Wer glaubt, in dem ganzen Stress einen Weihnachtskoller zu bekommen, könnte durch dieses schonungslose Buch die nötige Erlösung finden: T. J. Forresters zweiter Roman Kings of Nowhere, kürzlich in Blumenbar beim Aufbau Verlag erschienen und übersetzt von Teja Schwaner. Der Roman beschäftigt sich direkt mit der Frage, ob der Mensch sich selbst ändern kann.
Eine junge Wissenschaftlerin, ein angeblicher Halbindianer und ein Drogensüchtiger – für sie alle ist der Appalachian Trail die letzte Chance: Simone muss ihren verweichlichten Freund abschütteln sowie ihr Bedürfnis, Menschen aus großer Höhe hinabzustoßen, Richard kämpft gegen seine Alkoholsucht und Taz, der Ich-Erzähler, wurde vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen und versucht sowohl seine Drogensucht zu besiegen als auch seine gestörte Beziehung zu seinem kürzlich verstorbenen Vater zu verarbeiten. Abseits der Zivilisation durchstreifen die Drei einzigartige Landschaften, erleben Freundschaft und Liebe, aber auch Neid, Hass und Tod. Und immer wieder stellt sich ihnen die Frage: Kann der Mensch sich ändern?
Ein moderater Charles Bukowski
Forrester nimmt kein Blatt vor dem Mund: Oft geht es ziemlich direkt und derb um Sex oder Gewalt, was sowohl die Vergangenheit der Protagonisten als auch ihre Zeit auf den Trail betrifft. Durch diese schonungslose, realistische Offenheit von solchen Faktoren oder der Schilderung des sozialen Elends der drogensüchtigen Clique um Taz oder dessen Vater und Hundemörder, erscheint Forrester fast wie eine moderate Version des einzigartigen Charles Bukowski. Mal schreibt er etwa derb-humoristisch über Sexualität (Zitat: Muss ´ne verdammt leckere Pussy zu bieten haben, dass sie mit dir so umspringen kann), mal neutral, jedoch nie pornographisch-detailliert. Nur, was die eine homosexuelle Sexszene betrifft, scheint Forrester unfähig, diese zu explizieren und bleibt in einem abstrakten Dunst.
Vom Aufbau her ist der Roman ebenfalls sehr abwechslungsreich: Je ein Kapitel aus der Perspektive von Taz, in denen seine Vergangenheit und Gegenwart behandelt wird, wechselt sich ab mit Kapiteln über (meist ältere) Menschen, die am Trail leben und etwa den Thru Hikern Unterkunft gewähren – vor allem dadurch wird Einseitigkeit verhindert und es entsteht ein soziokulturelles Panorama, abseits der Urbanität.
Die Änderungsmöglichkeit des Menschen

Mount Katadhin am Ende des Appalachian Trail (Urheber und Quelle: Hadrianopolis/ Wikipedia Commons).
Fast einseitig dagegen und recht pessimistisch wird die im Zentrum stehende Frage nach der Änderungsmöglichkeit des Menschen beantwortet. Zwar treten die drei Hauptfiguren an, um ihr Leben zu ändern – hauptsächlich zwecks Drogensuchtbekämpfung – und es entstehen zahlreiche Dispute zwischen Taz und Simone, da Simone meint, Gene würden den Menschen determinieren und Taz idealistisch zumindest daran glaubt, sich selbst geändert zu haben; jedoch ist der Ausgang des Roman tragisch sowie grausam und lässt einen größtenteils an der Änderbarkeit menschlichen Handelns zweifeln. Diese literarische Betrachtung einer solchen soziologisch-philosophischen Frage erscheint doch recht zynisch, resignativ und reichlich undifferenziert. Ebenso pauschal – so pauschal, dass es schon wieder falsch wird – ist leider ebenfalls Taz´ Schlussfazit, dass der Tod ja nicht die Antwort auf soziale Probleme sei.
Bis auf den philosophisch misslungenen, obgleich spannend geschriebenen Schluss, ist Kings of Nowhere schon lesenswert und besticht, zwecks antiweihnachtlicher Atmosphäre, durch rohe, schonungslose Offenheit und tiefe Emotionen.
T. J. Forrester: Kings of Nowhere, übersetzt von Teja Schwaner, Blumenbar bei Aufbau Verlag, Berlin 2013. Gebunden, 236 Seiten, 16,99 Euro. Siehe auch: http://www.aufbau-verlag.de/index.php/kings-of-nowhere.html?SID=6a770f075f6678e311b55cbac66efc0f.
Philip J. Dingeldey