Cyrano de Bergerac – Ein Mantel-und-Degen-Stück mit Finesse

Hof-Cyrano12-KathrinHolighausDurch die Türen des Schauspielhauses in Nürnberg strömt das Publikum aus dem ersten sommerlichen Abend in Franken seit Wochen in den kühlen Zuschauerraum des Theaters und somit in das nebelverhangene Paris des 17. Jahrhunderts.

Im Rahmen der 31. Bayerischen Theatertage zeigt das Staatstheater ein Gastspiel des Theater Hof: Cyrano de Bergerac, eine romantische Komödie in fünf Aufzügen von Edmond Rostand.

Das Stück basiert auf der historischen Figur Hector Savinien de Cyrano de Bergerac, einem verkannten französischen Dichter, welcher durch Rostands Feder, nach gut 200 Jahren, zu einer Heldenfigur auserkoren wurde. Heute, am 8. Juni 2013, erlebt das Publikum die harmonische Interpretation des Hofer Intendanten Reinhardt Friese. Das Stück bietet nahezu alles: Drama, Witz, Freundschaft, Verrat, Heldenmut, Liebe und auch den Tod. Kurzum: Es verspricht ein spannender Abend zu werden.

Raufbold und PoetHof-Cyrano15-KathrinHolighaus

Spannend ist auch Rostands Hauptfigur Cyrano (gespielt von Marco Stickel). Er ist nicht nur Poet, Philosoph und Musiker, sondern auch ein rauflustiger und stadtbekannter Haudegen, welcher seiner Meinung nach ein einziges großes Manko besitzt: seine Nase! Diese entstellt ihn in seinen Augen so sehr, dass er sich bis jetzt noch nicht einmal getraut hat, seiner wunderschönen Cousine Roxane (Antje Hochholdinger) seine Liebe zu gestehen. Als er sich schließlich doch ein Herz fasst, kommt sie ihm jedoch zuvor und offenbart ihm, dass sie sich in einen seiner Kadetten, den Schönling Christian de Neuvilette (Oliver Hildebrandt), verliebt habe.

Christian erwidert ihre Liebe, hat geistig allerdings nicht annähernd so viel zu bieten wie Cyrano und sich aus diesem Grund bislang nicht gewagt die Angebetete anzusprechen, geschweige denn ihr seine Gefühle zu beichten, ist ihm doch bekannt, dass Roxane sich nur für einen wahren Poeten erwärmen könne. So beschließt Cyrano, dem jungen Schönling, obwohl es ihm sichtlich schwer fällt, in Sachen Poesie unter die Arme zu greifen. Die beiden Männer werben nun gemeinsam unter Christians Namen um Roxanes Gunst und haben schließlich Erfolg.

Il n’y a pas d’amour heureux – Es gibt keine glückliche Liebe

Cyranos dichterische Kunstfertigkeit, welche sie Christian allein zuschreibt, begeistert Roxane. Sie verfällt ihm mehr und mehr und heiratet ihn auf Drängen von Bergerac, welcher sie dem Grafen Guiche (Jörn Bregenzer) entziehen will. Dieser wiederum, erzürnt, dass er nun Roxane nicht mehr für sich haben kann, schickt Cyrano und Christian mit ihrem Regiment an die Kriegsfront, um sich zu rächen.

Doch auch an der Front, ausgehHof-Cyrano3-KathrinHolighausungert und verletzt, schafft es Cyrano, Roxane mehrmals täglich in Christians Namen Briefe zu schicken. Es sind diese Briefe, welche Roxane schließlich ins Lager treiben, um ihrem geliebten Mann zu gestehen, dass sie ihn nicht mehr wegen seiner schönen Erscheinung liebt, sondern, dass sein Geist ihr vielmehr genüge, ja, sie ihn sogar noch lieben würde wenn er hässlich wäre. Für Christian ein Schock, war doch Cyrano und nicht er die ganze Zeit über für all die Liebesgeständnisse an Roxane verantwortlich. Er bittet Cyrano, Roxane die Wahrheit über ihren Bund zu sagen, während er sich ins Kriegsgeschehen stürzt. Bevor jedoch die Wahrheit ans Licht kommt, ereilt das Lager die Nachricht von Christians Tod. Um der zutiefst betroffenen Roxane nicht die Erinnerung an ihren Mann zu zerstören, schweigt Cyrano.

14 Jahre lang hütet Cyrano de Bergerac sein und Christians Geheimnis, bis Roxane, welche sich in ein Kloster zurückgezogen hat, hinter den Schwindel kommt. Zugleich bestürzt und erfreut ob der Nachricht, gesteht sie Cyrano unter Tränen ihre unbändige Liebe. Doch dieser lehnt ihre Zuwendung ab, da er nicht glauben kann, dass ihre Liebe ein gutes Ende nehmen soll. Er stirbt wenige Augenblicke später an einer Kopfverletzung, welche er sich auf dem Weg zu seiner Cousine zugezogen hat. Zurück bleibt eine erneut trauernde Roxane.

Nichts ist wie es scheint …

Auf den ersten Blick scheint Reinhardt Frieses Inszenierung das Stück in seiner Zeit zu belassen: historische Kostüme, getragene Sprache und eine Geschichte die die gesellschaftlichen Verhältnisse des 17. Jahrhunderts widerspiegelt. Doch wenn man genauer hinschaut, kann man eine raffinierte Umsetzung erkennen.

So besteht das Bühnenbild größtenteils nur aus gepolsterten, kniehohen Holzbänken. Anfangs dienen sie der Darstellung des Theaters, in welchem das Stück beginnt, doch dann wandeln sie sich zur Wand, welche zu Roxanes Haus gehört, einem Schankraum, dem Kriegslager und den Klostergängen. Aus dem Theater entsteht die Szenerie des gesamten Stückes. Trotz allem hat der Zuschauer bei jeder neuen Szene das Gefühl, sich in einer reich ausgestatteten, völlig neuen Umgebung zu befinden.Hof-Cyrano16-KathrinHolighaus

Doch nicht nur das Bühnenbild wandelt sich fortwährend, auch unter den Figuren findet sich dieser Wandel wieder: die ganze Aufführung über tritt immer wieder eine Sängerin (Birgit Reutter) hervor, die sich nach Ende der Lieder wieder in eine andere Figur des Stückes verwandelt.

Auch die Charaktere, welche zunächst ganz simpel und eindeutig zu sein scheinen, erweisen sich mit der Zeit als vielschichtiger und komplexer als zunächst angenommen. Cyrano, der zwar im Kampf unerschrocken ist, sich jedoch nicht traut aufgrund seines Äußeren Roxane seine Liebe zugestehen. Zum Schluss merkt er jedoch, dass er sich von Anfang an hätte trauen können, da seine Angebetete ihn wahrscheinlich trotz der großen Nase geliebt hätte. Christian, welcher zwar von Roxane geliebt wird, dies aber nicht nur aus eigener Kraft schafft, sondern wegen seiner fehlenden Kunstfertigkeit in der Dichtkunst Hilfe von seinem Nebenbuhler braucht. Letztendlich muss er erkennen, dass seiner Frau sein hübsches Äußeres nicht ausreicht und er ihr wohl nie genügen wird. Auch Roxane ist nicht nur die schöne Liebende. Sie verliebt sich zwar in den ebenfalls schönen Christian, doch merkt auch sie schnell, dass ihr sein hübsches Aussehen nicht ausreicht und sie auch seinen poetischen Geist braucht. Am Schluss muss sie dann erkennen, dass Christian nicht der war, den sie geliebt hat.

Die knapp zweieinhalb Stunden im düsteren, nebeligen Frankreich vergehen dank der unglaublichen schauspielerischen Leistung des Hofer Ensembles wie im Flug. Mit beeindruckenden Fechteinlagen, wunderschönen Kostümen und trotz des tragischen Endes viel Humor, bietet Reinhardt Friese einen Theaterabend wie man ihn sich nur wünschen kann.

Anna Stärtzel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert