Ein eingeschneites Herrenhaus irgendwo in Frankreich. Die Telefonleitung ist tot, das Auto springt nicht an und der Herr des Hauses liegt in seinem Schlafzimmer mit einem Messer im Rücken. Versammelt um ihn herum seine Frau und seine zwei Töchter, seine Schwiegermutter und seine Schwägerin, die zwei Dienstmädchen und seine Schwester. Das ist der Cocktail, aus dem ein zünftiger Zickenkrieg gemixt wird, denn natürlich sind alle des Mordes verdächtig und nach und nach wird enthüllt, dass tatsächlich jede der acht Damen ein Motiv besitzt…
Rainer Werner Fassbinder, Douglas Sirk, Rita Hayworth, George Cukor, Christian Dior und ein paar Klassiker des französischen Chansons: Regisseur Ozon entfacht ein Höllenfeuer von Zitaten, das selbst Tarantino den Atem verschlagen dürfte. Dazu die größten Diven, die das (französische) Kino je hervorgebracht hat, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Danielle Darrieux. Aufgrund dieses Zitatensturms könnte man schnell den Eindruck bekommen, dass man es bei den Figuren nicht mit echten Menschen mit echten Problemen in einer halbwegs logischen Story zu tun hat. Alles ist gekünstelt, die Kulissen mit dem schreiend unechten, weil aufgemalten, Himmel oder die pastellfarbenen und perfekt aufeinander abgestimmten Kostüme. Zu Anfang kommen all die Krimi-Klischees dazu, die wahrscheinlich schon zu Zeiten von Agatha Christie altbacken waren. Die herrische Mutter. Das gutmütige Hausmädchen. Die jungfräuliche Tante. Haben wir alles so oder so ähnlich schon tausend Mal gesehen.
Bevor jetzt aber jemand den Eindruck bekommt, dass der Film doch eine komplette Katastrophe ist, gebe ich die ultimative Entwarnung: Der Film ist zum Sterben unterhaltsam. Die Charaktere sind mit ihren Schrullen und Macken, mit ihren schrillen Zickereien und Intrigen unendlich lustig, dazu kommen die herausragenden Darstellungen aller Schauspielerinnen, nicht umsonst die Creme de la Creme der französischen Filmszene. Im weiteren Verlauf des Films zerschlägt Ozon die Stereotypen, indem er das 50er-Jahre-Feeling mit völlig untypischen Themen unserer Zeit, so möchte man meinen, bricht, so zum Beispiel Sadomasochismus, Inzest, Homosexualität usw. Gerade weil nichts davon explizit gezeigt wird, sondern fast schon beiläufig in das quietschige Szenario hineingeredet wird, entsteht eine besonders intensive Atmosphäre, die wahrscheinlich flöten gegangen wäre, hätte man das Ganze mit entsprechenden Szenen bildlich unterfüttert. Und tatsächlich identifiziert man sich zum Ende hin mit diesen Frauen und ein Hauch von Anteilnahme weht durch das herrschaftliche Gemäuer, woran man nach den ersten paar Minuten gewiss nicht gedacht hätte. Nicht ganz unerwähnt sollten in diesem Zusammenhang die Chansons bleiben, welche jede der Darstellerinnen im Verlauf des Films zum Besten gibt. Die Zerbrechlichkeit der Charaktere kommt besonders hier zum Ausdruck, die Darbietungen wirken rau und ungekünstelt, fast, als würden die Schauspielerinnen in diesen Augenblicken ihre Rollen verlassen, um direkt mit dem Publikum zu kommunizieren.
Fazit: Mit „8 Frauen“ legt Regisseur François Ozon eine unglaublich unterhaltsame Hommage vor; an was genau lässt sich nicht unbedingt so leicht sagen bei all den verschiedenen Genre-Einflüssen. Und sollte man nicht zufällig beinharter Verfechter vom 80er-Jahre-Actionkino sein, dann wird man definitiv irgendeinen Aspekt an diesem Werk mehr als nur zu schätzen wissen.
Weitere Aufführungen von „8 Frauen“ in Erlangen finden am Dienstag, den 22., und am Mittwoch, den 23. November 2011 in der Mensa am Langemarckplatz von der Studiobühne statt.
Michael Brinkmann