Brüche im Streben: Faust

Schaubude Berlin zeigt „Faust“

„Bruch“ ist das Schlagwort dieses Theaterabends. Das ist nicht verwunderlich, ist doch Faust als ein Charakter anzusehen, der mit Brüchen spielt. Um sein Streben  nach dem zu befriedigen, „was die Welt / im Innersten zusammenhält“, zieht er alle Register: erst die Weiße Magie, dann die Schwarze Magie, ein bisschen Christentum und dann der Pakt mit dem Teufel. Dieser scheint in der Inszenierung von Holger Teschke die eigentliche Kraft des Abends zu sein. In seinem roten Samtumhang mit Glatze erinnert Mephisto an Lord Voldemort, auch eine unangenehme Gestalt und ähnlich vom Bösen durchdrungen.

Er überredet den alten Faust (Karl Huck) in den Vertrag einzuschlagen: „Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!“

Schwarz gekleideter Faust im Streben

Der alte Faust erinnert in seinem schwarzen Umhang, schwarzer Weste, Hose und schwarzem Hemd eher an Graf Dracula als an den zerstreuten Professor, der sich der Wissenschaft verschrieben hat. Das bunte Labor mit Kolben, Hamlet’schen Schädel und Skelett nimmt auf der Bühne zwar einen großen Platz ein, in Fausts Leben wird das Streben allerdings recht kurz abgehandelt. Kein Wunder, bei einer 60minütigen Vorstellung von Faust I muss man Abstriche machen.

Teufelspakt Teil 2

Dafür lebt sein Ebenbild Wagner den Forschungsdrang aus. Auch er trifft einen bösen Geist, den Vitzliputzli. Ein, fettes, nacktes Teufelchen, bei dem Wagner einen Wunsch frei hat. Dieser beschert  ihm einen Homunkulus, nur leider rennt das Zombie-Menschlein aus dem Reagenzglas nach Entstehung gleich fort, bringt ihm also nicht den erhofften Ruhm ein. Wagners sächsischer Dialekt sorgt für einige Lacher im gut aufgelegten Publikum, manchmal bricht der Humor allerdings derart ins Platte ab, dass auf der Bühne kaum Stimmung aufkommen mag. Auch die unheimliche Atmosphäre, die teilweise mit Musik und Lichtspiel erzeugt wird, wird gebrochen durch banale Kommentare und Wortspielereien.

Die knapp einstündige Vorstellung kann nur Schlüsselszenen zeigen, und so wird die Eroberungsgeschichte der Gretchen nur knapp erzählt. Das einfache Mädchen ist nur ein Abklatsch ihrer selbst, die rotblonden Haare kleben verfilzt zusammen, das graue Kleid lässt wenig Frauliches vermuten. Doch sie geht ohnehin schnell zugrunde.

 Feuer und Funken locken auch jüngere Zuschauer

Umso eindrücklicher knallen und leuchten die Special Effects die Bühne aus, so gibt es wenige Aufführungen mit echten brennenden Kerzen, einem magischen Feuerkreis und Mini-Feuerwerken. Das fesselt wohl besonders das junge Publikum, das die Schaubühne mit ihrer „altersgerechten Herangehensweise an klassische Stücke“ fesseln will. So richtig werden diejenigen, denen der Text unbekannt ist, die Aufführung allerdings nicht verstehen, die  logischen Herangehensweise stolpert und springt doch zu sehr.

Wer spielt hier wen?

Hin und wieder fällt es dem Zuschauer schwer, sich auf das Nebeneinander von Schau- und Puppenspiel zu konzentrieren. Spricht die Puppe Mephisto gerade mit dem Alten Faust, ist der Schauspieler des Faust nicht präsent, er spricht ja gerade den Mephisto. Dafür nimmt die Stimme eine eigene Rolle ein, könnte sowohl bei Mephisto als auch beim jungen Faust aber markanter und eindeutiger hervorstechen. Magische Momente, wie wenn Mephisto den jungen Faust ins „volle Menschenleben“ mitnimmt und mit ihm durch die Lüfte fliegt, oder die Verjüngungskur, können umso leichter dargestellt werden und das Publikum begeistern.

Die Aufführung bringt Faust I (Teil II in Auszügen) lebensnah auf die Bühne, die zwar einigen Ernst vermissen lässt, dafür für Erheiterung sorgt. Die Marionetten blicken über die Rampe der Puppenbühne hinaus und zeigen die Geschichte auf besondere Art.

Johanna Meyr

Seebühne Hiddensee
Regie: Holger Teschke

Spiel: Karl Huck
Bühne, Figuren: Christian Werdin
Kostüme: Katharina Schimmel
Künstlerische Mitarbeit: Wiebke Volksdorf, Kay Zeisberg

Dauer: ca. 60 Minuten
10,50 € / ermäßigt 7,- €

Greifswalder Straße 81-84, Berlin.

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