Über die Empathie zum Tier

Saftige Steaks. Die waren mal Lebewesen (Quelle: Wikimedia Commons/  PDPhoto.org).

Saftige Steaks – die waren mal Lebewesen (Quelle: Wikimedia Commons/ PDPhoto.org).

Spätestens seit Safran Foers Tiere Essen (Kiepenheuer & Witsch, 2010) oder Sue Donaldsons und Will Kymlickas Zoopolis (Suhrkamp, 2013) ist das Thema Tierethik im Zentrum des öffentlichen Diskurses gelandet und der Büchermarkt wird regelmäßig geflutet mit neuer diesbezüglicher Literatur. Wir geben eine knappe Übersicht über die neuesten, erwähnenswertesten – meist aus vegetarischer oder veganischer Perspektive verfassten – Werke.

Cover von "Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen" von Melanie Joy (Quelle: compassion media).

Cover von Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen von Melanie Joy (Quelle: compassion media).

Melanie Joy: Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen

Ein seltener beachtetes, aber dafür Maßstäbe setzendes Buch ist Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen. Karnismus – eine Einführung von der US-amerikanischen Sozialpsychologin Melanie Joy. Darin entwirft sie die genannte Sozialtheorie des Karnismus und belegt mit bestechender Logik und klaren, sachlichen Worten ihre These des willkürlichen Fleischkonsums. So zeigt sie etwa, dass verschiedene Kulturen nicht jedes Tier zum Schlachten und Verzehren nutzen, dies aber von Kultur zu Kultur differiert. Ihr Fazit: Die Mensch-Tier Beziehung fußt auf fremdbestimmter, aufoktroyierter Willkür, die als normal und damit von der Öffentlichkeit als legitim interpretiert wird. Sie geht auf die verschiedenen Formen des karnistischen Umgangs mit Tieren, also des Umgangs mit Tieren als nutzbare, „tote“ Wesen und auf deren Rechtfertigungsstrategien ein, beleuchtet die psychische Verinnerlichung dieses Phänomens und plädiert für eine empathische Wende des Karnismus, hin zum Mitgefühl mit dem Tier als Lebewesen. Ohne ständig den moralischen Zeigefinger zu erheben, beschreibt sie wissenschaftlich klare Fakten und Sozialtheorien.

Cover von "Tierethik" von Friedericke Schmitz (Quelle: Suhrkamp Verlag).

Cover von Tierethik von Friedericke Schmitz (Quelle: Suhrkamp Verlag).

Friedericke Schmitz (Hg.): Tierethik

Ein ebenfalls beachtenswertes Buch ist der von der Philosophin Friederike Schmitz herausgegebene Sammelband Tierethik. Grundlagentexte, indem sich Standarttexte im Umgang mit der Tiertethik versammeln, circa seit Mitte der 1980er Jahre, etwa mit Aufsätzen international anerkannter Moralphilosophen, wie Peter Singer oder Martha Nussbaum, bis hin zu aktuellen Auszügen aus Zoopolis. Unterteilt sind die Texte in drei Blöcke, nämlich zum moralischen Status der Tiere, den moralischen Beziehungen zu Tieren und den sozialen und politischen Kontexten. Es handelt sich dabei um einzelne erstmals oder auch wiederveröffentlichte Aufsätze und Buchauszüge, die ergo eine sehr breite, grundlegende Übersicht über die Thematik präsentieren. Dabei geht es auch um das Mitgefühl für Tiere, der Folgerung von Tierrechten aus den Menschenrechten, Diskursanalysen, ökosozialistische Ansätze oder politische Theorien im Umgang mit Tieren als eine Art Mitbürger. Auch hier haben nahezu alle breitgefächerten Ansätze Hand und Fuß, gehen aber unterschiedlich weit: Während etwa Autoren wie Evelyn Pluhar oder Gary L. Francione über den generellen moralischen Status von Tieren sprechen und den Vegetarismus oder Veganismus forcieren, setzen Kymlicka und Donaldson dies schon als erwiesene Communis Opinio voraus (was vielleicht für die Leser, aber nicht für die generelle Öffentlichkeit gilt) und entwickeln daraus politische Tierrechte.

Hilal Sezgin: Artgerecht ist nur die Freiheit

Cover zu "Artgerecht ist nur die Freiheit" von Hilal Sezgin (Quelle: Verlag C. H. Beck).

Cover zu Artgerecht ist nur die Freiheit von Hilal Sezgin (Quelle: Verlag C. H. Beck).

Erst vor ein paar Wochen sorgte das Manifest Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen der Journalistin, Philosophin und Gnadenhofbertreiberin Hilal Sezgin für Furore. Sie verfolgt oft moralapostelartig einen strikt veganen Ansatz, der nicht nur den Fleischverzehr, sondern auch jegliche Nutzung und nutzenbasierte Haltung von Tieren bekämpft. Leider findet sich in diesem Werk kaum Neues. Das Meiste, was Sezgin moniert, wurde schon von unzähligen anderen Autoren vorher kritisert. Oft beschränken sich ihre Auführungen auch auf die reine Reproduktion veganischer Binsenweisheiten. Dennoch hat das Werk eine Berechtigung, da sie beispielsweise einige interessante (etwa statistische)  Details liefert; etwa dass wir in rund anderthalbjahren so viele Tiere für unseren Nutzen töten, wie wir in den dreißig schlimmsten Kriegen an Menschen vernichtet haben. Solchen Vergleichen wohnt immerhin eine hohe, die Zweifler überzeugende Aufrüttelung und Krassheit inne. Auch sie argumentiert als Fazit klassischer Weise wieder mit der Empathie.

Es tut sich einiges im Bereich der Tierethik! Die Zahl der Veganer und Vegetarier wächst kontinuierlich und wir nehmen den Gebrauch von Tieren teils schon nicht mehr als selbstverständlich hin und jedes weitere Werk, das irgendwie zu Diskussionen beiträgt, hat insofern seine Berechtigung, als es die sogenannten Karnisten unter Zugzwang und Legitimationsdrang setzt. Dabei sollte vor allem Joys Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen als Standartwerk der Tierethiker fungieren, während Schmitz´ Tierethik thematisch am vielfältigsten und übersichtlichsten ist. Als basale Einführung tauglich ist jedoch auch Sezgins Artgerecht ist nur die Freiheit. Die gemeinsamen Grundlagen, auf denen alle diese Texte basieren – und die gerne im öffentlichen Diskurs übersehen werden -, ist die Empathie zum Tier sowie der Fakt, dass Tiere Lebewesen und ergo Teil unseres politischen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Soziallebens sind. Auch werden die Tierethiker endlich progressiver und radikaler, denn während Foer noch moderat und pragmatisch hoffte, die Leser zu überzeugen, einfach weniger Fleisch zu essen, sind die Positionen der neueren Werke konsequenter, stingenter sowie kategorischer und lehnen die Tötung oder Ausbeutung von Tieren generell ab.

Melanie Joy: Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen. Karnismus – ein Einführung, übersetzt von Achim Stammberger, mit einem Vorwort von Hilal Sezgin, ompassion media, Münster 2013. Taschenbuch, 240 Seiten, 20,00 Euro.

Friederike Schmitz (Hg.): Tierethik. Grundlagentexte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. Taschenbuch, 589 Seiten, 24,00 Euro.

Hilal Sezgin: Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für Tere oder Warum wir umdenken müssen, Verlag C.H. Beck, München 2014. Taschenbuch, 301 Seiten, 16,95 Euro.

Philip J. Dingeldey

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