klossek nicht auch schöne Gedichte geschrieben hätte. Hat sie aber. Und sie auch mitveröffentlicht.

Nichts

Ich habe auf direktem Wege
nichts
gesucht
Und es auch gefunden
Andere machen Umwege
Indem sie einer geregelten Arbeit nachgehen
Mir blieben dazwischen
Wenigstens Möglichkeiten (S. 14)

So ist das mit Lyrik, die sich um die Gürtellinie bewegt. Mal zielt sie drunter, mal drüber. Und dann versprüht dieser Band doch so viel Esprit, dass man auch darauf verzichten kann, sich in die richtige Stimmung zu saufen. Der Rausch würde ohnehin böse enden.

Susann Klossek: Der letzte große Bluff. Gonzoverlag: o. O. 2013, 72 S., € 10,-, ISBN: 978-3-9814439-9-8.

Timo Sestu

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.