Ach, verdammt. Jetzt muss ich hier einen Text über Ja, Panik schreiben und es versuchen. Versuchen loszukommen, weg, und nicht einen der „over-sophisticated Pop-Diskursler“ geben, die diese Band in Sphären geschrieben haben, in denen sonst nur die neuesten „Jetzt ist alles möglich“-Hype-Produkte der britischen Musikpresse schweben. Ja, ihr habt es ja schon ausgesprochen, Ihr Kulturdiktatoren des deutschsprachigen Feuilletons, euer kollektives „Anhören!“-Verdikt, um euch der eigenen Hegemonie zu versichern und wir tun’s ja, tun’s ja, tun’s ja und wollen es auch ehrlich nicht mögen, nun wirklich nicht, weil wir nicht auf euch hören wollen, große Verweigerer, wie wir doch sind.
Denn es ist ja mittlerweile ein zu sehr vorhersehbares Spiel mit der Popkritik und Ja, Panik: Oh Spieglein, Spieglein, oh, ihr Granden, sagt, wer ist die beste Band in deutschsprachigen Landen? Es werden doch, ach gott, oh nein, nicht etwa Ja, Panik aus Österreich sein? Quelle Surprise! Geht ja mittlerweile zu wie bei Wilco hier.
Aber natürlich unterschreiben wir am Ende jedes einzelne Wort, haken alles ab, ich setze sogar meinen aller schönsten Schnörkel darunter, denn es hat ja nicht einmal einen ganzen Durchlauf von „DMD KIU LIDT“ gebraucht, um zu verstehen. Ich muss das mit Zähneknirschen tun und zitternder Hand, denn was Ja, Panik machen schreit und brüllt und kreischt aus allen Ecken und Enden nach Widerspruch, nach denjenigen, die keinen Bock haben auf diese epochale postmoderne Referenzapokalypse namens „DMD KIU LIDT“; denen, die die Band schon seit „The Taste And The Money“ beschissen fanden, als sie ihr anmaßendes, unerhörtes, grandioses Sechs-Punkte-Manifest zum Album hinzulegte.
Ja, wer traut sich jetzt, wer reißt hier noch was rum? Niemand, außer ein paar der üblichen waseinbisschennachgehobenemdeutschklingtalspseudointellektuellundprätentiösabkanzelnden Internetforisten, die ab- und an ein erquickendes „Jedes Mal wenn ich das höre, hasse ich Österreich ein klein wenig mehr“ beisteuern? Niemand?
Schaut mich nicht an, denn ich tue es nicht.
Weil ich dieser Band verfallen bin, sowie man einer Band nur verfallen kann. Es ist keine, sich selbst aufgebende, himmelhochjauchzende, euphorische Hingabe, sowie das in den 90er-Jahren, sagen wir bei einer Band wie Suede der Fall gewesen sein muss, sondern ein grrrrrimmiges, pessimistisches Eingeständnis, hier eine bittere, oftmals nur von dunklem Humor gerettete Wahrhaftigkeit zu finden, welche wohl die einzige Medizin ist, um nicht zum Misanthropen zu werden. Glaubt an wenig! Glaubt an die Liebe! Fürchtet wenig! Fürchtet nur die erschreckenste, schlimmste Angst aller Ängste, den endlosen Kreislauf, die Wiederholung! That’s the point, I suppose.
Und jetzt also, am Zenit, weil mehr wohl nicht mehr geht, der Liveauftritt, gut so, es wurde auch Zeit. Lärm! Krach! Unvollständigkeit! Zu leise, zu laut! Arhythmik und Dissonanz! Ich warte.
Es ist ziemlich müßig, sich darüber aufzuregen, dass der Zuschauerzuspruch im E-Werk mal wieder schwerst zu wünschen übrig lässt. Was seid ihr, Narren? Aber jetzt bloß nicht kulturpessimistisch werden. Die Band ist ja schon da oder auch nicht, verharrt in schwarz/weiß im Hintergrund, bewegt sich nur selten. Ein Film auf einer Leinwand, guter Trick, er garantiert die gewünschte Aufmerksamkeit, bis Andreas Spechtl und Co., die blassen Buben, dann tatsächlich auf die Bühne kommen, allesamt in existenzialistisches Schwarz gewandet, so dass im Halbschatten auf der Bühne kaum mehr als Silhouetten zu erkennen sind. Es geht einen Moment, bis die sanfte Orgel schließlich „Trouble“ einleitet, diesen für Spechtls Umgang mit Sprache so symptomatischen Song. Sorry for my bad english, but my german is even worse. Da haben wir sie schon, die seltsame, auf „DMD KIU LIDT“ auf die Spitze getriebene Sprachmelange aus Deutsch, Englisch und Österreicher Zungenschlag, die eigentlich nicht funktionieren kann, es irgendwie trotzdem tut und eines der hervorstechendsten Identitätsmerkmale dieser Band ist. Und ihre Wurzeln beim durch Spechtls Gesang ohnehin ab und an sehr präsenten Landsmann Falco hat. Ein Referenzspielchen also mal wieder, und Achtung, sich darauf einzulassen, auf all die Querverweise und Zitate und Zeichen und Wasweißich dieser Songs bedeutet womöglich, sich darin zu verlieren, denn auch das ist ja wesentlicher Bestandteil der Identität von Ja, Panik: Die Notwendigkeit des Zitats, ja Plagiats. Wer will kann also ihr Werk durchforsten, so lange wie es ihm Spaß macht und beispielsweise in „Trouble“ eine Anspielung auf den deutschen Philosophen Walter Benjamin entdecken oder eben auch nicht. Ob es das braucht? Vielleicht eher nicht, aber das kurze Lächeln, das Erstaunen, oder das Stirnrunzeln bei einer Entdeckung wie dieser, dass bleibt. Und wer nicht will, kann ja immer noch dem wunderbar schwelgerischen Popsong lauschen, der „Trouble“ ja letztendlich ist. Und ein heiteres „Fuck you!“ an den unbedingten Kunstanspruch dieser Band senden. Es würde sie wohl nicht weiter kümmern.
Zu diesem Zeitpunkt ist schon klar, dass die Band nicht hübsch chronologisch das ganze „DMD KIU LIDT“(was übrigens, für diejenigen, die es noch nicht wissen, nach allgemeinem Dafürhalten „Die Manifestation des Kapitalismus ins unserem Leben ist die Traurigkeit“ bedeutet) spielen wird, wie sie es bisweilen schon getan hat, sondern wieder ein bisschen variiert. Weshalb nach „Trouble“ auch erst mal einige Songs von „The Angst and the Money“ folgen, die so viel ungestümer daherkommen als das eher getragene „DMD“. „Die Luft ist dünn“ ist darunter, dem live noch viel mehr die scheppernde Eleganz der Libertines nachweht, auch „Ja, es stimmt“, „Dynamite“ und natürlich „Nevermore“ mit seinem spektakulären, alles an allen Ecken und Enden in Flammen setzenden euphorisch-erruptiven, im Chor herausgebrüllten Refrain. Die Band spielt diese Songs so, wie man solche Songs eben spielen muss: Sehr schnell, sehr laut und absolut schnörkellos. Lediglich beim eben erwähnten „Nevermore“ gibt Gitarrist Thomas Schleicher den in der Mitte tänzelnden und dabei „ästhetisch wertvoll“ rauchenden Dandy, bevor er in den Chor mit einsetzt. Es gibt kaum Pausen zwischen den Songs, Kommunikation mit dem Publikum ohnehin nicht, es geht voran, schnell, rasend schnellschnellschnell.
Die „DMD“-Songs werden dagegen bisweilen mit Leinwandbildern im Hintergrund ausstaffiert, „Mr. Jones & Norma Desmond“ etwa, dass von einem auf der Schreibmaschine getippten „Dear Norma, I’m your biggest fan“ eingeleitet wird, ehe Spechtl Dylans alten Nemesis Mr. Jones ein weiteres Mal verhöhnt (Irgendwas ist da im Gange, du bist nicht sicher, doch du schreibst) und ihm zusammen mit Norma Desmond, dem ebenso aus der Zeit gefallenen alten Stummfilmstar das endgültige Vergessen an den Hals wünscht. Die Leinwand ist es auch, die das abwesende John Cale-Streicherensemble (um auch das nochmal zu erwähnen) einblendet, dass es für „Barbarie“ braucht. Derartige Spielereien verblassen allerdings zügig, denn letzten Endes siegt natürlich die Schlichtheit, klar. „Nevermind“ braucht nicht viel, genau genommen nur eine einsame Gitarre, um in Sachen Intensität nochmals eine Schippe draufzulegen – wenn hier statt Spechtl alleine alle Bandmitglieder jeweils eine der Strophen über Thomas, Christian, Stefan, Sebastian anstimmen und somit also sich selbst besingen, ist das natürlich großartig. Zumal es Thomas Schleicher etwa gelingt, das hier am deutlichsten und besten ausgeprägte Sprachesperanto Spechtls noch affektierter zu betonen (gibt es , so ganz nebenbei, eigentlich ein schöner klingendes englisches Wort als Success?) und das muss man bei dessen immer sehr affektiertem Gesang erst einmal schaffen, ohne es in Lächerliche abdriften zu lassen.
Ich erwähne übrigens das Wort „großartig“ (und sämtliche anderen Worte des Lobes) jetzt nur noch einmal (nämlich hier), weil es ab jetzt ohnehin für alles gilt. Für „Blue“. Für „Alles hin, hin, hin“. Für „Run From The Ones That Say I Love You“. Und natürlich für „The Evening Sun“, dass hier hymnisch zelebriert wird und immer noch so verblüffend danach klingt, als hätten Mick Jagger und Keith Richards es in der „Let It Bleed“-Phase mit diversen Substanzen zugedröhnt in einem Hotelzimmer kurz vor dem Morgengrauen geschrieben. Ja, und danach, da kann eigentlich nur noch „DMD KIU LIDT“, das epische Titelstück selbst kommen und das kommt natürlich auch, volle vierzehn Minuten und eigentlich mag ich dazu jetzt auch überhaupt gar nichts mehr sagen, nein wirklich nicht mehr, weil sich die Wucht dieses Monolithen vielleicht allenfalls mit Dylans „Desolation Row“ vergleichen lässt (über das man ja eigentlich auch nichts sagen sollte). Vielleicht ein Zitat daraus nehmen? Ach was. Lassen wir also ein wenig Platz, um das Ganze angemessen zu würdigen. Und warten, bis es ausklingt.
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So. „Ihr bringt uns ganz schön in die Bredouille. Ihr wisst schon dass nach dem Stück nix mehr kommen kann.“ sagt der Spechtl. Es ist das erste, was er an diesem Abend sagt (von einigen genuschelten Dankeschöns mal abgesehen). Und weil er völlig Recht damit hat, schicken Ja, Panik dann eben doch noch etwas hinterher, nämlich eine kreischende, auf das Grausamste verhackstückte Version von „Marathon“. Wie, da kann jetzt nichts mehr kommen? Ach was! Wider solch alberner, scheinbar endgültiger Gebote. Tocotronic, den Brüdern im Geiste, hätte das gefallen.
Ich füge diesen Zeilen jetzt allerdings nichts mehr hinzu, wozu auch, es ist alles gesagt.
Und wem das nun zu viel der Lobhudelei war: Verdammt, macht MIR deswegen doch keine Vorwürfe!
Manuel Weißhaar
schöne fotos