Die vergnügliche Rache des Monsieur Biolay

Wer Rache üben will, fackelt nicht lange: dreißig Sekunden braucht Benjamin Biolay auf seinem neuen Album „Vengeance“ („Rache“, Naive 2012) zum ersten Höhepunkt. Wer hätte so viel Sorge um seine Ex-Geliebte, um dem Nachfolger zu raten „Liebe meine Liebe, oder ich bring‘ dich um“?

Liebe ist sein bevorzugtes Sujet und Biolay hält das Niveau; musikalisch zieht er auf „Vengeance“ alle Register. Mal legt er das Klavier zugrunde, mal die Gitarre und arrangiert dazu Samples, Streicher oder Bläser. Es gibt kaum ein Instrument, das er nicht einzusetzen weiß – und er kann ebenso einen avantgardistischen Sound kreieren wie einen tanzbaren Beat. Melancholie kombiniert er nicht mit Schwermut, sondern mit Esprit. Sieben Duette, u. a. mit Vanessa Paradis zeigen: er ist angesagt.

Quelle: benjaminbiolay.com

Quelle: benjaminbiolay.com

Benjamin Biolay ist 1973 geboren und wächst in der Nähe von Lyon auf, seine Eltern halten ihn an, Geige zu lernen, in der Schule hat er Probleme mit der Disziplin. In Lyon sei er erwachsen geworden, erklärte er dem Magazin ‚Les Inrockuptibles‘. Das neue Album habe er ohne persönliches Rachegefühl geschrieben und für alles, was er erreicht hat, hart gearbeitet. Beeindruckt hat ihn der Grunge-Rocker Kurt Cobain. Biolay studiert Musik am Konservatorium in Lyon und verdient sich sein erstes Einkommen mit der Posaune. Er ist ein Fan von Olympique Lyon, sein Chanson „Lyon Presqu’île“ (Halbinsel Lyon) wird dort im Fußballstadion gespielt. In den Bars des Viertels la Croix-Rousse hat er nur mäßigen Erfolg; ihm wird klar, dass er um des Erfolgs willen nach Paris gehen muss. Schon früh ist er für die jetzt regierenden Sozialisten politisiert, wobei er seiner Unterstützung Grenzen zieht. Er legt es nicht darauf an, sich beliebt zu machen und zählt sich selbst nicht gern der ’nouvelle scène française‘ zu, ein Sammelbegriff für die neue Generation von Chansonkünstlern seit den 1990er Jahren, die so viel gemeinsam haben, dass sie Zeitgenossen sind und in derselben Sprache singen.

Erste größere Aufmerksamkeit erreicht Biolay mit dem Comebackalbum von Henri Salvador „Chambre avec vue“ (EMI/Blue Note 2000), das er komponiert, getextet und produziert hat. Ähnliche Hilfestellung leistet er auch für seine Schwester Coralie Clément und für Carla Bruni. Eine Neigung für das Epische zeigt bereits sein Debütalbum „Rose Kennedy“ (Virgin 2001), das man wunderbar genießen kann, auch ohne sich um den Kennedy-Clan zu kümmern. Seiner teilweise zynischen Texte wegen wird Biolay mit Serge Gainsbourg verglichen, dessen Karriere sich von einem Stil zum nächsten entwickelt hat. Biolay changiert zwischen ihnen von einem Song zum anderen – dies vielleicht eine Erscheinung unserer Zeit.

Magier der Erinnerung

Seine Musik kann Erlebnisse in Erinnerung rufen, die man gemacht hat, lange Zeit bevor man ihn kannte. Insofern ist er ein Magier und die Mühelosigkeit, mit der er nie gehörte Harmonien herbeizaubert, als wären sie schon immer dagewesen, Albumcover von Benjamin Biolay, Vengeanceerinnert an das Genie von Brian Wilson und des zu früh verstorbenen Jay Bennett von Wilco. Sprachlich ist jede neu verstandene Zeile ein Erfolgserlebnis und wem die ersten Takte gefallen, dem wird ein ganzes Album zusagen, sei es „HOME“ (EMI 2004) aus seiner Ehe mit Chiara Mastroianni, mehr aber noch „À l’origine“ (Virgin 2005), das kommerziell ein Misserfolg war, oder „Trash Yéyé“ (Virgin 2007), mit dem er sich davon erholt hat; beide wirken atmosphärisch sehr dicht. Die Doppel-CD „La superbe“ (Naive 2009), auf der er Anleihen an Hiphop und elektronischer Musik nimmt, brachte ihm bisher die besten Kritiken ein und ausverkaufte Konzerte.

Für den Film „Pourquoi tu pleures?“ (Warum weinst du? 2011) von Katja Lewkowicz komponiert er die Musik und spielt auch mit. Es scheint, er kann alles; bedenkt man, dass Biolay erst in die so genannten besten Jahre kommt, könnten wir noch viel Vergnügen mit ihm haben.

Die Tournee zum neuen Album beginnt in Deutschland:

23.02.13 Hamburg
24.02.13 Berlin
25.02.13 München
26.02.13 Bonn
28.02.13 Mainz
02.03.13 Wien.

Weitere Termine.

Benjamin Biolay, Vengeance, CD, Naive, 2012, Erschienen am 9.11.2012

Thomas Werner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.