Populärkultur From Hell

"The Great Red Dragon and the Woman Clothed in Sun" (Public Domain)

„The Great Red Dragon and the Woman Clothed in Sun“ (Public Domain)

Dr. Simone Broders‘ Vortrag „Fearful Symmetry“ demonstriert vorbildhaft das kluge Konzept der Ringvorlesung zur Populärkultur: die alltäglich konsumierte Kultur als Ausgangspunkt für Bezüge zum klassischeren universitären Kanon. So passen dann auch „Serienkiller“ und „William Blake“ überraschend gut zusammen. Ein gelungener, kurzweiliger Vortrag — und eine inspirierende Einladung zum blakespotting.

Der Sprung in die Big Six der britischen Romantiker gelang William Blake mit 150 Jahren Verspätung in den 1970er Jahren. Seitdem wird Blake, ein innovativer, stark spirituell geprägter Maler, Dichter und Mystiker, nicht nur in einer Reihe mit Wordsworth, Byron und Keats genannt, sondern hält, teils in Zitaten, teils in zentralen inhaltlichen Motiven, Einzug in bekannte Werke unserer Zeit. Ironischerweise. Denn unter seinen Zeitgenossen war Blake wenig populär, galt gemeinhin sogar als geisteskrank.

Eine Art missverstandener intellektueller Elitarismus sei das, sagt Broders vorneweg, zu glauben, dass das, was wirklich gut ist, nicht populär sein kann. Und was populär ist, kann ja auch unmöglich gut sein? Bei aller Handwerklichkeit, die Pop-Autoren im Allgemeinen, und unter diesen im Besonderen den amerikanischen Film- und Fernsehmachern, vorgeworfen werden kann, weist Broders ihnen aus, dass es sich bei ihren Anknüpfungen nicht um oberflächliche Versatzstücke handelt, sondern eine gründliche Auseinandersetzung mit Blakes Motiven und Themen deutlich wird.

Sonderlich rühmlich für Blake fallen diese Anknüpfungen trotzdem nicht aus. Denn zumeist bleibt es eben seine vermeintliche oder tatsächlich Geisteskrankheit, die Autoren wie Thomas Harris, Alan Moore und Grant Morisson an ihm fasziniert. Es sind Blakes poetische und malerische Entwürfe der menschlichen Psyche und ihrer Abgründe, die die von Broders gewählten Serienkiller-Geschichten durchdringen: im königlichen Chirurgen und vermeintlichen Jack the Ripper William Gull in Alan Moores graphic novel „From Hell“, im Toothfairy-Killer Francis Dolarhyde aus Thomas Harris‘ „Red Dragon“, und im Blake-euphorischen Serienmörder Red John, Erzfeind des polizeilichen Ermittlers Patrick Jane aus der Serie „The Mentalist“.

Der Titel des Vortrags, „Fearful Symmetry“, nimmt Bezug auf William Blakes wohl bekanntestes Gedicht, The Tyger: In die Gestalt eines Tigers kleidet Blake den dunklen Trieb, der allen Menschen innewohnt. Gut und Böse nicht als äußere, absolute Kategorien, sondern als innere, dynamische Aspekte der menschlichen Persönlichkeit. Seinerseits begründet auf Böhme, Paracelsus und Swedenborg, eilt Blake mit dieser „Konzeption des Bösen“ den Psychoanalytikern Freud und Jung voraus. Ebenso spannend sind die eingeflochtenen Beobachtungen über den modernen Archetypen des Serienkillers, der im Begriff ist klassische Filmmonster, Zombies, Mad Scientists und Aliens als neuer Supervillain abzulösen. Der psychopathische Serienmörder — der gerade deswegen so furchteinflößend ist, weil er hinter der durchschnittlichen Normalität jedes Nachbarn lauern könnte.

Die enorme Reichhaltigkeit dieser Sujets kann in einer etwas mehr als einstündigen Vorlesung unmöglich umfassend abgehandelt werden. Mitnichten ein Minuspunkt: Denn diese Vielschichtigkeit ist es, begünstigt von der grundsätzlichen Konzeption der Ringvorlesung, die Broders‘ Vortrag über den Abend hinaus interessant und inspirierend macht.

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Zusammen mit den anderen Vorträgen der Ringvorlesung Populärkultur des Interdisziplinären Zentrums Literatur und Kultur der Gegenwart erscheint Simone Broders „Fearful Symmetry“ demnächst zum Nachlesen als Teil des Sammelbands „Focus: Gegenwart“ beim Verlag Königshausen & Neumann.

Der letzte Vortrag der Ringvorlesung Populärkultur für dieses Sommersemester findet am nächsten Montag statt. Dr. Alexander Fischer spricht unter dem Titel „Vom Konsumieren des ‚Anderen‘: Beobachtungen zu Tendenzen in der türkisch-deutschen Pop(ulär)-Literatur (Yadé Kara, Imran Ayata)“, am Montag, den 07.Juli 2014, 19.15 Uhr im Kollegienhaus, Raum KH 0.016.
Für das nächste Semester ist erneut eine Ringvorlesung „Pop“ geplant. Darüber hinaus ist für 2015 eine literatur- und kulturwissenschaftliche Konferenz zum Thema Populärkultur in Vorbereitung

Andreas Pohr

Für Wissbegierige:

http://www.william-blake.de/index.php

http://www.wisegeek.org/who-were-the-romantic-poets.htm

http://www.rainerwinter.net/wordpress/wp-content/uploads/winter-2000-faszination-serienkiller-DE.pdf

http://www.simone-broders.de/

Fotocredit (Public Domain):

Ausschnitt aus William Blakes, „The Great Red Dragon and the Woman Clothed in Sun“

http://en.wikipedia.org/wiki/The_Great_Red_Dragon_Paintings#mediaviewer/File:Reddragon.jpg

 

 

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