Ich packe in meinen Koffer … AM ENDE SCHMEISSEN WIR MIT GOLD von Fabian Hischmann.
Max hat sich in seinem Leben gerade ganz gut eingerichtet – als ein Anruf seines Vaters ihn herausreißt. In diesem Moment beginnt er, aus allen Wolken zu fallen: aus seinem Alltag, seiner Lethargie und aus seinen Tierfilmen. „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ von Fabian Hischmann ist ein Debüt, in das man sich gern hineinstürzt, um Max‘ Fahrtwind auch im eigenen Gesicht zu spüren.
Max hat einem zehnjährigen Kind die Nase gebrochen. Vielleicht hat er es auch angeschossen. Vielleicht hat es „Peng“ gemacht – das Schießen oder das Brechen. Auf jeden Fall blutet es. Zu Anfang könnte man meinen, es wäre seine eigene Kindheit, die da auf dem Weg ins Krankenhaus in die Autobezüge tropft. Der Lehrer, der nicht gern Lehrer ist, sondern viel lieber Tierfilme drehen würde, lässt sie ausbluten.
„Meine Eltern wissen, dass nicht viel mit mir los ist. Normalerweise beunruhigt sie das, gerade sind sie wohl glücklich darüber. Ich stelle den Fernseher auf volle Lautstärke. Das Traben eines Nashorns wummert bis ins Mark.“
Doch dieses Buch hat zwei Anfänge. Den ersten im Auto, den zweiten am Telefon: Sein Vater ruft an. Max soll Haus und Hund hüten. Und spätestens als er in der alten Heimat ankommt, in dem Haus seiner Kindheit, nahe dem Wald, in dem so vieles passiert ist, und in dem es immer noch hin und wieder „Peng“ macht, wird klar: Diese Kindheit ist noch nicht abgeschlossen.
Es folgt die Geschichte vom zweiten Erwachsenwerden. Ausgezogen ist er längst, er pubertiert nicht mehr, stattdessen hat er studiert und begonnen zu arbeiten. Und doch muss er noch einmal zurückkehren, alte Erinnerungen wieder aufleben lassen und verstehen, wie er zu dem Menschen geworden ist, der er heute ist. Fabian Hischmann erzählt in seinem Debüt von einer ersten Liebe – zu Maria und Jan –, von der Suche nach alten Träumen und einer Person, als die er sich wohl fühlen kann. In bestechenden Dialogen und einer wunderschön schnörkellosen Sprache – die sich in ekelerregenden Körperlichkeiten immer wieder überraschend nah an den Protagonisten heranwagt – fragt er sich, wann ein Mensch kein Kind mehr ist. Wenn er sich eingesteht, dass er den falschen Beruf gewählt hat? Wenn er sich mit den Geistern der Vergangenheit versöhnt, sie vielleicht sogar küsst? Wenn er keine Eltern mehr hat?
„Ich bin kein Lehrer.“
„Aha. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass du vor ein paar Tagen noch einer warst.“
„Du irrst dich.“
Der Verkehr beginnt zu fließen, Maria gibt Gas und lässt Böblingen rechts liegen.
„Was willst du denn dann machen, Max?“
Ein Waisenkind mit einer Kamera sein.
Seine Fragen führen Max nach Kreta und von dort sogar bis nach New York. Hier erhält er zwar nicht auf alles eine Antwort, doch kann er eine alte Rechnung begleichen. Er kommt einigen Lösungen immer näher. Und am Ende ist zumindest eines klar: Es war nicht die Kindheit, die zu Anfang in die Autobezüge getropft ist. Das Blut konnte nur deswegen tropfen, weil Max das Kind in sich nicht loslässt. Sobald ihn Indianer angreifen, schlägt er zurück. Er ist ein mutiges Kind, eines, das sich nicht kampflos geschlagen gibt. Egal, was ihm passiert.
Und so ist auch das Buch eines, das einem Mut gibt. Das einem erlaubt, Kind zu bleiben, alte Feinde in New York aufzuspüren, seinen Job hinzuschmeißen und in eine Kommune zu ziehen. Alles in allem also die perfekte Sommerlektüre für alle, die noch nicht ganz erwachsen sein wollen.
Rebekka Knoll