Am letzten Mittwoch wurde die Begleitausstellung zur neuen Theaterproduktion des Gostner Hoftheaters eröffnet. Die Designstudentin Simona Leyzerovich und der freischaffende Künstler und Designer Julian Vogel präsentierten ihre kreativen Überlegungen zum NICHTS:
Wir betreten das LOFT, die gemütliche Gostner Theaterkneipe, und sehen erst einmal – nicht so viel. Statt Bildern ist nur ein großflächiges gelbes Laken an der Wand befestigt, das den mit rosa Klebeband aufgebrachten Schriftzug „NICHTS“ trägt. Wir fragen uns sofort, ob die Künstler den Mut haben, das Thema mit – eben nichts – umzusetzen! Werden die drei Musiker auf der Bühne überhaupt spielen? Oder nur mit ihren Instrumenten dasitzen und das „NICHTS“ zelebrieren?
Arno Lang, Yevgeniy Davydov und Christoph Pena fangen doch irgendwann an, mit ihrem gediegenen Akustik-Gitarren-Sound die Vernissage zu eröffnen. Danach loben die beiden Künstler das Publikum, weil es wegen „nichts“ gekommen sei. Sie hätten eigentlich auch „nichts“ zu sagen. Die Wortspielereien begleiten die Rede der beiden, obwohl es durchaus konkreter wird: Zunächst gehen Leyzerovich und Vogel kurz auf Janne Tellers Roman „Nichts – Was im Leben wichtig ist“ ein. Dieser bildet die Vorlage für die Ausstellung und das gleichnamige Theaterstück, das nächste Woche seine Premiere hat. Er kreist um den Sinn und die Bedeutung des Lebens, um Werthaltungen und Prinzipien: Ein Junge sitzt im Pflaumenbaum und tut nichts, außer seine Mitschüler mit Pflaumen zu bewerfen, weil nichts irgendetwas bedeutet. Die Mitschüler ärgern sich trotzdem und häufen einen Berg von Bedeutung an – gegen das Nichts. Die Fortsetzung steht in Tellers Roman. Leyzerovich und Vogel erklären, dass die Umsetzung des Themas recht schwierig war – was man ihnen sofort glauben mag. Dennoch haben sie es am Ende geschafft, „einen Hauch von Nichts“ zu illustrieren.
Mit diesen Worten wird das Laken von der Wand gezogen und nun wird das Kunstwerk erst sichtbar. Vielmehr sind es viele kleine Kunstwerke, denn das flächendeckende Gemälde (750 x 125 cm) besteht aus 150 quadratischen Bildern (25 x 25 cm). Zusammengefügt zeigen sie, eingebettet in geometrische Formen, wiederum den Schriftzug „NICHTS“, der in Schichten übermalt wurde. Mit der Übermalung entstehen weitere Ebenen, die kleinen Bildnisse entwickeln durch verschiedene Motive ein Eigenleben. Gesichter, Hände, Blumen und vor allem Sprüche wecken fragmentarisch die Aufmerksamkeit, amüsieren oder machen nachdenklich: „wir tun einfach so, als ob“, „überhaupt nichts. Nichts. Gar nichts“, „Ich weiß nicht, ob es schlimm war oder nicht“ oder „Ich bekam Angst. Mehr Angst. Am meisten Angst.“ Die vielen kleinen Zeichnungen wirken beliebig und fügen sich in die geometrischen Strukturen ein. Eine Idee von Julian Vogel, der später erklären wird, das in seiner Vorstellung die Annäherung an NICHTS eine gewisse Ordnung hat, weil sie alles reduziert. Was ist NICHTS? Ein Vakuum, ein Konstrukt, ein schwarzes Loch, eine weiße Bildfläche? Die Gesamtcollage zeigt Farbverläufe von schwarz nach weiß, alles scheint in Auflösung begriffen zu sein.
Der Betrachter hat jedoch kaum Zeit, die vielen Eindrücke auf sich wirken zu lassen, denn nun beginnt eine Performance, die die Anwesenden miteinbezieht und Teil des Ganzen werden lässt. Julian Vogel fordert das Publikum dazu auf, die kleinen Bildnisse für einen Mindestpreis von elf Euro zu kaufen: „Wir wollen, das nichts mehr übrigbleibt!“ Wie auf einem Basar geht es nun zu, Simona Leyzerovich nimmt die „Bestellungen“ der Leute entgegen und nimmt die genannten Einzelbilder aus der Collage. In kurzer Zeit entstehen große Lücken, das Gesamtbild löst sich innerhalb weniger Minuten auf. Es löst sich buchstäblich in NICHTS auf, denn unter der Collage erscheint nun in dritter Ebene wiederum der Schriftzug „NICHTS“, diesmal in orangenen Lettern. NICHTS löst sich immer wieder in NICHTS auf, trotz aller Mühen bleibt es NICHTS. Auch 150 x NICHTS = NICHTS. Oder aber man bevorzugt das positive Verständnis der Buddhisten: NICHTS ist die Voraussetzung dafür, das etwas existiert. Die beiden Künstler haben dicht am Wort gearbeitet, weil dieses, so Leyzerovich, für sich spricht. Der Schriftzug, die Buchstaben, sie lösen sich immer wieder auf und führen zu NICHTS. Man kann nur erahnen, was das NICHTS ist.
Die Ausstellung beziehungsweise das, was noch von ihr übrig ist (denn noch sind nicht alle 150 Bilder verkauft – eure Chance!), ist noch bis 26. April (Mi. – Sa., 19 – 24 Uhr) im LOFT zu sehen. Am nächsten Mittwoch, 12. April, findet um 20 Uhr die Premiere der Gostner Eigenproduktion „NICHTS. Was im Leben wichtig ist“ statt. Weitere Vorstellungen könnt ihr vom 13. März bis 5. April, immer Mi./ Do. um 19.30 Uhr und Fr./ Sa. um 20 Uhr besuchen.
Gostner Hoftheater, Austraße 70 in Nürnberg; Info: www.gostner.de
Eva Poll