Vier Karten spielende Mädels sitzen auf dem Boden, mit Mützen auf dem Kopf, rot/schwarz gekleidet. Sie spielen „Apo“, eine apokalyptische Form von „Uno“. Während des Theaterfestivals ARENA diesen Jahres durfte man bei „zeiTraum: POST“ seine Ängste auf eine (Post-)Karte schreiben, die dann aufgehängt wurde. Diese Ängste von Studenten und Festivalbesuchern wirken mit ein in diese Performance gegen Kapitalismus, gegen das Geld, gegen die Beschleunigung. Wann muss man Stopp sagen? Wann dreht sich das Hamsterrad zu schnell und wer kann entschleunigen?
Die Apokalyptikerinnen Pina (Pia Lubig), Valu (Valerie Schaub), Lula (Giulia Gendolla) und Lika (Julia Sommerfeld) versuchen das scheinbar Unmögliche: Sie wollen das System ändern und alle animieren, mitzumachen.
„Wissen Sie, wo Ihre Hose herkommt, die Sie da tragen?“
Sie sprechen FoxConn an, die zu unmöglichen Bedingungen hochwertige Smartphones herstellen lassen, sie machen auf die Zustände in der Textilbranche aufmerksam, sie sprechen über die Übel der Welt.
Ja, sorry, aber das weiß ich schon. Und ich gehe fast davon aus, dass für die Besucher des Experimentiertheaters das keine neuen, leider auch nicht mehr weltbewegenden Infos sind. Sicher wäre es zuviel verlangt, Lösungen zu erwarten, die andere schlaue Menschen aus Wirtschaft und Politik auch nicht liefern können. Und ja, jetzt fühle ich mich schlecht, wie die meiste Zeit, wenn ich über die Welt nachdenke, über die Erste und die Entwicklungsländer, Rohstoffgewinnung und Immobilienkrise, die Probleme nehmen gar kein Ende.
Doch wie geht die Inszenierung damit um? Was liefert sie statt den Antworten? Ein Beispiel ist die Rede, die Lula grandios spielt. Sie ist ein einziges Wortspiel über Mündel und Sicherheit, Geld und Vertrauen, Unternehmen und Schafe im Regen (aus Jelineks, „Kontrakte des Kaufmanns“). Lula steht am Rednerpult, repräsentiert eine der ausbeuterischen Firmen und umgarnt ihr Publikum. Sie umschifft die Schwächen des Unternehmens und säuselt dem Anleger Sicherheiten vor, die es nicht gibt und vielleicht nie gegeben hat. Die Rede zeigt Humor, sarkastisch macht sie sich lustig über diese Teufelsspirale, in der wir uns alle befinden.
Eine der wenigen Stellen mit Witz. Der Brief an das Geld wirkt eher wie kindisch-naives Mädchengekicher. Ein wenig mehr Leichtigkeit bei dem schweren Thema hätte gut getan.
Jedoch schafft es die Aufführung, abstrakte Gedankenspiele umzusetzen, sie zu visualisieren und sie dem Publikum nahezubringen. Man kann viel hineinlesen, oder auch sehr wenig, doch Angebote bringen die Apokalyptikerinnen auf jeden Fall.
Anfangs sind sie ja noch optimistisch. Sie wollen etwas tun gegen das Einerlei der Einförmigkeit, sie wollen Ecken und Kanten und Weißräume. Was passiert, wenn man einen anderen Blickwinkel darauf wirft, was machen die Schatten aus dem Bild?
Die Frage lautet: Wer macht alles mit, wer duckt sich weg und wer tut aktiv etwas gegen dieses verquere System? Wir sind alle vernetzt, nichts ist unmöglich. Aber ziehen wir alle am selben Strang oder fieselt sich das große, starke Tau „Europa!“ gerade auseinander?
Viele Fragen wirft diese Performance auf, und lässt den Zuschauer ein wenig allein damit. Die vertrauenserweckend starken Seile werden zerschnitten: Werft eure Ängste auf den Boden und tut etwas gegen das System! Oder sitzt ihr doch nur im dunklen Zuschauerraum und wartet, bis sich von selbst etwas ändert?
Mit einfachen Mitteln und wenigen Requisiten, wie zum Beispiel dem Vortrag, der kurzerhand in ein Megafon verwandelt wird, wirkt die Aufführung nicht überladen. Man weiß trotzdem, was gemeint ist. Die Musik wird gezielt eingesetzt und tut ihr übriges für eine gelungene Aufführung.
Am Ende herrscht großes Chaos und ermattet liegen die Apokalyptikerinnen da. Valu versucht wie Wall-E zu retten, was zu retten ist, doch ohne Erfolg. So bekommt man doch Lust, an einer besseren Welt mitzuwirken. Mehr Bio zu essen, mehr Fahrrad und weniger Auto zu fahren, nur bei fair bezahlenden Unternehmen zu konsumieren, also ein besserer Mensch zu werden. Es ist noch etwas zu retten!
Etwas beschwingter verlassen die Zuschauer den Theaterraum.
Johanna Meyr
Liebe Elisa,
ich fand die Aufführung gut, habe aber ein paar Kritikpunkte.. Macht das nicht neugierig, es sich mit eigenen Augen anzusehen und sich selbst ein Urteil zu bilden?
Liebe Grüße,
Johanna
Liebe Autorin,
aus Deinem Artikel wird leider nicht deutlich, wie Du die Aufführung nun letztendlich bewertest, Du schwankst sehr zwischen Fundamentalkritik an der Themensetzung und -Umsetzung und überschwänglichem Lob….
Grüße
Elisa