Eigentlich wollten sie 500 Bücher über einen Zeitraum von zwei Jahren verkaufen. Nun sind es innerhalb kürzester Zeit 50 000 Bücher geworden, und die Autoren Marc Friedrich und Matthias Weik touren damit durchs Land. In „Der größte Raubzug der Geschichte. Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“ geben sie einen Abriss, wie das Finanzsystem funktioniert, wie Banken mit Geld umgehen und wie die Finanzkrise so weit kommen konnte. Weik und Friedrich wollen, dass die Bürger vorbereitet sind, wenn das System scheitert. Sie verstehen ihr Buch und ihre Vorträge als „Akt der Zivilcourage“. Wer den Wirtschaftsteil der Zeitungen schon lange nicht mehr versteht, bekommt in diesem Buch einen guten Überblick über die Finanzbranche. Kurze Kapitel, zahlreiche Zitate und hin und wieder ein auflockernder Comic machen das Buch zu einer unterhaltsamen Lektüre, die den schleichenden Untergang der Währungsunion beschreibt.
Was können wir dagegen tun? re>flex hat die beiden Autoren Marc Friedrich und Matthias Weik gefragt.
re>flex: Sie geben einen geschichtlichen Abriss, was passiert ist in der Finanzwelt, und dass uns ein Staatsbankrott bevorsteht. Wer sagt mir, dass ich Ihnen glauben kann?
Friedrich: Weil wir ein rein auf Fakten basiertes Buch geschrieben haben. Unser Buch beruht auf 900 Quellen und wir haben den Status Quo eruiert, dass das aktuelle Finanzsystem und der Euro gescheitert sind und noch scheitern werden. Des Weiteren sollte jeder auf sein Bauchgefühl hören. Die meisten Menschen bemerken intuitiv, dass das ganze System aus den Fugen geraten ist. Sonst hätte sich unser Buch nie so gut verkauft und wäre seit Monaten in den Bestsellerlisten.
Weik: Wir haben das Komplexe wie bei einem Puzzle zusammengefügt zu einem Gesamtbild. Die Fakten sprechen für sich, wenn ich mir die Jugendarbeitslosigkeit anschaue in Griechenland mit über 60 % und in Spanien mit über45%. Die Zahlen der Automobilindustrie sind so schlecht wie sie noch nie waren. Wenn Herr Barroso und Frau Merkel sagen, die Krise ist vorbei, dann sehe ich das anders. Wir sind eine ganz schlimme Mischung, wir sind Schwaben und Ökonomen, und wir glauben an wirtschaftliche Fakten. Ich glaube auch, die Zukunft wird uns eines Besseren belehren, die Krise ist noch nicht vorbei, sie hat noch gar nicht angefangen.
Was 2008 war, war umgangssprachlich gesagt, Kinderfasching, zu dem, was noch kommen wird. Bis jetzt ist noch nichts passiert, bei uns. In der Südperipherie schon, jetzt wackeln Länder wie Italien, Frankreich, Holland, Belgien, Großbritannien, Griechenland, Spanien, Portugal; In Irland sieht es verheerend aus, da kommt noch einiges auf uns zu.
re>flex: Wir sind alle in dem Strudel drin, ich gehöre auch zu der Jugendarbeitslosigkeit. Was mache ich jetzt mit dem Wissen?
Friedrich: Jeder von uns kann aktiv werden. Wir alle können bestimmen, bei welcher Bank wir unser Geld haben, wir alle können aktiv rausgehen aus Papierwerten, den Banken ihr Fundament entziehen für ihr spekulatives, verantwortungsloses Verhalten.
Wir alle können alle als Multiplikatoren dienen, mit Professoren reden, mit Kommilitonen, mit Bankberatern, auf unser Buch hinweisen, auf die Vorträge.
Wir alle können heute oder morgen etwas verändern, jeder Einzelne. Natürlich ist es bequemer, zu warten bis andere die große Revolution starten. Aber wir alle müssen etwas ändern, sonst endet alles in einem großen Fiasko.
Re>flex: Papierwerte, was meinen Sie genau damit?
Friedrich: Das Motto der Stunde ist raus aus Papierwerten, rein in Sachwerte. Und Papierwerte sind alle Investment, wie Bausparvertrag, Riester, Aktien, Rürup, Lebensversicherungen usw.
Man muss halt auch bedenken, Papierwerte werden von Banken und Versicherungen kreiert, damit sie Geld verdienen, nicht der Kunde. Sonst könnten sich die Banken die ganzen schönen Immobilien z.B. in Konstanz am Marktplatz nicht leisten.
Weik: Das ist alles unser Geld.
Friedrich: Da fängt der Raubzug schon an.
re>flex: Banken sind nicht per se schlecht?
Friedrich: Banken haben an sich schon einen gesellschaftlichen Auftrag. Das Problem ist nur, sie haben vor 20 Jahren den Pfad der Tugend verlassen und sind gierig und dienen nur noch sich selbst. Sie dienen nicht mehr der Allgemeinheit. Wir sind der Nachschubgeber für Geld. Natürlich gibt es Banken, die nicht mit einem Faktor bis zum 100 hedgen oder spekulative Wetten eingehen.
Es gibt nämlich eine GLS-Bank oder eine Ethik-Bank, die machen natürlich Sinnvolleres. Aber man darf nie vergessen, wenn der Euro kippt, ist das Geld genauso weg wie bei der Sparkasse, weil die alle unter dem ungedeckten Papiergeldsystem leiden werden.
Weik: Es ist nicht die Frage, ob der Euro kippt, sondern wann. Denn was die Regierung seit Jahren betreibt, ist reine volkswirtschaftliche Schadensmaximierung. Das Einzige, was sich die Regierung und die Notenbanken bis jetzt erkauft haben, ist Zeit. Aber die Einschläge kommen immer näher, und die Beträge der Rettungspakete werden immer höher. Wir retten nicht die Länder, wir haben nur die Banken gerettet. Jedes Rettungspaket war nur ein verstecktes Bankenrettungspaket.
Friedrich: Wir machen kein primitives Bänker- oder Griechenlandbashing. Banken haben einen Auftrag und den erfüllen sie gerade leider nicht. Und wir müssen gucken, wir alle, denn wir haben auch die Macht, dass die Banken wieder dahin zurückkehren, wo sie hingehören: Dass sie die Gesellschaft, die Wirtschaft, mit Geld versorgen und nicht mehr renditegetriebener Gier hinterher rennen.
Eigentlich müssten alle Länder raus aus dem Euro. Und ihre eigene Währung implementieren und dann bräuchten die Länder in Südeuropa einen Marshall-Plan, um eine nachhaltige und wertschöpfende Industrie aufzubauen. Die Länder da unten sind alle in einer tiefen Depression. Und teuer wird es für uns alle.
re>flex: Warum zieht keiner die Notbremse?
Friedrich: Diejenigen, die vom System profitieren, sitzen oben in der Finanzbranche und in der Politik. Die haben keinerlei Interesse, irgendetwas zu ändern, Fett schwimmt immer oben.
Der Euro ist eine beispiellose Serie von Vertragsbrüchen, Lug und Betrug, und zwar von oberster Stelle. Es werden offizielle Verträge gebrochen, Lissabonner Vertrag, Artikel 125, Maastricher Verträge, usw.
Wir schaffen gerade den Nährboden für Extremisten, Separatisten und Nationalisten und für bürgerkriegsähnliche Zustände. Wir werden in Europa Bürgerkrieg sehen. Die Jugendlichen werden irgendwann auf die Straße gehen und machen Revolution.
Der Euro eint nicht Europa, der Euro zerstört Europa.

Foto: DWN
Friedrich: Aus ökonomischer Sicht ja. Ich hab 1998 angefangen BWL, VWL zu studieren. Da habe ich schon im ersten Semester gelernt: Man kann Volkswirtschaften wie Griechenland und Portugal nicht in eine Währungsunion stecken mit Deutschland und Österreich. Das war ökonomischer Irrsinn. Die Vergangenheit ist ein sehr guter Ratgeber und da haben wir für das Buch nachgeschaut. Man hätte erkennen können, das alle ungedeckten Papiergeldsysteme und alle Währungsunionen gescheitert sind. Die letzte Währungsunion, die wir in Europa hatten, war die lateinische Münzunion, die ist 1927 gescheitert, ironischerweise ausgelöst durch Griechenland. Es war alles schon da.
Re>flex: Wenn das Papiergeld scheitert, was passiert dann?
Weik: Dann wird es wieder etwas Neues geben. Vielleicht gibt es ein Edelmetall gedecktes Geld, wir wir es schon in der Vergangenheit hatten, oder wir fangen wieder bei Null an. Jedes Papiergeldsystem, das auf Zinseszins beruht, beruht auf exponentiellem Wachstum und wird rein mathematisch immer scheitern.
Auf uns kommt nichts Wunder weiß was Schlimmes zu. Der einzige Unterschied wird sein, dass einige Wenige viel mehr haben werden und Viele viel weniger. Es wird einfach eine Umverteilung geben von Fleißig nach Reich. Die größte Umverteilung, die es jemals in der Geschichte gab.
Re>flex: Warum ist dieser Crash größer als alle in der Vergangenheit?
Weik: Weil wir jetzt ein globales Problem haben. Dank der Globalisierung sind wir alle in einem Boot. Wenn jetzt eine große Bank kippt oder eine wichtige Währung, fallen überall die Türme, weil wir überall so verzahnt sind, jetzt ist kein Entkommen mehr.
Friedrich: Und noch nie war mehr Geld im System wie aktuell.
Re>flex: Vorhin haben Sie gesagt, wir haben die Macht. Wer ist damit gemeint, wie soll das funktionieren?
Friedrich: Einen Wandel von oben, von der Finanzbranche, als auch von der Industrie, den sehen wir nicht. Die Protagonisten werden erst gezwungen werden, einen Wandel einzuläuten, wenn der Druck von der Straße, von der Bevölkerung, größer wird. Das wird entweder passieren durch ein katastrophales Ereignis, Bürgerkrieg oder Krieg, oder ein finanzielles Fukushima, und das sollten wir eigentlich vermeiden.
re>flex: Das heißt, eigentlich geht’s um einen selbst. Es geht darum, seinen eigenen Besitz zu retten?
Friedrich: Um Gottes Willen, nein! Es ist ein gesunder Egoismus, erst mal zu versuchen, seinen eigenen Wohlstand zu sichern. Wir alle werden verlieren.
Uns geht’s nur so gut, weils den anderen so dreckig geht. Denn wir haben ein Schuldgeldsystem.
Weik: Wenn die einen die Schulden nicht mehr bezahlen können, bekommen wir auch kein Geld mehr.
Es geht nur so lange gut, wie die anderen die Schulden bezahlen. Jetzt geht’s um den kapitalen Erhalt. Wenn Sie es schaffen, 70 oder 80% ihres Wohlstand zu sichern, gehören Sie zu den Gewinnern, denn die meisten werden das Gleiche verlieren.
Friedrich: Wenn man den ersten Schritt getätigt hat und sich finanziell auf mehrere Standbeine gestellt hat, und dann aufzuhören wäre egoistisch. Der Egoismus hat uns dahin gebracht, wo wir momentan sind. Dann müssen wir uns darum kümmern, wie es den Nachbarn geht, den Freunden und Verwandten. Es ist wie im Flugzeug: Wenn es Turbulenzen gibt, kommen die Luftmaske runter, müssen Sie erst sich versorgen und dann die Nachbarn. Wenn Sie dann aber alles richtig machen, und es crasht, dann sitzen Sie in Ihrem Keller, mit Ihren Sachwerten und Lebensmittelvorräten, und wenn um Sie herum die ganze Welt zusammenbricht, ist das Leben nicht mehr lebenswert. Deswegen ist es essenzieller, dass Sie als Multiplikator dienen und Menschen aufwecken.
Umso mehr Menschen vorbereitet sind, desto glimpflicher läuft es ab.
Friedrich: Uns geht es so gut wie noch nie. Wir haben den höchsten Lebensstandard. Die Treppe runter ist immer anstrengender als die Treppen hoch. Nehmen Sie den Leuten das Iphone weg, facebook, twitter und Dschungelcamp, dann brennt die Hütte auch in Erlangen.
re>flex: Von welcher Zeitspanne reden wir?
Weik: Wir können nicht in die Zukunft blicken. Das geht so lange gut, wie Sie morgens zum Bäcker gehen und zwei Semmeln kaufen und die Verkäuferin sagt ‚1 €’. Wenn es dann heißt ,Geben Sie mir etwas anderes’, dann wissen wir, es ist vorbei.
Friedrich: Wir können Ihnen schriftlich geben, dass es crashen wird, nur wann, wissen wir nicht. Es kann noch zwei Tage gut gehen, oder zwei Jahre, vielleicht noch fünf Jahre.
Es kommt darauf an, wie lange die Leute dem System noch vertrauen und Geld da reinpumpen.
re>flex: Ich habe also zwei Möglichkeiten. Entweder gebe ich mein Geld sofort aus, weil ich es sowieso verlieren werde, oder ich kaufe mir Sachwerte, die ich mir nicht leisten kann, dann muss ich Schulden aufnehmen. Das verteufeln Sie aber auch!
Friedrich: Wichtig ist, dass Sie das Geld Ihrer Eltern sichern, davon werden Sie später mal profitieren.
re>flex: Ich soll aufs Erbe schielen!
Friedrich: Gehen Sie arbeiten und fangen Sie an zu sparen. Dann kaufen Sie sich eine Silbermünze oder eine Goldmünze, Lebensmittelvorräte, eine Streuobstwiese für kleines Geld… Wichtig ist auch, sich ein Netzwerk aufzubauen, mit Menschen.
re>flex: Könnte es dann sein, dass Tauschgesellschaften und Regionalwährungen die Zukunft sein?
Weik: Wir wissen nicht, was in Zukunft kommen wird. Manche Ökonomen sagen, die Krise könnte schlimmere Implikationen haben als die Industrielle Revolution. Kein Mensch weiß, was kommen wird.
re>flex: Was ist in Argentinien passiert, als Sie dort waren: Staatsbankrott, soziale Unruhen, abgewertete Währung. Wie ist Argentinien da wieder rausgekommen?
Friedrich: Argentinien ist gar nicht rausgekommen und die Krise dauert immer noch an. Die Banken waren zwei Wochen zu und dann wurde der Peso um 75% entwertet. In Argentinien wurde die komplette Mittelschicht ausgelöscht. Ich habe Freunde, sind in meinem Alter, die haben studiert, wohnen aber noch zuhause bei den Eltern, haben keinen Job und keine Perspektive.
re>flex: Es kommt also alles wieder, wenn wir diesen Staatsbankrott überlebt haben, kommt der nächste. Das System ist wohl das Problem. Ist der Kapitalismus zukunftsfähig?
Friedrich: In dieser Form nicht und wir leben auch nicht mehr im Kapitalismus. Wir haben Unternehmen verstaatlicht und Aktionäre enteignet. Regierungen greifen massiv in die nicht mehr freie Marktwirtschaft ein. Das ist kein Kapitalismus, den wir in der Universität gelernt haben.
Weik: Denken Sie mal, Sie gehen auf die Pferderennbahn, Sie wetten und verlieren, aber Sie wollen trotzdem den Wetteinsatz und den Gewinn zurück. Und das ist genau das, was die Banken machen. Bei denen läufts nicht gut und die bekommen trotzdem Geld. Das ist kein Kapitalismus, sondern Kommunismus.
Friedrich: Banken müssen pleite gehen dürfen! Wie jedes andere Unternehmen. Die gehen Risiken ein und werden dann mit Steuergeldern gerettet. Das ist zutiefst ungerecht und unsozial. Es werden gerade kommunistische Maßnahmen ergriffen, um den Kapitalismus künstlich am Leben zu erhalten. Das System ist eigentlich tot, aber keiner traut sich, den Stecker zu ziehen.
re>flex: Was ist Ihre Vision?
Friedrich: Wir träumen von einer besseren, faireren Welt. Wir hoffen, dass die Menschen aufwachen und merken, dass etwas aus den Fugen geraten ist. Dass, wenn das System scheitert, wir ein Finanzsystem implementieren, das allen Menschen dient, nicht nur 5%. Wir werden 40 bis 50% von unserem Lebensstatus abgeben müssen, aber dann geht es anderen um 40-50% besser.
Und wir müssen endlich lernen: Es gibt kein exponentielles Wachstum, in einer limitierten Welt ist das mathematisch nicht möglich.
Weik: Wir merken erst, wenn der letzte Baum abgeholzt ist, dass wir nicht weiterwachsen können, dass wir Geld nicht essen können.
Friedrich: Der Mensch ist ein Sippentier, der ist nicht auf Wachstum aus und überall sein will und alles machen will. Er ist ein Familienmensch und ein Stammestier, archaisch bedingt. Und da wird’s auch wieder hingehen. Vielleicht geht wieder zu Regionalwährung und zur Kleinstaaterei. Das ist menschlicher und natürlicher als das, was wir gerade leben. Wir haben uns so weit von der Natur entfernt wie noch nie zuvor.
Die Frage ist, ist das Leben lebenswert?
Wir fragen diese Frage immer bei unseren Vorträgen, und nur 1% streckt sich und sagt ‚Ja, das ist ein super System.’ Aber der Rest sagt ‚Nein‘. Und dann frage ich mich, warum haben wir denn das System noch? Alle sind im Hamsterrad eingebunden, damit 5% die Beine hochlegen können. Wir haben die höchste Verschreibungsrate von Antidepressiva, hohe Krebsraten. Wir haben unzufriedene dicke Deutsche. Es ist eine Farce.
Wir alle müssen überlegen, was macht das Leben lebenswert. Ist der Sinn des Lebens Geld zu verdienen, Karriere zu machen, viel Geld zu machen und mit einem vollen Aktiendepot zu sterben? Oder ist es eher wichtiger, der Gesellschaft zu geben und Werte zu hinterlassen. Da sind wir vielleicht auch romantisch verklärt, aber daran glauben wir einfach.
Tectum Verlag, 2012382 Seiten, Paperback
19,90 Euro
ISBN 978-3-8288-2949-7
Das Interview führte Johanna Meyr
WOW!
Die reden ja mal Tacheles. Sehr sympathisch. Leider muß ich Ihnen zustimmen. Auch wenn ich BWL Student bin.
Cooles Interview!
Danke