Von grausamer Rache und Vergeltung

Jochen Quast: Hermann Große-Berg, Christian Heller

Jochen Quast: Hermann Große-Berg, Christian Heller

Wer kennt nicht die Figur des jüdischen Wucherers Shylock von William Shakespeare? Als Robin Telfer in der letzten Spielzeit Dürrenmatts „Das Versprechen“ inszenierte, stiegen am Theater Erlangen die Besucherzahlen. Nicht weil die Erlanger Dürrenmatt besser kennen als Kleist, sondern weil das Stück einen Sog entwickelte, dem man sich nicht so leicht entziehen konnte. Dieser Sog findet sich in dieser Spielzeit bei „Der Kaufmann von Venedig“ wieder. Schon vor der Premiere hatte ich die Möglichkeit, mir eine der Hauptproben anzusehen. Ein großes Schauspiel!

Jochen Quast: Violetta Zupancic, Oliver Konietzny

Jochen Quast: Violetta Zupancic, Oliver Konietzny

Der Komödiant

Als eine der großen Tragödien Shakespeares gilt „Der Kaufmann von Venedig“. Robin Telfer (Regie) gelingt es jedoch im ersten Teil, mit allerlei Possenspiel und tiefgehendem Humor sowohl der Figur des Shylock als auch den Nebenfiguren eine gute Portion Witz zu entlocken. Shylock selbst kennt das Bild, das die Christen von einem Juden wie ihm haben und macht sich mit dessen Hilfe über sie lustig. Sein Diener, ein echter Trottel und  ausgefeilter Zanni der Commedia dell’Arte wird gespielt von Daniel Seniuk, dem Liebling der Saison, der u.a. auch die werbenden Prinzen im Schloss der Portia (Violetta Zupancic) übernimmt, einer schräger als der Andere und ein wahres Schmankerl.

Jochen Quast: Christian Heller, Hermann Große-Berg

Jochen Quast: Christian Heller, Hermann Große-Berg

Die Tragödie

Aber es kommt, wie es kommen muss: Im zweiten Teil fühlt sich der Jude Shylock mit jeder Minute gedemütigter, immer mehr will er Rache, unerbittlich fordert er sein Pfand – ein Pfund Fleisch aus dem Körper seines Konkurrenten Antonio (Hermann Große-Berg). Zu viel Schmach hat er von dessen Seite erfahren müssen. Und jetzt hat sich auch noch seine Tochter (Janina Zschernig) gegen ihn gewandt, ist mit einem widerlichen Christen getürmt und verprasst sein Geld. „Gerechtigkeit,“ schreit er. Der Hass, der sich in diesem alten Mann – grandios gespielt von Christian Heller – in all den Jahren angestaut hat, lässt sich nicht übersehen. Grausam scheint Shylock, gierig nach Vergeltung. Aber, und das betrachte ich als einen großen Reiz der Inszenierung: Er bleibt nicht der Einzige, dessen Worte und Taten Ekel hervorrufen. Der Zuschauer schwankt zwischen Abscheu und Mitleid und am Ende ist nicht klar, wer hier grausamer ist. Das höhnische „Bist du zufrieden, Jude,“ nachdem Shylock alles verloren hat, hallt noch lange Zeit durch den Saal.

Jochen Quast: Benedikt Zimmermann, Christian Wincierz

Jochen Quast: Benedikt Zimmermann, Christian Wincierz

Hier wird Shakespeare vom Erlanger Ensemble in seiner traditionellen Form geboten mit Shakespeare-typischen Kostümen von Tanja Liebermann. Wir sehen zum letzten Mal Christian Wincierz, der in seiner neuerlichen Charakterrolle als Gratiano glänzt. Benedikt Zimmermann gibt den forschen Jüngling, der die jüdische Tochter  entführt. Winfried Wittkopp präsentiert seine Wandelbarkeit und seinen gutmütigen Humor. Und Oliver Konietzny unwirbt in allerfeinster Art die schöne Portia. Ein fantastischer Schauspielabend, der zum Nachdenken anregt, der zum Lachen bringt und berührt. Ein Abend, der Spaß macht!

„Der Kaufmann von Venedig“ feiert am Donnerstag (6.6.) Premiere, weitere Vorstellungen sind am 11.6., 12.6., und 6.7. jeweils 19.30 Uhr, am 7.7. 18.00 Uhr. Viel Vergnügen!

Paula Linke

 

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