Die Studiobühne zeigt Yasmina Reza
Das ist Kunst. – Das ist Kunst? Zwei Sätze, zwei Meinungen. Und bei einer weißen Leinwand gehen die Meinungen schon mal auseinander. Besonders in dem Stück von Yasmina Reza. „Kunst“ zeigte die Studiobühne Erlangen letztes Wochenende am Treffpunkt Röthelheimpark unter der Regie von Katharina Schliedermann und Matthias Nadler.
Schwarz-weiß ist das Bühnenbild. Ein weißer Stuhl links, ein weißer Sessel rechts und eine weiße Bank hinten vor der schwarzen Wand. Jemand betritt die Bühne. Er erzählt uns von seinem Freund Serge, der sich ein Bild gekauft hat. Er möge die Kunst, sagt er. Er ist Marc (David Becker), trägt ein kariertes Hemd mit lockerem Anzug, in dessen Taschen noch oft eine Pillendose zum Vorschein kommen wird. Marc wird sich noch furchtbar über seinen Freund Serge aufregen.
Dann kommt Serge (Matthias Maser) auf die Bühne – er trägt weiße Jeans und weiße Baumwollhandschuhe und in seinen Händen eine große weiße Leinwand. „Teuer?“, fragt Marc. „Hunderttausend.“, antwortet Serge und stellt es hinten vor die schwarze Wand.
Marc mag es nicht, das Kunstwerk. Hunderttausend für diese weiße Scheiße, sagt er. Und Serge mag es nicht, dass Marc es nicht mag. Fassungslos zerrt Marc den dritten Freund, Yvan, mit herbei. Der kleine, zappelige, kindliche und selbstlose Papierwarenhändler ist so gespannt auf das Bild , dass er seine Caprisonne in der Hand zerquetscht, als Serge ihn endlich fragt, ob er es sehen wolle. Und so stehen sie zu dritt vor dem weißen Bild, sehen mal Streifen, mal Farben; für Serge ist es keineswegs weiß, Marc kann gar nicht mehr hinsehen.
Hin und wieder hält eine Figur die Szene an, tritt an die Rampe und kommentiert. Anfängliche Bemerkungen werden zu Lästern und bald zu Wutausbrüchen – ein teures weißes Kunstwerk wird zur persönlichen Angriffsplattform und dabei geht es bald längst nicht mehr nur über Kunstgeschmack.
Yvan (Andreas Pommer) kommt eine Dreiviertelstunde zu spät zum verabredeten Abendessen. In einem Redeschwall versucht er sich zu rechtfertigen, aufgebracht hüpft er wie ein Frosch über die Bühne, seine Stimme überschlägt sich, er ringt nach Luft und redet weiter. Seine Frau, die bevorstehende Hochzeit und die bösen Schwieger- und Stiefeltern vermischen sich in einer Art Comedy-Nummer, wie wir sie von Michael Mittermeier gewohnt sind.
Mit dem Gemecker der anderen zwei beginnt ein großer Klagechor, der lang verschwiegene Wahrheiten ans Licht bringt. Dass sie die Frauen der anderen hassen und ihre Freundschaft sowieso bloß auf Überlegenheitsgefühlen entstanden ist. Als ihnen schließlich die Worte fehlen, ergreifen sie die Tat. Doch selbst die handfeste Prügelei beendet den Streit nicht: Während Serge und Marc munter weitermachen, hat sich der kleine Yvan auf einen Stuhl geflüchtet und plappert in eine Schnapsflasche, die er sich ans Ohr hält, um sein geplatztes Trommelfell zu kühlen.
Aussicht auf Besserung bietet sich erst, als alle erschöpft im Kreis sitzen und Oliven aus einem Glas auf dem Boden naschen. Wieder ist Yvan so erschrocken, dass die Olivenkerne in seiner Hand auf den Boden purzeln, als Serge Marc schließlich einen Filzstift gibt und auffordernd auf die weiße Leinwand zeigt. Ein blaues Strichmännchen auf dem Weiß hat nun den Streit besiegelt und beendet das Stück, nachdem die Figuren an der Rampe abspannmäßig den Schluss kommentieren.
Valerie Schaub