Doch kein Verfremdungseffekt?

Furcht und Elend des Dritten Reiches_1

Fotograph: Sebastian Worch

 

Eine feine Brecht- Inszenierung bot am vergangenen Montag das Fränkische Theater Schloss Massbach anlässlich der Bayrischen Theatertage. Die Umsetzung von „Furcht und Elend des dritten Reiches“ entwickelte sich zu einem Theaterabend, in dem sich Komik einen harten Kampf mit Tragik leistete – und letztendlich Ironie hervorbrachte.

Pöbelnde, besoffene Nazis, Emigration, Bespitzelung: All das vor einem praktischen Ikearegal, dass die Bühne nach hinten begrenzt und zugleich durchlässig ist – wie ein Gitter, durch das man im Notfall auch hindurch kriechen könnte. Zu den Seiten ist die Bühne von weißen Jalousien begrenzt, die wie eine aufgebrochene Leinwand Schattenspiele ermöglichen und die typischen „Brecht“- Vorhänge ersetzen. Im Regal gibt es Kisten, die nur an einer Seite farbig sind. Am Ende ergeben die farbigen Flächen aneinander gestellt – soviel kann man bereits nach der Pause erahnen – ein Hakenkreuz. Dieses ist allerdings zur falschen Seite geöffnet, ebenso wie das Spiel der Schauspieler zum Teil nicht die Illusion herstellt, welcher die Szene bedarf. All das hätte als eine Hommage an Brecht und seinen Verfremdungseffekt gelesen werden können, hätte sich nicht der Regisseur Christian Schidlowsky in einem BR- Interview dagegen ausgesprochen.

Im Spiel der Schauspieler erkenne ich mit meinem begrenzten Brecht-Wissen in den Zukunftspassagen sehr eindeutig den „Gestus des Zeigens“ – einfache Posen, ausgestreckte Arme. Die anderen Passagen sollen, hier kann ich mich aber auch irren, eine tiefere Illusion erzeugen. Ich fühle mich jedoch nicht gänzlich überzeugt. Vielmehr bemerke ich kleine Sprünge, Lockerungsübungen der Kiefermuskulatur hinter besagtem Ikea- Regal, während sich das Schauspiel im vorderen Rampenbereich konzentriert. Andere Passagen sind herrlich amüsant – man merkt, dass es auf Schloss Massbach üblicherweise sehr lustig zugeht. Darin brillieren die Schauspieler – mühelos wirkt das Spiel, die Zuschauer sind begeistert und man fiebert mit dem Ehepaar mit, dessen nationalistischer Sohn (Georg Schmiechen) vielleicht etwas zu viel ausplaudern könnte. Der Vater (gespielt von Jens Eulenberger) sitzt zusammengekauert auf dem Schoß der Mutter (Susanne Pfeiffer), die sich in ihrer Nervosität ein Wollknäuel um den Kopf gespannt hat. Gemeinsam versuchen sie den Kopf der Mutter zu entspinnen und streiten sich dabei in herrlichstem Ruhrdeutsch über das neue Hausmädchen (Sandra Lava).

Und doch entsteht – wenn auch nicht ohne ein anfängliches Augen-Zwinkern – Tragik. Die Szene, in der sich zwei Frauen (Sandra Lava und Silvia Steger) in höchste Bedrängnis durch zwei Soldaten (Benjamin Jorns und Jens Eulenberger) bringen, allein durch die Tatsache, dass eine der beiden Haushaltsheft führt, in dem sie die steigenden Essenspreise festhält, lässt ein besonders bitteres Gefühl zurück. Insgesamt kann man sagen, dass das Spiel der sechs Schauspieler, die eine ganze Bandbreite von Figuren verkörpern, in seiner Wechselhaftigkeit sehr schön anzusehen ist.

Furcht und Elend des Dritten Reiches_3

Fotograph: Sebastian Worch

Die Inszenierung nimmt besonders nach der Pause an Fahrt auf. Ist man zunächst durch die schon zu Beginn des Stückes verwendete Einführung mittels „Auf-die-Bühne-Stolpern“ nicht sehr begeistert, fesselt nun wieder eine Bandbreite von Szenen, die (wie auch schon vor der Pause) zum Teil parallel, aber nun in einem schnelleren Tempo gespielt werden. Die Kisten aus dem Ikearegal wechseln häufiger den Standort. Und hat man spätestens mit der Rückseite eines Exemplares das Zentrum des Hakenkreuzes erkannt, wird es spannend, wie die Schauspieler die Kisten bis zum Ende so umbauen, dass die komplette Hakenkreuzfahne zu sehen ist, ohne beim Umbau zu offensichtlich zu werden. Auch das gelingt. Die beste Szene kommt gegen Ende – eine Propagandaaufzeichnung in einer deutschen Fabrikhalle, in der so ziemlich alles schief geht. Fast hat man Mitleid mit dem armen Reporter (gespielt von Georg Schmiechen), der doch nur versucht, im Schweiße seines Angesichts der Wahrheit ein anderes Gesicht zu geben, während neben ihm ein kaltschnäuziger Nazioffizier (gespielt von Benjamin Jorns) auf und ab wippt.

Ich bin immer noch etwas skeptisch in meiner Meinung zur Inszenierung, denn manche Momente lassen mich irritiert zurück. Doch an dieser Stelle kann man sicherlich fragen, ob ein perfekter Theaterabend darin besteht, das Theater gänzlich ohne Zweifel zu verlassen. Brecht- Stücke werden immer seltener inszeniert, da sie laut Christian Schidlowsky als ausgeschöpft gelten. Ein Grund, so der Regisseur, sich erst Recht mit dem Stoff auseinander zu setzen. Brechts berühmter Verfremdungseffekt sollte dazu dienen, den Zuschauer zum Nachdenken zu bringen. In heutigen Zeiten, so der Regisseurs, ist der Effekt schon zu etabliert. Eine Irritation bleibt aus, sobald man sie vor ihrem Eintreten benennt und erwartet. Christian Schidlowsky  spricht in seinem Interview mit BR 2 daher von einer neuen Methode, mit der er diesem Problem entgegentreten möchte (auf die er jedoch nicht näher eingeht). Wenn meine zwiespältigen Gefühle, mit denen ich die Inszenierung verlasse, gewollt sind, dann hat er sein Ziel vielleicht erreicht. Manchmal kann Brecht durchaus gut tun. Eine schöne Inszenierung also – die auch gut ins diesjährige Programm der bayerischen Theatertage passt.

 Anna Greger

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