Wenn der Opa Haue kriegt…

Alt werden ist doof, erwachsen werden noch viel schlimmer!

Es gibt diesen einen Zustand der Zufriedenheit und des Glücks, mit dem man oft nach einem gelungenen Theaterabend oder einem Kinobesuch nach Hause gehen darf. Die Geschichte ist dann stimmig, die Schauspieler gut und der Schluss befriedigt den Wunsch nach Happy End. Das muss aber nicht sein, denn ein Theaterstück ist ja keine Gutenachtgeschichte.
So hinterlässt „Der Mann der die Welt aß“, von Johannes Wenzel in Szene gesetzt, beim Zuschauer ein eher mulmiges Gefühl und weckt den Wunsch den Mitmenschen für einige Zeit besser nicht zu nahe zu kommen. Denn manche Personen scheinen Gift für ihre Umwelt zu sein!
So zum Beispiel der „Sohn“ in Nis-Momme Stockmanns Tragikomödie, die am 21. Januar 2012 im Theater in der Garage in Erlangen Premiere feierte.

Die Schiebe-Wände auf der Bühne sind ebenso leicht zu verändern, wie die Stimmung des „Sohns“. Aus Christian Kleins Bretterentwurf wird einmal ein Kleiderschrank, ein Bankgebäude oder ein Einfamilienhaus. Werden sie verschoben, erscheint wie bei der Hand über dem Gesicht eines Pantomimen, zwar keine neue Grimasse, aber jedes Mal ein neuer Raum mit anderer Atmosphäre. Immer mittendrin der „Sohn“ (Johannes Suhm, sehr glaubhaft cholerisch). Dieser hat die 30 zwar schon überschritten, mit erwachsen werden hatte er bislang jedoch trotzdem nicht viel am Hut. Seine Frau und Kinder lässt er deshalb lieber im Stich und verliert nach einem Ausraster im Büro auch noch seinen Job. Vielleicht wäre das alles nicht so schlimm, wenn nicht plötzlich alle Welt verlangen würde, dass er schön langsam mal Verantwortung übernehmen könnte. Denn sein Vater beginnt allmählich durch Altersdemenz den Verstand zu verlieren und sein kleiner, verplanter Bruder  ist auch keine große Hilfe. Der „Sohn“ wird rücksichtslos ins kalte Wasser gestoßen und muss den Vater (Thomas Marx, rührend als Alzheimer-Erkrankter) bei sich aufnehmen und pflegen.

Eigentlich würde er ja dabei Unterstützung von seiner Ex-Frau (Linda Foerster) bekommen, nur hat die bestimmt eine Affäre mit dem besten Freund (Steffen Riekers), dem Streber, der sogar samstags Sakko trägt! Oder geht man vielleicht „nur“ mit einem alten Bekannten auf die Beerdigung des eigenen Onkels? Wohl kaum! So steht der „Sohn“ alleine da, während seinem Vater immer wieder was „sehr dummes“ passiert. Die Linsensuppe landet versehentlich in Sohnemanns Kleiderschrank und irgendwie vergisst der Vater auch, sich anzuziehen. Geld verdienen müsste der „Sohn“  eigentlich auch einmal wieder, aber die 50 Euro, die der Bruder ihm eventuell leihen könnte, reichen nicht ganz aus, um sich selbstständig zu machen. Nach zwei Monaten überwindet der „Sohn“ endlich seinen kindlichen Stolz und entschuldigt sich bei seinem ehemaligen Arbeitgeber (Winfried Wittkopp), um seine Stelle zurückzubekommen. Leider war seine Trotzphase etwas zu lange und der Chef hat schon Ersatz gefunden. Mist! All dem Ärger muss natürlich Luft gemacht werden und zu Hause hat der Vater bestimmt schon wieder was angestellt. Und wenn nicht, muss er für ehemalige Säumnisse als Familienoberhaupt büßen. So wird wütend auf den alten wehrlosen Mann eingedroschen, der vergisst das bestimmt eh bald wieder. Zum Abschluss landet der kleine Bruder im Krankenhaus. Auch das ist der Verdienst des „Sohns“.  Konnte er doch seinen Bruder überreden, dessen Asthmaanfälle seien nur Einbildung. Man hat ja schon genug Sorgen. Doch haben alle Verständnis für den „Sohn“.  Es ist ja auch nicht leicht, so schnell erwachsen zu werden!

Auch wenn man die Figur des „Sohns“ verabscheut, kann man in dessen Charakter doch viel vertrauten Egoismus  wiederfinden. Denn ab und zu sind doch wirklich alle anderen daran schuld, dass eben nichts klappen will! Stellt sich also die Frage, ob man sich auch früher oder später in ein Eltern-schlagendes-Monster verwandelt. Oder muss man nur den eigenen Nachwuchs fürchten? Laut dem Münchner Sozialarbeiter Claus Fussek ist häusliche Gewalt gegen einen Pflegefall keine Seltenheit. Bleibt also zu hoffen, dass die eigenen Eltern später einmal einen Platz in einer gut geführten Seniorenresidenz bekommen, wo man nur alle paar Wochen, vorher natürlich emotional gefestigt, vorbeischauen muss. Dann bleibt die Linsensuppe nämlich im Topf.

Lena Naporra

„Der Mann der die Welt aß“

Garage Erlangen

Premiere: 21.01.2012 

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