Was ist Kunst und wer bitteschön hat Ahnung davon?
Ist das Kunst oder kann das weg? Der Witz hat schon so einen Bart, ist aber immer wieder aktuell, wenn schlecht informierte Putzfrauen vor Fett triefende Ecken säubern und hässliche Kalkflecken wegschrubben. Seit die Grenzen der Ästhetik überschritten worden sind, ist es schwierig, Exponate dementsprechend einzuordnen. Und dann gibt’s da noch ein paar Irre, die einfach so Säure auf berühmte Marienstatuen spritzen.
Dave, Ex-Türsteher und ziemlich prollig (Tiger-Tattoo im Nacken, extra breiter Kragen, Cowboystiefel, große Silberschnalle am Gürtel und Gangster-Ringe an den Fingern) hat eigentlich nicht viel mit Kunst zu schaffen. Bis er einen Job als Museumsaufseher annimmt. Die meisten Exponate findet er öde. Doch Dave soll ein kontroverses Werk bewachen. Jesus am Kreuz, zusammengesetzt aus schmutzigen Porno-Bildchen, ein „NippleJesus“. Dave ist erst angewidert. Nachdem er aber das Werk gegen religiöse Spinner, Moralisten und sogar seine eigene Frau verteidigen muss, fängt er an „sein“ Bild zu mögen und sich darüber Gedanken zu machen. Trotzdem wird „Jesus“ von seinen Gegnern zerstört, ohne dass Dave etwas gegen die Vernichtung unternehmen kann. Die Künstlerin ist entzückt. Kann sie doch aus der Schändung der Ikone ein Video mit dem Namen „Intoleranz“ machen, wie sie es von Anfang an geplant hatte. Zurück bleibt ein verwirrter Dave. Hätte er das Gemälde gar nicht beschützen sollen? Aus der cleveren Künstlerin wird eine blöde Kuh und sein Job mit einem Mal todlangweilig.
Kathleen Draeger inszeniert Nick Hornbys Kurzgeschichte „NippleJesus“. Ins Theater geht man für dieses Ein-Mann-Stück nicht. Wer „NippleJesus“ sehen will, muss schon ins Museum. Steif und mit finsterem Blick beobachtet Hermann Große-Berg als Dave, wie die Zuschauer ins Untergeschoss des Kunstpalais wandern, sich etwas unsicher in diesem Raum voller Bilder umsehen und hoffen einen guten Platz zu bekommen. Stühle gibt es keine, aber diese kleinen Hocker, die müde Museumsbesucher manchmal mit sich herumschleppen. Die müssen auf ein weißes Kreuz platziert werden. Unsicher wackeln die Besucher auf diesen Sitzen herum. Darauf soll man ein ganzes Stück lang ausharren? Wird das nicht bald unbequem?
Dann schließt „Dave“ die Glastüren und fängt an zu reden. Er hält sich beinahe wortwörtlich an Nick Hornbys Worte, trotzdem gelingt es Große-Berg Lebendigkeit zu bewahren. Man hört diesem Mann gerne zu, sieht ihm gerne zu, wie er zwischen den Zuschauern umherwandert, sich auf leere Hocker niederlässt und auf imaginäre Bilder starrt, obwohl es doch so viele echte gibt, hier im Museum. Große-Berg spielt gleichzeitig derb und sensibel, brüllt manchmal und wird dann eher nachdenklich und lässt so die Zuschauer mit seinem „Dave“ mitfühlen. Und so dumm und oberflächlich wie er aussieht, ist dieser Proll eigentlich gar nicht .
Plötzlich sind diese kleinen Hocker sehr praktisch, denn man kann sich gut mit drehen, wenn sich „Dave“ durch den Raum bewegt. Das Stück dauert auch nicht so lange, dass man Rückenschmerzen vom Sitzen bekommt. Nach einer Stunde hört „Dave“ auf zu reden. Schade, denn man hätte gerne weiter zugehört. Vielleicht hätte er ja noch was anderes zu erzählen gehabt. Aber er steht wieder wortlos in der Ecke, bis er vom Applaus erlöst wird.
Magdalena Naporra