
Zwei Schwestern, noch in Harmonie vereint… Suzanne (Sara Forestier, l.) und ihre Schwester Maria (Adèle Haenel, r.; Bild: Arsenal Film)
Die Filme, die diese Woche anlaufen, haben es wahrlich nicht leicht, stehen sie doch im Schatten des großen Meisterwerkes Boyhood, der vor zwei Wochen landesweit anlief. Umso erstaunlicher, dass morgen ein kleiner Film anläuft, dem es tatsächlich gelingt, die Qualität der letzten Wochen aufrecht zu erhalten.
Die unerschütterliche Liebe der Suzanne…
…ist in erster Linie eine Chronik über die Beziehung zwischen zwei Schwestern, der in nur knapp 95 Minuten versucht, eine Zeitspanne von 25 Jahren zu erzählen. Angefangen vom frühen Tod der Mutter, schildert der Film von der französischen Regisseurin Katell Quillévéré das Aufwachsen zweier Schwestern bei ihrem alleinerziehenden Vater, der die Protagonistin auch dann unterstützt, als sie mit 17 ungewollt schwanger wird. Fünf Jahre später lernt Suzanne den Kleinkriminellen Julien kennen, der sie auf die schiefe Bahn führt. Für ihn geht sie ins Gefängnis, verlässt ihren Vater, ihre Schwester und lässt sogar ihren kleinen Sohn zurück. Tief enttäuscht zieht sich der Vater vollkommen zurück. Nur Suzannes Schwester hält am Ende noch zu ihr…

Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton als gekonnt dargestellte Karikatur des Bösen. (Bild: © Copyright MFA+ FilmDistributione.K.)
Was dieser Film schafft, in 95 Minuten zu erzählen, ist äußerst erstaunlich. Regisseurin Katell Quillévéré verwendet immer wieder Brüche, Rückblenden und Unterbrechungen, um mit intensiver Präzision den Weg der Suzanne zu inszenieren. Gerade diese Präzision ist es, die dem kleinen Filmdrama eine große Wucht zu verdanken hat. Zusammen mit großen Schauspielleistungen, allen voran von Hauptdarstellerin Sara Forestier, auf deren Gesicht jede Verletzlichkeit und jede Unsicherheit einen eigenen Ausdruck bekommt, ist hier ein kleines Filmjuwel entstanden, das sicher nicht zu den Wohlfühlfilmen des Jahres gehört, aber ganz sicher zu den beeindruckendsten des diesjährigen Sommerkinos.
Die unerschütterliche Liebe der Suzanne erscheint im Arsenal Filmverleih und läuft ab Donnerstag in den Lamm-Lichtspielen in Erlangen sowie im Casablanca in Nürnberg.
Wiederaufnahme: Snowpiercer – Ein Winterfilm im Sommer
Ebenfalls sehr zu empfehlen ist ein Werk, das ab Donnerstag im Manhattan gezeigt wird. Offizieller Kinostart in Deutschland war bereits im April (hier), doch bekam Snowpiercer, einer der innovativsten und spannendsten Arthaus-Blockbuster seit Langem, kaum die Aufmerksamkeit, die er verdiente. Der südkoreanische Regisseur Bong Joon Ho lässt einen stählernen Zug um eine völlig vereiste Welt kreisen, in der scheinbar kein menschliches Leben mehr existiert. Im Zug befinden sich die letzten Menschen, die hierarchisch von den hinteren Zugteilen bis zu den vorderen eingeordnet sind. Strenge Bewacherin dieser politisch brodelnden Klassengesellschaft ist eine umwerfend-schräge Tilda Swinton, Sprachrohr des Mächtigen und Bösen, für die allein sich der Kinobesuch schon lohnt. Doch Chris Evans, Jamie Bell, Octavia Spencer, John Hurt und viele andere internationale Stars erheben sich im Dunkeln – und die Revolution, die dann entbrennt, ist eine der spannendsten, die wir seit langer Zeit im Kino erleben durften.
Das Manhattan zeigt diesen Film nun noch einmal. Allein wegen der unkonventionellen Verknüpfung zwischen Arthaus und Mainstream, dem ständigen Brechen mit den gängigen Seherwartungen sowie einer sowohl visuellen als auch schauspielerisch grandiosen Aufmachung, ist Snowpiercer definitiv eine höhere Zuschauerzahl zu wünschen, als bisher geschehen. Snowpiercer ist Kino das überrascht, Kino, das herausfordert und Kino, das beweist: Kunst und Unterhaltung können durchaus verknüpft werden.
Snowpiercer erscheint im Ascot Elite Entertainment Filmverleih und läuft ab Donnerstag im Manhattan Kino in Erlangen.
Julien Dopp