Es ist dunkel. Von irgend woher dringen zarte, sphärische Klänge in den Raum. An Konstruktionen aus Draht schweben glitzernde Gebilde – Planeten? Sterne? Ein Mann kommt, in leicht abgewetztem Frack, der Kragen mit Pailletten bestickt. Er lässt die Gebilde tanzen.
„Kennen Sie das,“ fragt er. „Immer hat man so Krümel und Fussel in der Hosentasche und man hat keine Ahnung, woher sie kommen. Aber wenn sie schon mal da sind, kann ich sie auch gleich verwenden. Ich hab da keinen Plan, Universen haben nie Pläne, wir machen alles nur aus Spaß. Wir befinden uns im Zeitalter des Chaos.“
Christoph Bochdanksky aus Österreich erklärt uns die Welt, vor allem ihre Entstehungsgeschichte. So etwas kann sehr schwer sein – all die Phänomene, die es da zu erklären gibt. In Vertretung des Universums selbst beschränkt er sich allerdings nur auf einige wenige: Die Verbannung der Vernunft, die Schöpfung des selbst schöpfenden Traums, die Erschaffung des Menschen und das wild kochende Blut in den Adern von Mann und Frau, das gleichzeitig nach Leben und Vernichtung strebt.
Seltsam geartete Wesen
Seine Rolle ist die eines Schöpfers und die eines Showmasters. In seiner ersten Rolle brilliert er: Die Fabelwesen, die er zaubert, begeistern in ihrem bestechend spröden Stil und ihrem Einfallsreichtum. Hier wird aus einem Stock, einem seltsam gearteten Kopf und einem Tuch ein verschrobenes Tier, ein Wesen aus einer anderen Welt, das mit seinem Schöpfer Tango tanzt. Der Tod entsteht als Kopf zwischen dicken Stoffen. Dem Universum wachsen die unterschiedlichsten Nasen. Aus einer Nase flattert ein Spruchband, auf dem „Idiot“ steht. Auf einer Anderen tanzt der Teufel. Aus einer noch kleineren Tasse schlüpfen kleine Pflanzen, Schmetterlinge und Kühe. An einer Art großen Kartoffel werden Augen befestigt und verschiedene Körper ausprobiert. Ein großes Spiel. Und jede Erfindung ein detailreiches Spielzeug. Aus dem Zuschauerraum dringen immer wieder „Ahs“ und „Ohs“.
Die Beherrschung des Chaos
Doch die Traumwelt, die geschaffen werden soll, die Reise durch einen Raum voller Möglichkeiten wird gestört durch eben dieses Chaos, welches das Universum anfangs so hoch hielt. Handgriffe scheinen unsicher, überbrückendes Tänzeln zur Musik und Summen unpassend. Das Chaos mag dem Universum zuträglich sein, der Schauspieler sollte es beherrschen. Und so bleibt „Alles über die Welt“ eine hübsche Präsentation wirklich faszinierender Geschöpfe und filigraner Wesen zu den zusammen geschnittenen Tönen österreichischer Volksmusik.
Aber der Unterschied zwischen Bochdansky und anderem Figurentheater liegt darin, dass es hier nicht so sehr um das Spiel mit oder das zum-Leben-Erwecken von Puppen geht, sondern um die Schöpfung von Figuren an sich vor den Augen des Publikums selbst. Und das ist auch etwas Wunderschönes!
Paula Linke