Ein Gospodin, so wie wir!

Foto: JOCHEN QUAST; Daniel Seniuk, Anja Thiemann

„Ihr Schweine! Ihr seid schuld, dass die ganzen Tante-Emma-Läden eingehen.“

Wie viele Studenten studieren an der Universität in Erlangen oder an der in Leipzig, in Berlin, Frankfurt, Dresden – überall – , die von einem post-kapitalistischen Leben träumen. Fern von all dem Konsum, Zinsen auf der Bank und dem Wunsch nach einem neuen Auto. Back to the roots, heißt es, zurück zum Ursprünglichen, zum Eigenanbau, zum eigenen kleinen Häuschen mit Plumpsklo. Gospodin denkt da ganz ähnlich.

Bisher hat er mit einem kleinen Lama Geld verdient, aber das hat ihm Greenpeace weggenommen und seitdem ist Gospodin (Daniel Seniuk) arbeitslos. Seine Freundin verlässt ihn. So wenig wie alle anderen versteht sie es, als er anfängt, sich sein Dogma auf den Wohnungsboden zu schreiben, bestehend aus: „1. Ein Weggang ist auszuschließen […] 2. Geld darf nicht nötig sein […] 3. Jedweder Besitz ist abzulehnen […] 4. Freiheit ist, keine Entscheidung treffen zu müssen.“ Und damit ist er ziemlich zufrieden. Genau danach lebt er, entgegen der Versuche seiner Freunde, ihm Arbeit zu verschaffen, ihn zurück ins System zu holen und damit seine Existenz zu sichern. Denn Gospodin existiert auch so. Er braucht nichts. Gar nichts. Das Wundervollste wäre, wenn er ins Gefängnis käme. Nur arbeiten, des Arbeitens willen und dafür morgens, mittags und abends etwas zu Essen bekommen. Kann man diese Einstellung einen „Gospodinschen Romantizismus“ nennen? Oder stellt seine Lebensweise tatsächlich eine Möglichkeit dar, dem Kapitalismus und dem Konsum etwas entgegenzusetzen? Ich weiß es immer noch nicht. Die „Freiheit, nichts entscheiden zu müssen“ ist schließlich eine recht ignorante Einstellung, oder nicht?

Foto: JOCHEN QUAST; Daniel Seniuk, Benedikt Zimmermann

Zur Premiere von „Genannt Gospodin“ findet sich in dem kleinen Zuschauerraum der Garage ein aufgeregtes, summendes und murmelndes  Publikum ein. Quirlig, jung geblieben, ein anderes als im großen Haus. Die Inszenierung selber entpuppt sich als herrlich spritziges Kammerspiel mit drei hervorragenden Schauspielern, das auf jeden Fall zum Nachdenken anregt, gleichzeitig aber auch einfach nur Spaß macht. Anfangs ein Erzählstück, schlüpfen die Schauspieler Anja Thiemann und Benedikt Zimmermann später in die verschiedenen Rollen: in die der Freundin, des besten Freundes, irgendeines Freundes und dessen Freundin, indie eines Gangsters und in die der Mutter. Für die Rolle der Mutter bekommt Benedikt Zimmermann sogar Applaus mitten im Stück. Sehr schnell geht es zu, dynamisch wechseln sich die Szenen ab und ziehen den Zuschauer in einen angenehmen Sog von Wahrscheinlichkeiten. Was, wenn Gospodin am Ende wirklich nichts bleibt, als die eigene Haut? Und am Ende weiß man nicht, mit wem man sich mehr identifizieren kann/soll. Die Freundin mag zickig sein, aber sie versucht ihr Bestes, zu Gospodin durchzudringen, herauszufinden, was er eigentlich will. Die Kunstszene wird hop genommen, ganz klar. Auch die Geld habende, aber nicht genug Geld habende Mittelschicht. Die saubere IKEA-Welt wird buchstäblich auseinander genommen. Dieses Stück sprüht vor Witz und feinen Spitzen.

Foto: JOCHEN QUAST; Daniel Seniuk, Anja Thiemann

Das mag aber auch an dem jungen Produktionsteam liegen. Kathleen Draeger (Regie) und Lydia Hofmann (Bühne und Kostüm) haben mit ihrem Schauspielteam eine Inszenierung geschaffen, perfekt für die junge, idealistische Welt der Studenten. Auf jeden Fall ein Stück, das man gesehen haben sollte.

Gelegenheit hat man dazu jetzt bis Dezember, Termine sind im nächsten Monat der 6.11./7.11./27.11./28.11. und 29.11. jeweils 20.00 Uhr in der Garage, Theaterstraße 3, 91054 Erlangen. Viel Spaß!

Paula Linke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert