Ich fuhr nach Nürnberg, notierend. Ein Bein lag geknickt über dem komplementären Knie und der Fuß schläft langsam ein: Sandkörner unter den Nägeln und unruhige Träume (zum Stil: jeder Satz braucht einen eigenen Charakter, dieser: ä-ö-ä-ä, ähh??). Am Hbf rutschten wir (Luca und ich) in eine kurze Bestandsaufnahme zu Fjällräven-Jacken: „Die sind gar nicht so teuer.“ Mein Pa hatte eine (der Apfel fällt…IPhone-Aktien) und gleich darauf nannte mich K. einen „Engel“, weil ich die leeren Bierflaschen nicht im Burger King stehen ließ: Es heißt, wir leben in einem entmythologisierten Zeitalter!
„Die werden dafür bezahlt“ etc. und „Ich kann nachvollziehen, dass du das machst, aber ich bin nicht so selbstlos.“ (dazu: K. verlor mal seinen Job und arbeitete zwei Wochen weiter, weil sein Kollege ohne ihn nicht klar kam – immer diese Selbstdefinition durch Verneinung des Ich: ein Phänomen, das zu beobachten ist.) Später sagte er: „Wie auch immer: Nach dem Tod kommt der Ruhm.“ Weil der Verstand lieber positive Ereignisse speichert. Ist die Vergangenheit unerträglich, wenn man sich komplett erinnert? (heißt: wenn man den Schmerz nicht verdängt: „komplette Erinnerung“ hängt unmittelbar mit „Stilisierung“ zusammen, man könnte ein Prinzip draus machen und auch auf diesem Fachgebiet „Doktor“ werden.) Man stilisiert also die Erinnerung (und diese Vorstellung von der Erinnerung ersetzt langsam die eigentliche Erinnerung). Folglich: Man muss unmittelbar dokumentieren, um kein retrospektiver Idealist zu werden. Logischerweise hatte ich E.Nobel in der Tasche, nur kein Diktiergerät, ich wollte es mitnehmen, aber die Akkus waren leer, obwohl ich sie geladen hatte, plus andere Gründe (schlichte Vergesslichkeit for example).
Gehirnwindungen versanken allmählich, eingelegt in einer Glasschale voll 30ml Cognac (mein Pa will den 120€ Otard XO Gold verwenden, um Arznei zu konservieren: Cognac war selbst mal Arznei: Hennessy is my remedy, 2008 in Rom. So einfach ist es nicht mehr, Betäubung ist zurzeit nicht rezeptfrei – fragen Sie ihren Apotheker). Wir waren nicht betrunken, unser Bewusstsein wurde nur geschüttelt von Gitarrenriff und Gitarrenriff (Riff: Songs eher Strohballen/ als Korallen/) und alle anderen kannten die Lyrics, sie hüpften rum brüllten. Ich erinnere mich an eine einzige Zeile: You’re a radar detector. Word. Ist die Beleuchtung in diesen Clubs immer rötlich? (oder: einseitige Erinnerung mit eigener Aussage.) Ein Yoga-Mädchen war dort. „Ich hab eine DVD, Mann…eine DVD. Ich kipp um, wenn ich einen Kopfstand mache!“ „Wenn du mich auf einen Kopfstand einlädst, nehme ich an.“ „Ok…ok!“ Dann merkte ich, dass man mich in diesem Schuppen verfolgte, dieser Radar Detector machte mich paranoid (schon länger dieser Komplex, kodierte Nachrichten über Free-SMS-Konten zu verschicken, und eine Geldfrage). „Haben Degus immer noch weiße Bäuche?“ „Natürlich, die Evolution der Farben ist langsamer als eine menschliche Ewigkeit, oder eine gemeinsame.“ Und dann stand sie da, lange Haare wie rote Asche bei dem Licht und entspannte Reserviertheit, sie hieß Jasmin (ya mean?): „Ich will dir was ins Ohr flüstern.“ „Moment: mein Kumpel hat sich die Haare im Suff geschnitten, er ist kein Anarchist, nur weil er wie ein Punk aussieht.“ „Darum geht’s nicht.“ „Na gut.“ (Man versucht es eben.) Und sie dann flüsternd: „I stand in my action figure pose for them hoes, nur auch: Aber gestern hast du mich noch geliebt. Brigitte Bardot plus Phobos und Eleos der Bleichgesichter (man bemüht sich, der Bezeichnung zu entsprechen): Das muss ich zugeben: Mehr als mich selbst, aber jetzt ist Schluss damit. Hier ist Größenwahn und Gegenwart, die verpasst wird, weiße Dachse und ein Westen: jeder Politiker über 27 sollte Kinder haben (Hurensöhne stechen ihre Attitüden wie Plätzchen aus der Zukunft), keine Nation, eine Spur der Erschöpfung, thought it was love, how foolish of us, Feuerquallen aus Freiheit und mein letztes Mädchen machte Apfelküchle, die mich an Mösen erinnerten, wir selbst sind so und trotzdem kaut man Erdnüsse mit der notwendigen Ernsthaftigkeit, salt peanuts, Schulden und kein Bizeps, die turbulente Strömung, Schwaden, die wie Träume sind (sie lösen sich auf, aber waren wirklich da!), schau, wir lösen uns auf, aber waren wirklich da und bei A. Schmidt: Explosion oder Fäulnis.“ Ich kratzte mich am Kopf. „Wie kommst du da dran?“ „Ich bin Geheimagentin.“ „FBI?“ „BND!“ „Diese Hunde…“ „Geht es um die Erinnerung?“ „Du hast dieses Gedicht auswendig gelernt.“ „Es ist mein Job.“ „Was wollt ihr von mir?“ „Diese konspirativen Botschaften über staatliche SMS-Dienste, seid ihr eigentlich bescheuert?“ „Aber: was wollt ihr von mir?“ „Wir beschatten dich.“ „Ich bin Lucky Luke…“ „Hm, dann bleibt das Ende offen?“ Jawohl.
Joshua Groß