Ólafur Arnalds am 31. 5. 2013 im Konzertsaal der Nürnberger Symphoniker!
von Antje Bertz und Corinna Hengelein
Es ist mucksmäuschenstill als ein kleiner, dürrer Mann die Bühne betritt und sich an den Flügel setzt, dessen Größe selbst dem Musiker unheimlich erscheint. Das Licht geht aus, der erste Ton erklingt. Douglas Dare ist größer als das Klavier und das zeigt er dem andächtig-lauschenden Publikum. Er bildet den Auftakt für einen Abend voll junger Virtuosität und träumerischer Musikalität.
Da sind Fachmänner auf der Bühne. Das ist klar. Òlafur Arnalds – wir denken gerne an viele Projekte mit namhaften Musikern zurück. Gänsehaut breitet sich auf unseren Unterarmen aus, wenn wir uns an seine Kooperation mit Nils Frahm erinnern. Die Gänsehaut spiegelt sich selbst in seinen Albumtiteln wider. So erschien 2013 „For Now I am Winter“, seine bisher experimentierfreudigste Arbeit. Das was er da tut, klingt sehr isländisch, sehr filmisch, teils zerbrechlich, teils stark zelebrierend.
Doch zurück zu seinem Kompagnon, dem stimmgewaltigen Douglas Dare.
Er hat das Publikum auf seiner Seite. Er singt über Caroline, über Narben, Flammen, die Schlaflosigkeit und das Uhrwerk, das an diesem heutigen Abend seinen Dienst quittiert hat. Er nimmt uns mit auf eine Reise durch frühmorgendliche, nebelverdeckte Wiesen. Dies tut er, indem er uns seinen auf dem Klavier tanzenden Fingern und seiner klaren und durchdringenden Stimme lauschen lässt. Nichts weiter. Das Klavier, die Stimme und er.
Douglas Dare – ein Name, den man sich merken sollte. Selbst wenn das Licht angeht.
Das Licht, es kommt plötzlich, es reißt uns heraus aus dem Schwelgen in einer Welt, die Douglas Dare gerade – so schien es – nur für uns erschuf.
Pause.
Gestalten rutschen auf hölzernen Sitzen, drehen Zigaretten, plaudern und freuen sich über den gelungenen Auftakt. Man erwartet Großes auf der minimalistisch konzipierten Bühne. Man weiß nun schon: Der Klang der Location ist toll, die Stimmung atmosphärisch, die Menge des gut besuchten Konzertsaals bleibt still.
Das Licht geht wieder aus. Der 26-Jährige Ólafur kommt auf die Bühne. Das Experiment kann beginnen. Viele Äpfel leuchten auf der Bühne, umgeben von Streichern, einem Blechbläser und dem Multiinstrumentalist selbst, der sich zwischen die Äpfel an das Piano setzt, um aus seinem Equipment etwas zu holen, was uns unsere Reise fortsetzen lässt.
Er lässt uns mitfahren, die Alleen entlang, der kalte Wind bringt unser Haar durcheinander. Wir fahren dem Meeresrauschen entgegen, das auf die Wand projiziert wird. Sind wir schon in Island angekommen?
Die Musiker erstarren wie Marionetten in einem Theaterstück. Sie warten auf den nächsten Ton, der auch sie wieder auf das Gefährt aufspringen lässt. Nichts darf heute ablenken von dem Klang der Musik. Schon verblasst das Meer vor uns und macht Platz für tausende kleine Lichter, die umherschwirren, sich verbinden und wieder auseinanderbrechen.
Das Bild an der Wand spiegelt das Bild in unserem Kopf wieder und komplettiert es stimmig.
Der Filmmusik-Komponist versteht sein Handwerk. Das ist klar.
Unsere Reise führt uns nun weiter auf den Mond. Die Oberfläche des Planeten bildet die einzige Lichtquelle auf der Bühne. Es ist kalt – Die leuchtenden Schwerter blenden uns aus dem Nichts und zerren uns zurück in den Konzertsaal.
Und draußen hat es aufgehört zu regnen.
Text: Antje Bertz
Fotos: Corinna Hengelein
Musiktipp: Douglas Dare – Scar