Bei Improvisationsübungen in der Schule hab ich über die spontanen Einfälle meiner Mitschüler oft gebrüllt vor Lachen. Wir hatten im Darstellenden Spiel so viel Spaß wie sonst die ganze Woche nicht. Mit entsprechend hohen Erwartungen bin ich Dienstag Abend zu meinem ersten offiziellen Improvisationstheater ins Nürnberger Cinecittá gefahren – und war überrascht wie viele grandiose Ideen auf offener Bühne entstehen können. Aber auch, wie viel kritischer man fremden Improkünstlern gegenübersteht.
In der ARENA des Cinecittá trafen zwei Improgruppen aufeinander: die Mamaladnamala aus Bayreuth und holterdiepolter! aus Nürnberg. Beide begrüßten uns mit Lied und Tanz, die einen mit Hosenträgern, die anderen mit Erdbeer-Glühbirnen auf ihren T-Shirts. Sofort wurde klar: Heute darf es albern werden. Das bestätigte auch „Marie (angeblich) aus Paris“, Schiri für den heutigen Abend, die sich in den Kopf gesetzt hatte, den ganzen Abend in französischgefärbtem Deutsch zu sprechen. Warum auch immer. Lustig wurde es dann aber doch noch. Angefangen mit dem sympathischen Moderator, der die beiden Teams immer wieder auf unterhaltsame Weise gegeneinander ins Rennen schickte, bis hin zu einzelnen Spielen, in denen die Improkünstler brillierten.
Mit Wurst und Käse gegen den Boss
Da gab es zum Beispiel das Spiel der Nürnberger, in dem A für B sprach, B für C und C wiederum für A. Gleichzeitig mussten in der Szene 7 Türen und Palmolive vorkommen. Es ist kaum zu glauben, aber das Ergebnis war nicht nur zum Brüllen komisch, es war auch beeindruckend, wie die Darsteller die eigene Rolle spielten und gleichzeitig die des anderen sprachen, ohne, dass der Zuschauer verwirrt wurde. Am Ende entstand sogar eine sinnvolle Geschichte, der man auch inhaltlich gern folgte.
In einem anderen Spiel sollten beide Gruppen gemeinsam eine neue Version des „Counselors“ spielen. Sobald der Moderator Stopp rief , mussten sie ein Lied über die aktuelle Situation singen. So entstand ein kleines Musical, in dem der Boss über seinen Anwalt herrschte und eine Frau, die einen Mann Namens Wurst spielte, versuchte, mithilfe des Handlangers Käse den Boss zu stürzen. Dabei unterhielten nicht nur die Darsteller uns bestens, auch der Pianist glänzte mit seinen spontanen Einlagen.
Der besondere Reiz
Improtheater ist also durchaus komisch. Zu sehen, wie Menschen vor Publikum zu den besten Ideen kommen, spontan die überraschendsten Rollen entwickeln und ein ganzer Abend super ohne Probe funktioniert, macht großen Spaß. Aber natürlich sind da auch ein paar langweilige, alberne oder anstrengende Szenen mit dabei. Wahrscheinlich wären sie lustiger, würden solche Szenen von den eigenen Mitschülern gespielt, also von Menschen, die man persönlich kennt und über deren Späße man viel schneller lacht. Aber so gab es dann doch Situationen, über die ich nur müde lächeln konnte.
Beim Improtheater kriegen wir alles mit: die guten Ideen, aber auch die schlechten, die perfekten Sätze, aber auch die, die daneben gehen. Und vielleicht liegt genau darin der besondere Reiz des Abends. Dieses Improtheater war kein Theater über ein tiefgreifendes Thema, es behandelte keine gesellschaftlich brisanten Fragen. Aber es zeigte den Prozess der Ideen- oder Figurenentwicklung, der vorm Zuschauer sonst immer ferngehalten wird. Es ließ den Spaß an der Schauspielerei und zugleich die Lust am Zuschauersein greifbar und verständlicher werden.
Holterdiepolter!
Im geprobten Theater sehen wir nur das Ergebnis. Wer gern einmal beim Entstehungsprozess dabei sein möchte, keine Angst vor Albernheiten und Lust auf einen unplanbaren, unterhaltsamen Abend hat, dem lege ich einen Besuch des Improtheaters wirklich ans Herz. Vor allem holterdiepolter! haben mich mit ihren kreativen Ideen und der lockeren, sympathischen und mitreißenden Umsetzung voll überzeugt. Am 8.6. werden sie in Herzogenaurach als Vorprogramm zum OpenAir-Film „Vaterfreuden“ auftreten und am 8.7. gibt es dann schon die nächste Impro-Show im Cinecittá. Sicher wird auch dann wieder ein Battle stattfinden, so wie an diesem Dienstag.
Schiri Marie fragte immer wieder die Meinung des Publikums in Form des Applauses ab, allerdings erschien ihre Punktvergabe etwas willkürlich: Mal bot sie fünf Punkte für die höchste Leistung an, mal 7, am Ende gewann Holterdiepolter!, aber der Wettbewerb war von Anfang an nur Beiwerk. Die Ideen standen im Vordergrund, der Spaß und das gemeinsame Spiel – auch das von Nürnberg und Bayreuth zusammen.
Rebekka Knoll