Der Jörg Fauser des Rap

für V.

Manchmal denke ich, Kamp hat die Existenzialisten gelesen: Ich wach morgens auf und frag mich wofür. Es gibt schon Gründe: die Musik selbst, oder Mädchen, die man vielleicht liebt und überhaupt die Stilisierung des eigenen Versagens. Und es gibt die Hoffnung, vielleicht mal diesen einen Tag zu finden, diesen Tag für Eva (for ever).

Die Blaupause des Antihelden, trotzdem werd ich geklatscht / für jeden ehrlichen Satz / was dich nicht umbringt, das härtet dich ab / und mittlerweile sind die Wangen taub / Im Krankenhaus / grüßen’s mich mit „Kamp One“, von wegen Underground / er will eigentlich die Comics zu diesem Leben zeichnen, der Malerei-Student, und das soll er auch tun, aber davor will ich noch die Opium EP und VOZ 2.
Es ist scheinbar ohne Zukunft, aber mit einer Herkunft, die nicht so verkehrt scheint. Ich weiß noch, wie ich mal mit meiner Ma aus Nürnberg heimfuhr. Wir saßen in der S-Bahn und es war schon dunkel, kurz vor Weihnachten, überall Pakete, Tüten und Schachteln, ich war vielleicht 4 und gegenüber saß eine Frau, die wirklich faszinierende Beine hatte. Sie schimmerten wie Bourbon, obwohl ich damals noch nicht wusste, was Bourbon ist, ich erinnere mich daran, wie man sich an einen Traum erinnert. Ich überlegte minutenlang, ob diese Beine real sind, oder ob sie Nylonstrümpfe trägt. Als ich genug überlegt hatte, ohne mehr zu wissen, beugte ich mich vor und streichelte ihre Beine, als wär es gestern, ah, das Leben des Künstlers als kleiner Junge. Und so wie ich meinem Pa damals alles nachgemacht hab, Federball und Schwermut, betont Kamp immer wieder, dass er „Gildos Beispiel“ folgt, dem Vorbild seines Vaters.

Jetzt mit 22 ist es ähnlich, aber anders: „Niemand soll mir sagen, was ich zu tun und lassen hab…“ Kamp ist ein bisschen älter, mittlerweile 29, direkt aus Wien, er erzählt sein Leben in Texten, in Reimen, in einem Stil, an dem er Jahre gefeilt haben muss – wenn man VOZ schon 50mal gehört hat, fällt einem auf, dass es lyrisch und technisch noch eindrucksvoller und besser ist, als man schon angenommen hat. Ich hab in Geldbörsen nichts / In Zellkörpern Gift / und VOZ kam 2009 raus, dieses Album, dass angeblich keins ist, nur ein Schlafmohnfeld, es ist ein instant classic, ein Komplex aus Songs, die alles nötige sagen sollen, somit schon ein Album, nämlich das erste und das letzte. Aus Interviews ist zu entnehmen, dass er nicht aufgehört hat mit der Musik, nur mit dem Alkohol, aber dieser Soundtrack bleibt enorm, eine Platte für Alkoholiker, für Menschen, die sich gerade trennen, für ein paar andere Mädchen, die man nie hatte, für eine Familie, für eine Bewegung. Ich habe in den letzten Jahren nichts gehört, was vollendeter ist, als diese Scheibe.

Es ist kein Zufall, dass D’Evils von JAY-Z gesampled ist, I’d rather die enormous than live dormant thats how we on it, wobei bei Superhelden schon klar ist, dass sie nicht sterben, obwohl sie wie angedeuteter Selbstmord leben – Ich mach mich mit hartem Alk und Shit kaputt, wenn man ein Portrait von Kamp machen will, das den Kerl darstellt, der sich auf VOZ präsentiert, braucht man für die Haut einen gelben Sack und Zähne aus Joint-Stummeln zum Walnüsse knacken.

Wir machen trotzdem weiter, es bleibt vielleicht eine dauerhafte Schädigung von früher, aber heute sind wir selbst verantwortlich, Pa trifft keine Schuld, wir sind auf dem Weg hoch und wenn wir wollen, können wir Federball spielen und den Schwermut vergessen.

Joshua Groß

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert