Nichts, wie es scheint

Cover zu Haus der 13 Mörder (Quelle: art & words-Verlag).

Cover zu Haus der 13 Mörder (Quelle: art & words-Verlag).

„Dieser Mistkerl! Er hat es schon wieder getan!“ Mit diesen Worten beginnen die meisten der 15 Kurzgeschichten, die – nach der Idee und Umsetzung von Anne Hassel und Ursula Schmid-Spreer – zusammen die Nürnberger Kriminalgeschichte Haus der 13 Mörder ergeben, herausgegeben vom Nürnberger Verleger und Autoren Peter Hellinger.

Insgesamt zehn Autoren mit einem biographischen Bezug zu Nürnberg schrieben die einzelnen Texte, wobei das Erstaunliche dabei ist, dass sie beim Schreiben selbst nicht wussten, wer der Täter ist und wie dieses Buch, das zwischen Kriminalanthologie und –roman umherlaviert, ausgehen würde. Der Kreationsprozess klingt zwar chaotisch und komplex, doch die Umsetzung kann sich sehen lassen.

Denn der Inhalt des Buches kommt diesem spannenden, ehrgeizigen Konzept entgegen: Siegfried Krötz, der Hausmeister in einem Hochhaus am Nürnberger Wöhrder See ist – wie der erste Satz schon sagt – ein Mistkerl par excellence, der die 13 Hausbewohner mobbt und piesackt, wo es nur geht: Etwa zeigt er sich als sexistisch, rassistisch und homophob, macht sich über den vermeintlichen Frauennamen Andrea eines italienischen Clowns lustig oder beleidigt den Kunstgeschmack mancher, sperrt aber sogar alte Frauen im Lift ein, stiehlt oder versucht ganze Existenzen zu vernichten und zwar auffällig intensiv. Das ganze Buch – was unorthodox für einen Krimi scheint – zeigt also aus der Perspektive der einzelnen Bewohner, wie jeder von ihnen ein Mordmotiv ansammelt und aktive Lust auf Lynchjustiz bekommt, sodass jeder der 13 Bewohner ein Mörder sein könnte. Erst am Schluss wird dann Krötz tot in seiner Werkstatt aufgefunden, in Anwesenheit der Bewohner.

Freakshow der Protagonisten

Es gelingt den Autoren, die meisten Protagonisten salopp als unsympathische, manchmal auch stereotype Freaks darzustellen, obgleich sie aus deren Perspektive erzählen, ob es sich nun um das selbstgerechte, kinderlose Lehrerpaar, einen verrückten Professor, eine hochnäsige Studentin, alleinerziehende Übermütter mit schrillen Quälgeistern, schrullige alte Damen oder Pseudodiven handelt; alle haben, außer dass sie Opfer von Krötz´ alltäglichem Wahnsinn werden, etwas Unsympathisches an sich, was sie verdächtig erscheinen lässt.

Stilistisch haben sich die Autoren an einem simplen, klaren und fluiden Stil angeglichen, wobei stilistische Besonderheiten, die ja einer Anthologie per se inhärent sind, sich durch die diversen Perspektiven der Erzähler einfach legitimieren lassen. Größtenteils sind die Kurzgeschichten lesenswert, jedoch wirken etwa Alex Conrads Dialoge manchmal recht gekünstelt und Inge Steinmüller hat Probleme mit den Übergängen. Die Kontinuität der Handlung gelingt auch – was ob der vielen Autoren besonders erstaunt – recht gut, die Texte sind äquivalent aufgebaut; Krötz wird etwa immer als boshafter Hausmeister im speckigen Blaumann und mit hässlichem Toupet geschildert (außer bei Michael Kress; da ist es ein Graumann). Während die meisten den Hausmeister oberlehrerhaftes Deutsch parlieren lassen, lässt sich aber Schmid-Spreer nicht davon abhalten, ihn als primitiven Fränkler darzustellen. Leicht irritierend finde ich persönlich auch die, dem sonstigen kompetenten Stil unwürdige Comicsprache, die etwa Kress oder Schmid-Spreer partiell verwenden. Stilistisch beeindruckt dafür das Ende von Josef Rauch durch den schnoddrigen und frechen Ton des Privatdetektivs, der den am Ende eintretenden Tod in paar Seiten aufklärt.

Die Norikuswohnanlage am Wöhrder See in Nürnberg. Sie könnte die idyllische Szenerie der Tragödie darstellen. (Quelle: Wikimedia Commons,/ Aarp65).

Die Norikuswohnanlage am Wöhrder See in Nürnberg. Sie könnte die idyllische Szenerie der Tragödie darstellen. (Quelle: Wikimedia Commons,/ Aarp65).

Kein typischer Krimi

Die längste Zeit des Buches, wirkt der Casus nicht wie ein Krimi, die kurze Auflösung am Ende zeigt jedoch, dass die Motibsuche der entscheidendste Teil einer perfid geplanten theatralischen Inszenierung war und gibt damit eine sehr unerwartete Wendung, die schon Hassel in der Einleitungsstory andeutete – obgleich das Ende schon geringfügige Parallelen zu Agatha Christies Mord im Orientexpress aufweist. Alles in allem handelt es sich bei Inhalt und Konzept um einen sehr gelungen und manchmal auch spannenden Nürnberg-Krimi, bei dem man, zusammen mit den unsympathischen Protagonisten, beginnt, Krötz zu hassen. Lediglich stilistisch treten vereinzelte Ungereimtheiten auf, die sich – angesichts der Autorenanzahl – wohl nicht vermeiden ließen.

Peter Hellinger (Hrsg.): Haus der 13 Mörder. Ein Nürnberg-Krimi, art & words – verlag für kunst und literatur, Nürnberg 2014. Taschenbuch, 161 Seiten, 11,00 Euro. Weitere Informationen gibt es unter: http://art-and-words.de/index.php/programm/buecher/160-13moerder

Philip J. Dingeldey

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