Alltagsnahe, gefühlvolle Poesie

Der Duft des Regens. Quelle: Insel Verlag

Der Duft des Regens. Quelle: Insel Verlag

Seit Alice Munro den Literaturnobelpreis gewann, sind die kanadische Literatur und Frauenschicksale wieder in den feuilletonistischen Fokus geraten. Ein Grund, sich Frances Greenslades schillernden Debütroman Der Duft des Regens anzusehen: Dies ist eine starke, emotionale Geschichte von Müttern und Töchtern, der Liebe unter Schwestern, von Tod, Verlust, Verletzlichkeit, Enttäuschungen und dem Erwachsenwerden.

In Duchess Creek, einem rückständigen Dorf in den westlichen Wäldern Kanadas, wachsen die Geschwister Jenny und Maggie (die Ich-Erzählerin) wohlbehütet bei ihren Eltern auf. Als aber der Vater umkommt und so auch die finanzielle Existenz stirbt, lädt die Mutter ihre Kinder – angeblich vorläufig – bei einer anderen Familie ab und verschwindet dann spurlos. Nach Jahren der Enttäuschung macht sich Maggie auf die Suche nach der Mutter und erfährt dabei von deren dunkler Vergangenheit.

Der Roman erschien 2012 auf Deutsch, feinfühlig übersetzt von Claudia Feldmann, im Mare Verlag; diesen Oktober  brachte ihn aber auch der Insel Verlag heraus und ermöglichte ihm eine größere Bühne – größtenteils zu Recht. Der Roman ist sehr filigran gestaltet und in drei Teile unterteilt, nämlich Nahrung, Wasser und Feuer. Dies demonstriert sowohl die Naturverbundenheit der Geschichte als auch die enge Beziehung von Maggie zu ihrem Vater, der ihr vermittelt, dass beim Überleben in der Natur eben diese Dinge Priorität haben.

Nostalgie der Natur

In Nahrung,  die etwa die Hälfte des Buches füllt, wird nostalgisch und – trotz der effektiven atmosphärischen Narration – etwas zu langatmig das harmonische Kinderleben geschildert, mit Waldausflügen, Bädern, Spielen und Indianern etc., das jäh vom Tod des Vaters zerstört wird. Die Erzählung plätschert vor sich hin, bleibt jedoch interessant, zumal singuläre Vorweggriffe, Maggies sorgenvoller Charakter oder soziale Probleme im Dorf auch Erwähnung finden und die naive Nostalgie gekonnt (fast á la Heinrich Heine) durchbrechen.

Doch die Tragödie nimmt in Wasser ihren Lauf – wie eine Flut brechen die Probleme über sie hinein – und die Mutter lässt die Kinder bei einer anderen Frau, Bea. Hier werden das langsame Erwachsenwerden der Geschwister und die sozial-familiären Verluste authentisch geschildert. Nervig erscheinen nur die langen Briefszenen zwischen Maggie und Jenny, welche schwanger von Bea weggeschickt wurde, in denen Jenny eher platt ihre Empfindungen preisgibt.

Ein kanadischer Herbsttag in der Natur. Eine der typischen Szenen in "Der Duft des Regens". Quelle: Astrid Haindl/ pixelio.de

Ein kanadischer Herbsttag in der Natur. Eine der typischen Szenen in „Der Duft des Regens“. Quelle: Astrid Haindl/ pixelio.de

Gefühlvoll, ganz ohne Kitsch

Im knappen, letzten Teil, Feuer – dem Brandherd und eigentlichem Zentrum der Geschichte –, macht sich Maggie endlich auf die Suche nach ihrer Mutter und kehrt in die Dörfer ihrer Kindheit zurück und erfährt schließlich von der Geschichte ihrer Mutter, bevor diese den Vater kennenlernte, und wie traurig es mit ihr weiterging, nachdem sie die Kinder zurückließ. Hier geht dann alles schnell, es scheint vereinzelt, als ob Greenslade die Puste ausgegangen wäre, nach der überlangen Exposition.

Ergo handelt es sich um einen sehr gefühlvollen, fesselnden, traurigen und authentischen Roman, der mit seinem klaren, alltagsnahen und zugleich poetischen Duktus gekonnt jeden schmalzigen Kitsch umschifft; mit ein paar Mankos, die aber in Anbetracht der generellen Kunstfertigkeit Greenslades eher marginale Bedeutung haben.

 

Frances Greenslade: Der Duft des Regens. Roman, übersetzt von Claudia Feldmann, Insel Verlag, Berlin 2013. Taschenbuch, 366 Seiten, 9,99 Euro.

 

Philip J. Dingeldey

 

 

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