Ein Handy mit Kamera – mehr braucht man heutzutage nicht mehr, um Kunst zu machen. Oder war es Politik? Diese beiden Maximen greifen ineinander in der neuen Ausstellung des Kunstpalais. ‚Freiheit’ ist das Thema und das präsentiert sich wenig museal, dafür in brandaktueller und bewegter Form auf Leinwänden. Man soll nicht nur sehen und aufnehmen, sondern selbst aktiv werden.
Das Internet und Handykameras waren im arabischen Frühling die Mittel, Proteste international zu verbreiten und so für die ganze Welt sichtbar zu machen. Daher beginnt die Ausstellung auch mit Videos von sechs verschiedenen Künstlern aus Syrien, Ägypten und Tunesien. Original-Videos von Demonstrationen vermischen sich mit künstlerischen Bildern, die das Leben unter autoritären Regimes zeigen.
Alexander Apóstol und Jamaika
Ideale von Freiheit finden einen neuen Rahmen oder werden dekonstruiert. Ein bekannter Künstler aus Venezuela, Alexander Apóstol, lässt von Landsleuten, die kaum englisch sprechen, einen Brief aus Yamaika vorlesen, ursprünglich verfasst von dem südamerikanischem Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar. Der Brief kann von jeder politischen Gruppe für ihre eigenen Ideologien zweckentfremdet werden. Die einfach gekleideten Männer aus verschiedenen politischen Lagern lesen in einem Gemeindebüro den ‚Yamaikaleter’ vor, sind dabei aber kaum zu verstehen. So werden die leeren Worte und die populistischen Versprechen sichtbar, die in diesem Brief stehen. Alexander Apóstol präsentierte diese Arbeit bereits 2011 auf der Biennale.
Lars Ø. Ramberg sprayt und erzählt von Vanunu
Andere Ausstellungsstücke wurden exklusiv fürs Erlanger Kunstpalais angefertigt, wie zum Beispiel die eindrucksvolle Videoarbeit des Norwegers Lars Ø. Ramberg, der zu Beginn der ersten Führung in roten Lettern ‚Freiheit’ an die Wand sprayte. Ramberg traf in Jerusalem den israelischen Nukleartechniker Mordechai Vanunu, der 1986 aufdeckte, Israel würde Atommacht werden. Daraufhin kam er für 18 Jahre in Isolationshaft. Heute lebt er nicht mehr in der winzigen Zelle, steht aber unter ständiger Beobachtung.
Neun Gebote muss er einhalten, diese hat Ramberg wie die 10 Gebote von Moses auf zwei Steine geschrieben und vor die Interview-Bildschirme gelegt. Darauf steht, dass Vanunu keine Menschen treffen darf, nicht ausreisen, nicht chatten oder skypen, arbeiten darf er auch nicht. Die Bilder zeigen einen Mann, der sich eine optimistische Einstellung zur Welt erhalten hat. Er will den Gedanken an Freiheit nicht aufgeben.
Freiheitsbegriff und Theorie
Bilder wie diese flüstern: Wie gut, dass ich niemals für meine Freiheit kämpfen musste. Doch wie frei bin ich wirklich? Was muss getan werden, um frei zu bleiben?
Was fehlt, ist eine Einordnung in den abstrakten Begriff ‚Freiheit‘. Wird doch in der Ausstellung eingeschränkte Freiheit diskutiert, zum Beispiel über die Wahl des Wohnorts oder die Freiheit des Handelns. Ein paar Theorien täten gut, um den Besucher nicht ins Leere laufen zu lassen. Von selbst erschließen sich die Ausstellungsstücke nur schwer.
Mehr Informationen zu den gegenwärtigen Künstlern täten gut, und die Dolumentation über die aktuelle Diskussion über ihre Kunst. Sonst erscheint vieles doch wie ein guter Dokumentarfilm, aber nicht wie Videokunst.
Geduld und politische Teilhabe
Der Besucher braucht viel Zeit und Geduld, um sich die Filme anzusehen und das Gesehene zu verarbeiten. Wieviel Teilhabe ist gefragt, und macht man genug, um Freiheit im eigenen Land zu erhalten?
Selbst aktiv werden kann der Besucher, indem er bei twitter zu dem chinesischen Künstler Ai WeiWei tweeted. Live zeigt das Kunstpalais alle Tweets unter dem #aiww, worunter der Künstler selbst auch kommentiert.
Die Frage nach Engagement steht im Raum, wird aber nicht mit drohendem Zeigefinger oder schlechtem Gewissen durchgesetzt. Wichtig ist vor allem der Dialog, daher wird ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten. Zahlreiche Workshops erleichtern eine Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema.
Die Ausstellung ‚Freiheit‘ endet am 30.6.2013.
Johanna Meyr