Die Moral des Dissidenten

Die Darsteller der "Vanek-Trilogie" in der Straße der Menschenrechte in Nürnberg (Quelle: Kofferfabrik).

Die Darsteller der „Vanek-Trilogie“ in der Straße der Menschenrechte in Nürnberg (Quelle: Kofferfabrik).

Anlässlich des zweiten Todestages des Schriftstellers, Menschenrechtsaktivisten und ehemaligen Präsidenten Tschechiens, Václav Havel, am heutigen Tag, feierte gestern KUNST UND DRAMA in der Kofferfabrik die Fürth-Premiere seiner Vanĕk-Trilogie, in der Inszenierung von Friederike Pöhlmann-Grießinger.

Die Vanĕk-Trilogie besteht aus drei Einaktern: In Audienz spricht der Schriftsteller Ferdinand Vanĕk mit einem Braumeister, bei dem er zu arbeiten gezwungen ist, da er zu Zeiten des Sowjetsystems ein Oppositioneller ist. Der Braumeister bittet ihn erfolglos, seine Ideale zu verraten und dem Überwachungsstaat Informationen zu geben. In Vernissage trifft Vanĕk seine Bekannten Michael und Vera, in deren mit kuriosen Antiquitäten gefüllten Wohnung, die sich nur noch auf unpolitische Banalitäten fixieren und diesen Lebensstil auch Ferdinand aufdrängen wollen. Im letzten satirischen Stück, Protest, besucht Vanĕk den Schriftsteller Jan Stanek, der zwar inoffiziell mit der Opposition sympathisiert, aber sich, wenn es um sein eigenes Engagement geht, hin und her windet, um nicht aktiv werden zu müssen.

Bei den Dramen, die in der zugigen und kalten Kofferfabrik präsentiert wurden, gelang es vor allem, indem es kaum Kürzungen oder Textänderungen gab, das Groteske und Absurde der Situationen, mit denen der Protagonist konfrontiert wurde, wenn er auf Duckmäuser, Biedermänner und Konformisten traf, zu vermitteln. Vor allem die rituelle Redundanz in den Dialogen, die die Unzulänglichkeit der Charaktere demonstrierte, unterstrich Havels Botschaft gegen die Doppelmoral. Schon in der Anmoderation durch die Regisseurin, in der sie kurz – aber rhetorisch misslungen – über Havels Leben referierte, wurde klar, dass es ihre Intention war, seine Menschenrechtsarbeit zu ehren und das Ganze in den zeitlosen Kontext von staatlicher Überwachung und Repression zu stellen.

Im zeitlosen Kontext von staatlicher Überwachung und Repression

Die Darbietung der Audienz zu Beginn war nett: Mit einfachen Bühnenmitteln wurde die Szene im Büro des Braumeisters authentisch, aber wenig experimentell aufgeführt, wobei der Braumeister, dargestellt von Heinrich Filsner, durch seine Monotonie, gut die Absurdität der Situation und die Überforderung des Braumeisters vermittelte.

Experimenteller war da schon Vernissage: Die überbordende Wohnung von Vera und Michael wurde reduziert und humoristisch verfremdet, indem etwa ein Beichtstuhl durch einen einfachen Stuhl und eine Madonnenfigur durch einen Puppe verkörpert wurde. Auch, dass das Ehepaar eher zueinander und zum Publikum sprach, als zu ihrem Gast, verdeutlichte, dass ihnen dieser eigentlich egal war, es ihnen de facto nur darum ging, ihm einen bourgeoisen und konformen Lebensstil, von dem sie selbst kaum überzeugt waren, aufzuoktroyieren. Leider wurde diese intelligente Version durch einige Stocker von Seiten Andrea Burgers als Vera unterminiert.

Absurdität, erzeugt durch simple und effektive Methoden

Václav Havel im Jahr 2009. (Quelle: Ben Skála/ Wikipedia Commons).

Václav Havel im Jahr 2009. (Quelle: Ben Skála/ Wikipedia Commons).

Qualitativ den anderen Stücken weit voraus war jedoch Protest, das KUNST UND DRAMA auch schon 2012 in Nürnberg und Zürich aufführte. Dieses war am besten konzipiert und vorbereitet. Wieder wurde mit reduzierten und simplen Methoden gearbeitet, die hier vor allem die These, dass in Unrechtsregimen leider nur noch die Dissidenten ethisch-politisch handeln, in das Zentrum der dramatischen Betrachtung rückten. Im Angesicht des sich selbstverleugnenden, amoralischen Wendehalses Stanek, haben weder Havel noch die Regisseurin hier aufgelöst, inwieweit die Menschenrechtsarbeit in autoritären Systemen zur Resignation führt.

Insgesamt handelte es sich bei dieser Inszenierung der Vanĕk-Trilogie um einen anständigen Theaterabend, bei dem vor allem Gerald Arp als Ferdinand überzeugte; durch sein schlaksiges Äußeres, mit dem er Unsicherheit, Nervosität und Mangelerscheinungen suggerieren konnte, sowie durch seine überzeugende Mimik, Gestik und Intonation.

 

Für weitere Theateraufführungen in der Kofferfabrik, Lange Straße 81, 90762 Fürth, siehe: http://kofferfabrik.cc/theater/theater.html.

KUNST UND DRAMA – Institut für theatralische Formen führt am 08. Mai 2014 erneut die Stücke „Audienz“ und „Protest“ in Nürnberg (Fenster zur Stadt) um 20 Uhr auf. Weitere Infos zu ihrem Programm gibt es unter: http://www.kunstunddrama.de/termine/frame.html

Philip J. Dingeldey

 

 

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